Der starke Schweizerfranken ist für viele Firmen eine Herausforderung. Mit cleveren Massnahmen steuern sie laut Raiffeisen dagegen.
Die Schweizer Wirtschaft wird nur mit wenig Schwung ins neue Jahr starten. So lautet das Fazit der Ökonomen von Raiffeisen, der zweitgrössten Bankengruppe der Schweiz.
Ausbleibende Impulse
Der Industriesektor müsse mangels Neuaufträgen die Produktion weiter drosseln und der Kaufkraftverlust dämpfe die Konsumdynamik, erklärten die Wirtschaftsexperten am heutigen Dienstag vor den Medien.
Ausbleibende Impulse würden das Wirtschaftsjahr 2024 charakterisieren und die Schweizer Wirtschaft dürfte daher nur mit halber Kraft wachsen, so die Meinung der Raiffeisen-Ökonomen.
Warten auf Aufträge
Nach der Pandemie haben viele Schweizer Industrieunternehmen einen Auftragsschub verbucht. Dieser Nachholeffekt brach im laufenden Jahr wegen der Abkühlung der globalen Nachfrage ein.
Zwar konnten die sehr gut gefüllten Auftragsbücher die Produktionstätigkeit bis zuletzt noch stabilisieren, bleiben die Neuaufträge weiterhin aus, drohen nach Einschätzung von Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile jedoch stärkere Produktionskürzungen.
Die Industrie – nicht nur in der Schweiz – warte sehnlichst auf neue Aufträge, so Hasenmaile.
Beschaffungskosten reduzieren
Der starke Schweizerfranken erweist sich dabei als weiterer Belastungsfaktor für die Industrie. Der langfristige Aufwärtstrend der Schweizer Währung hat sich in diesem Jahr fortgesetzt. Hilferufe aus der Exportwirtschaft waren bis zum Sommer allerdings kaum zu vernehmen.
Die Firmenchefs reagieren vor allem mit zwei Gegenmassnahmen: Die Aufwertung des Frankens sei durch geringere Beschaffungskosten, vor allem für importierte Waren, und geringere Lohnanstiege als in anderen Währungsräumen ausgeglichen worden, hiess es von Raiffeisen.
Wer also die Frankenstärke nutzt, um günstiger Vorleistungen einzukaufen, und sich bei Lohnerhöhungen zurückhält, also nicht wie in Deutschland die Gehälter bei den Lufthansa-Piloten um 18 Prozent erhöht, wird eben wettbewerbsfähiger.
Verlagerung auf Luxusmodelle
Als Überlebensstrategie verlagern Schweizer Exporteure über die Branchen hinweg ihr Geschäft in Produktsegmente mit einer höheren Wertschöpfung. Differenzieren konnten sich dabei insbesondere Unternehmen aus der Uhren- und Pharmabranche.
Der Uhrensektor konnte seine etwa internationale Stellung durch eine Verlagerung auf Luxusmodelle ausbauen. Besonders stark ist dabei die Nachfrage aus China gewachsen.
Der Pharmasektor konnte das Angebot an hochwertigeren Produkten nochmals stärker vorantreiben, mit einem aussergewöhnlich starken Exportwachstum in die USA. Auch der Chemiesektor und die Branche der Präzisionsinstrumente haben ihre Positionen erfolgreich verteidigt.
Fokus auf EU als Fehler
Weniger rosig sieht es laut Raiffeisen in den Bereichen Papier, Glas, Holz oder Möbel aus. Diese Branchen konnten den Anteil an hochwertigen Produkten nicht wesentlich erhöhen und mussten beziehungsweise müssen weiterhin Marktanteilsverluste hinnehmen.
Diese schrumpfenden Branchen seien zudem stärker auf die EU ausgerichtet, was sich aufgrund der stärkeren Konjunkturabschwächung in den Nachbarländern zusätzlich negativ auf eine Erholung auswirke.
Die Deindustrialisierung der Schweiz, die durch die aussergewöhnliche Performance des Pharmasektors seit Jahren verschleiert werde, dürfte sich allerdings fortsetzen und zu einem erneut unterdurchschnittlichen Wachstum der Schweizer Wirtschaft von 0,8 Prozent im nächsten Jahr beitragen, so die Prognose von Raiffeisen.
Hoffen auf SNB
Der Strauss an Möglichkeiten für Schweizer Firmen ist gross. So können sie neben einer Differenzierung der Zielmärkte ihre Abhängigkeit von Fremdwährungen reduzieren. Eine Vollautomatisierung erlaubt sogar Produktion im Hochlohnland Schweiz.
Doch auch ein Fokus auf eine Nische oder die Herstellung von Kleinserien sind mögliche Auswege bei der Dauerherausforderung Frankenstärke.
Und noch an einer Front dürfen Schweizer Firmen hoffen. Die Raiffeisen-Ökonomen rechnen mit einer ersten Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank SNB bis Ende 2024, um dem Aufwertungsdruck auf den Franken entgegenzuwirken und die Schweizer Exportwirtschaft nicht unnötig weiterem Gegenwind auszusetzen.
Für Schweizer Unternehmen heisst die Devise also, das Fitnessprogramm kontinuierlich fortsetzen, um der schleichenden Deindustrialisierung zu begegnen.
05.12.2023/kut.