Finanzprüfer legen Finger bei Digitalisierung in die Wunde

Die Schweiz will bei der digitalen Transformation an vorderster Front mitspielen. Die Finanzprüfer zeigen, dass dies oft nur Wunschdenken ist.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem der Bundesrat sowie die ganze Administration nicht versuchen, dem Volk einzureden, dass die Digitalisierung überall absolute Priorität geniesse. Doch geht es dann in die Details, sieht die Lage meist erschreckend aus.

Gravierende Mängel

Dieser Aspekt rückte in das Bewusstsein der Menschen, weil die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK das zentrale Element für die Zukunft des Landes unter die Lupe genommen hat.

Exakt 16 Projekte zur digitalen Transformation beleuchteten die Kontrolleure näher – und nur 25 Prozent war überhaupt auf dem richtigen Weg, wie es im jüngsten Rapport der EFK hiess.

Unzureichende Strukturen

Bei der Hälfte der geprüften Projekte wurden allerdings wesentliche Mängel festgestellt und das restliche Viertel lag dazwischen.

Die EFK stellte im Abschlussbericht fest, dass nur wenige der geprüften Ämter die digitale Transformation ganzheitlich angehen, indem sie die relevanten Dimensionen einer digitalen Transformation adressieren: Kunde, Strategie, Technologie, Betrieb, Organisation und Kultur.

Bei ihren Prüfungen deckte die EFK häufig Schwachstellen im Bereich der strategischen Führung auf. In vielen Fällen sind die Projektziele zu wenig ambitioniert, die Steuerung und die Strukturen unzureichend.

Vier Problemfelder

Konkret hiessen die Missstände: «Die EFK stellt in etwa jeder zweiten Prüfung fehlende Steuerungs- und Führungsinstrumente für die Digitalisierung fest, zum Beispiel keine messbaren Ziele, nicht aufeinander abgestimmte Zielsetzungen, nicht berücksichtigte Abhängigkeiten zwischen Teilprojekten, unrealistische Pläne und Budgets sowie Mängel in der Governance».

Obendrein stiessen die Prüfer der EFK wiederholt auf Schwierigkeiten in der operativen Führung von Projekten der digitalen Transformation.

Erstens adressierten diese oft nur einen Teil der relevanten Stakeholder und Prozesse, wodurch sie nur unvollständig transformieren. Zweitens würden rechtliche Grundlagen nicht konsequent genug überarbeitet, um die digitale Transformation voranzutreiben.

Drittens werde die Schlüsselressource Daten nicht ausreichend beachtet und damit die Datenqualität sowie das Datenmanagement vernachlässigt. Viertens würden Handlungsspielräume im Rahmen föderaler Systeme, begrenzter Ressourcen und Erfahrungen viel zu wenig genutzt.

Kleinlaute Reaktion

Das Bundesamt für Justiz (BJ) verfügt zwar über Leitlinien zur Unterstützung von Projekten, diese sind jedoch nicht spezifisch auf agile Ansätze oder Projekte der digitalen Transformation ausgerichtet.

Die EFK empfahlt deshalb dem BJ, in Zusammenarbeit mit dem Bereich DTI der Bundeskanzlei den Leitfaden für die Gesetzgebungsprojekte zu überarbeiten und zu ergänzen.

Der Leitfaden solle Wege aufzeigen, wie ein möglichst flexibler Umgang mit Daten und deren Weiterverwendung unterstützt werden kann und gleichzeitig die Balance zwischen Datenschutz und Digitalisierungszielen gewahrt bleibt.

Eine datenschutzfreundliche und technologieneutrale Ausgestaltung der Gesetzgebung sei anzustreben. Das BJ akzeptierte kleinlaut die Empfehlungen.

Fast letzter Platz im EU-Ranking

Die Schweiz verpasst durch all dies nicht nur viele Chancen, sondern das Land gerät ins Hintertreffen.

Dies erklärten nicht nur Flüchtlinge aus der Ukraine, welche in der Schweiz verwundert auf die antiquierten Abläufe bei den Behörden blicken, wie auch muula.ch berichtete, sondern selbst gegenüber der EU ist die Schweiz im Rückstand.

Laut dem Benchmark für elektronische Behördenleistungen 2022 der Europäischen Kommission liegt die Schweiz auf Rang 28 von 36 europäischen Staaten.

26.11.2023/kut.

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