Die Abwicklung systemrelevanter Banken ist nicht nur in der Schweiz ein Trauerspiel. Auch in der EU funktioniert das Ganze schleppend.
Das EU-System für die geordnete Abwicklung insolvenzbedrohter Banken innerhalb der Bankenunion hat einen Rückschlag erlitten.
Genau wie das System in der Schweiz bei der Notsituation um die Krisenbank Credit Suisse nicht funktionierte, kommen nun auch in der EU deutliche Schwächen zum Vorschein.
Milliarden fehlen noch
Der Europäische Rechnungshof nahm sich nämlich den Mechanismus und den aktuellen Stand des Abwicklungssystems der 21 Länder unter die Lupe.
Bis Ende 2023 sollen in dem Sammeltopf, aus dem Nothilfe im Falle eines Falles gezahlt werden soll, rund 80 Milliarden Euro zusammengekommen sein.
Einige Länder beziehungsweise Beteiligte fochten die Einzahlungen allerdings an und so sind 14 Milliarden Euro noch strittig, wie am heutigen Mittwoch aus dem neuesten Bericht des Rechnungshofes zu dem Thema hervorgeht.
Pauschale Einschätzung der EU
Hauptsächlich infolge neuer Klagegründe, die vor den EU-Gerichten 2022 geltend gemacht wurden, beliefen sich die Eventualverbindlichkeiten des Rettungsfonds im Jahr 2022 zudem auf fast 2 Milliarden Euro gegenüber nur 8,1 Millionen Euro im Jahr 2021, wie es weiter in einer Medieninformation hiess.
Die EU stufte die Aussicht für das Gewinnen der Rechtssachen gegen den Rettungsmechanismus auf EU-Ebene zwar als «gänzlich unwahrscheinlich» ein und sieht daher auch keinen Grund, Risiken für zu leistende Zahlungen zu berücksichtigen.
Die Finanzprüfer sind da allerdings der Meinung, dass das System seine Kontrollsysteme stärken solle, um sicherzustellen, dass bei vor EU-Gerichten anhängigen Rechtssachen die Begründungen der EU besser dokumentiert seien.
Hunderte Rechtsklagen
Im Rahmen der EU-Bankenunion sind fast 3000 Banken dazu verpflichtet, auf der Grundlage ihrer Grösse und ihres Risikoprofils im Voraus erhobene Beiträge an den Fonds zu leisten.
Bei Auflage des Mechanismus im Jahr 2016 war vorgesehen, dass er durch jährliche Einzahlungen bis Ende 2023 vollständig kapitalisiert sein wird. Im Juni 2023 waren aber 86 Klagen gegen Beschlüsse über im Voraus erhobene Beiträge vor EU-Gerichten anhängig.
Ausserdem waren Ende 2022 mehr als 100 Klagen auf EU-Ebene gegen den Abwicklungsmechanismus im Zusammenhang mit der Banco Popular Español S.A. (BPE) und 334 nationale Verfahren zu deren Abwicklung anhängig.
Mitte 2023 waren darüber hinaus acht Klagen vor EU-Gerichten und fünf nationale Verfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung von Unternehmen der russischen Sberbank-Gruppe anhängig.
Russen beschreiten Rechtsweg
Letzteres dürfte auch für die Schweiz interessant sein, weil Auslandsbanken von Rettungsmassnahmen des Landes ebenfalls hierzulande betroffen sein dürften. So zeigte sich aber auf der EU-Ebene, wie kompliziert das Unterfangen zur internationalen Bankenrettung sein kann.
Mit einfachen Klagen ist das Rettungssystem nämlich auf Jahre gelähmt.
So nahm der Einheitliche Abwicklungsausschuss die Abwicklungskonzepte für die Sberbank d.d. und die Sberbank banka d.d. im März 2022 an und beschloss, im Falle der Sberbank Europe AG keine Abwicklungsregelung vorzusehen.
Daraufhin reichten die Sberbank Europe AG mit Sitz in Österreich und ihre Muttergesellschaft in Russland aber acht Klagen gegen diese EU-Beschlüsse bei Gericht ein. Mitte 2023 waren fünf Verwaltungs- und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung von Unternehmen der Sberbank-Gruppe noch bei nationalen Gerichten anhängig.
Es zeigt sich, dass die Rettung systemrelevanter Banken alles andere als klar ist und die bestehenden Rettungsschirme kaum funktionieren.
29.11.2023/kut.