Der deutsche Wirtschaftsprofessor Hans-Werner Sinn ist bekannt dafür, die Dinge beim Namen zu nennen. Nun öffnet der namhafte Ökonom die Augen zur Energiepolitik der Grünen.
Der deutsche Star-Ökonom Hans-Werner Sinn wirft den Grünen vor, die wahren Kosten der Energiewende zu verschleiern. «Von grüner Seite wird ein Narrativ verbreitet, das falscher kaum sein kann und im Kern unehrlich ist.»
Dies sagte der frühere Chef des bekannten Münchener ifo-Instituts der Zeitung «Welt» vom Dienstag.
Wahrheit ist anders
Die Grünen sagen nämlich, «dass wir durch die Nutzung grüner Energie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen würden: Wir helfen dem Klima, und billiger als vorher wird es auch noch», sagte der Wirtschaftsprofessor.
Die Wahrheit sei aber eine andere: «Indem wir teurere Energien durch das Verbot der billigeren Alternativen erzwingen, werden wir die Industrie dezimieren und massive Wohlstandseinbussen hinnehmen müssen.»
Billige Energie als Schlüssel
Massnahmen, wie das Aus für die Atomenergie, das Verbot des Verbrennermotors und das Ende von Öl- und Gasheizung, bewiesen, dass die Energiewende, wie sie Deutschland, aber auch in Teilen die Schweiz betreibe, teuer werde. Deutschland brauche aber billigere Energie, betonte Sinn.
Um die Energiekrise in den Griff zu bekommen, müsse Deutschland «die noch laufenden Kernkraftwerke weiterbetreiben und die schon abgestellten wieder anfahren». Deutschland sei nämlich das Land, in dem die Grundlagen für die Kernphysik gelegt worden seien.
Dass man sich gerade in dem Land von dieser Technologie verabschiede, sei «ein Unding», kritisierte Sinn. Wenn Kernenergie gefährlich werde, dann deshalb, weil es andere mit weniger Know-how betrieben, als es Deutschland hätte, mahnte der bekannte Ökonom.
Schweiz sei wachsam
Mit einem dauerhaften Rückgang der Inflation rechnet Sinn nicht. «Leider sagen uns die Erfahrungen aus den Siebzigerjahren, dass wir mit weiteren Wellen rechnen müssen. Perspektivisch gibt es Kräfte, die die Inflation neu aufbauen. Der Gasmangel zum nächsten Winter ist ja bereits programmiert», so der Ökonom.
Die Preis-Lohn-Preis-Spirale greife bereits, wie man an Abschlüssen und Forderungen vonseiten der Gewerkschaften sehe. «Und die Staaten werden neuen inflationären Schuldendampf in das System einströmen lassen, weil die Teuerung die Schulden relativ zum inflationär aufgeblasenen Sozialprodukt fallen lässt.»
Bei alldem muss die Schweiz also aufpassen.
Staatsschulden als Hürden
Sinn lobt aber auch die Europäische Zentralbank dafür, im Kampf gegen die Inflation endlich die Kurve bekommen zu haben. Doch «sie hätte schon voriges Jahr handeln müssen, denn schon damals stellte die Inflation der gewerblichen Erzeugerpreise alles in den Schatten, was wir in der Geschichte der Bundesrepublik haben sehen können.»
Die EZB werde zwar weitere Zinserhöhungen durchführen, aber sie werde die langfristigen Zinsen nicht so weit hochtreiben, dass die Staaten mit ihren inflationstreibenden Verschuldungsorgien aufhörten, kritisierte Sinn weiter.
Schwarze Schwäne
Der Wirtschaftsprofessor ist so etwas wie das gute Wirtschaftsgewissen in Europa und Sinn redet dabei immer Klartext. Wer eine Analyse zur Lage der Weltwirtschaft haben will, braucht bloss die legendären Weihnachtsvorlesungen des Professors ansehen.
Interessierten empfiehlt muula.ch die Aufzeichnung anzusehen und dabei werden sicher viele wirtschaftliche Zusammenhänge klar.
Der 74-jährige Sinn geht in der jüngsten und seiner letzten Ausgabe der Weihnachtsvorlesung dabei auf «Schwarze Schwäne» ein, also auf Ereignisse, die man vor kurzem noch für undenkbar hielt.
Grossbritannien auf Abwegen
So markierten logischerweise die Coronavirus-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die galoppierende Inflation sowie die Energiekrise solche seltenen Ereignisse.
Aber auch zu den «italienischen Verhältnissen» in Grossbritannien, dem Land, das eigentlich der Hort für Stabilität kapitalistischer Zustände war, äusserte sich Sinn.
Dort, in Grossbritannien, fände nämlich eine bisher nie gekannte Kapitalflucht statt und die Regierungen wechselten wie in Italien, legte der Star-Ökonom auch hier die Finger klar in die Wunde – analog zur direkten Kritik an der Energiepolitik der Grünen.
Sinn tadelte allerdings sogar noch die Ökonomen selbst, denn die Modelle der Wirtschaftswissenschaft analysierten häufig viel zu kurze Zeiträume und «Schwarzen Schwäne» blieben dabei aussen vor.
03.01.2023/kut.
Herr Sinn hält es wahrscheinlich auch für sinnfrei, sich auf Autobahnen zu kleben, obschon dies einer der konstruktivsten Lösungen ist, die Energiewende zu schaffen!