Die Schweiz steht finanziell mit dem Rücken zur Wand

Parlament und Bundesrat müssen Sparmassnahmen umsetzen. (Bild: Ansgar Scheffold / unsplash)

Derzeit entsteht der Eindruck, jeder könnte sich vom Staat etwas wünschen. Dabei sind die Finanzen der Schweiz völlig am Anschlag. Was ist also zu tun?

Das kurze Dokument, das die Administration – etwas versteckt – auf der Webseite des Bundes publiziert hat, geht unter die Haut. Die Finanzen der Schweiz laufen demnach momentan völlig aus dem Ruder.

Für 2024 besteht ein Fehlbetrag von 1,1 Milliarden Franken. Für die Jahre 2025 und 2026 schnellt die Finanzierungslücke auf 3 beziehungsweise nochmals 3,1 Milliarden Franken nach oben.

SNB zahlt nicht

Das sind gigantische Mehrausgaben, die anstehen und von den geplanten Einnahmen derzeit nicht gedeckt sind.

Die Dramatik der Situation wird noch deutlicher, so schreiben die Beamten unverblümt, dass die Ausschüttung von der Schweizerischen Nationalbank SNB mit 2 Milliarden Franken jährlich zwar eingeplant ist, diese aber angesichts der Milliarden-Verluste bei der Zentralbank einem kompletten Ausfallrisiko unterliegt.

Weitere Ausfallrisiken

Die Gewinn- und Einkommensteuer wächst im Plan gemäss dem nominalen Bruttoinlandprodukt BIP und mit den Haushaltseinkommen. Sollte aber die Steuerreform der OECD kommen oder die Konjunktur die Firmen und Bürger beuteln, geht das ganze Finanzgerüst den Bach hinunter.

Noch gar nicht berücksichtigt ist, dass die Einnahmeausfälle von 320 bis 950 Millionen Franken betragen werden, wenn sich je nachdem die Sicht vom Ständerat oder vom Nationalrat beim Systemwechsel der Besteuerung des Wohneigentums durchsetzt.

Kommt die Individualbesteuerung, wie sie der Bundesrat plant, geht eine weitere Milliarde an Einnahmen flöten, wie muula.ch im Kleingedruckten herausfand.

Energiekosten obendrauf

Die Einnahmeschätzungen für den Voranschlag des Bundes basieren auf den Wirtschaftsprognosen vom Juni 2022. Es könnte allerdings sein, dass die Wirtschaftsleistung der Schweiz den früheren Wachstumspfad wegen dauerhaft höheren Energiepreisen oder einer geringeren internationalen Arbeitsteilung nicht mehr erreiche, mahnten die Beamten.

Was also tun? Nun, eine Aufnahme neuer Schulden geht nicht mehr, weil die Schuldenbremse bereits wirkt und der Bund keine Defizite (mehr) planen kann.

Notgroschen unerreichbar

Für den Notfall kann die Schweiz zwar das Budget überziehen. Dies geht aber nur, wenn vom Bund nicht steuerbare, aussergewöhnliche Entwicklungen geltend gemacht werden können. Die Ausnahmeregel kann die Regierung aber nicht für Dauerausgaben anwenden und bräuchte das qualifizierte Mehr in beiden Räten.

Steuererhöhungen wären eine Möglichkeit. Da aber die Hoheit darüber beim Volk liegt, wäre dieser Weg eher langwierig. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder der direkten Bundessteuer bedingten zudem Änderungen der Bundesverfassung.

Fixe oder sinkende Einnahmen

Mehreinnahmen seien höchstens punktuell noch in Bereichen möglich, wo noch etwas gesetzlicher beziehungsweise verfassungsmässiger Spielraum bestünde, hiess es trocken in dem Dokument.

Die Einnahmen im Bundeshaushalt sind also mehr oder weniger gesetzt. Allenfalls wird etwas Zusatzgeld über die Mehrwertsteuer mit der aufkommenden Inflation in die Bundeskasse gespült. Es bleibt also kein anderer Weg, als den Blick auf die Ausgaben zu richten.

Fehlende Milliarden

Und da ist das Wunschkonzert enorm. So schlagen die Erhöhung der Armeeausgaben im Finanzplan der Jahre 2024 bis 2026 mit 0,6 und 1,0 beziehungsweise 1,4 Milliarden Franken zu Buche.

Die Finanzierung der Schweizerischen Bundesbahnen SBB mit einmalig 1,2 Milliarden Franken, der Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, der vom Nationalrat beschlossene Gegenvorschlag zur Prämienentlastung der Krankenkasse sowie die Übergangsmassnahmen zum Bildungsprogramm Horizon kosten locker 6 weitere Milliarden Franken.

Nicht zu vergessen, dass der Bund für den Status S der Ukraineflüchtlinge im Jahr 2024 noch eine halbe Milliarde Franken zugesagt hat und zahlen muss.

Ausgaben streichen

Das Dokument und eine knappe Medienmitteilung enthält Sätze, die richtig unter die Haut gehen. «Es gilt in einem ersten Schritt zu verhindern, dass sich die Situation weiter verschlimmert», hiess es zum Schluss. Bundesrat und Parlament müssten sich dieser Aufgabe sofort gemeinsam annehmen.

Das bedingt die konsequente Gegenfinanzierung neuer Vorhaben.

Verzögerung der Vorhaben

«Die verbleibenden Defizite müssen kurzfristig durch Prioritätensetzung oder Querschnittskürzungen beseitigt werden», führten die Finanzplaner des Bundes aus. All dies könne auch bedeuten, dass bestimmte Vorhaben erst mit Verzögerung in Kraft gesetzt werden können.

Gerne schaut die Schweiz mit Spannung auf die USA, wie dramatisch automatisierte Sparübungen losgetreten werden, wenn die Schuldenbremse überschritten wird.

Es gibt aber gar keinen Grund in die Ferne zu schweifen, sondern hierzulande genauso viel zu tun.

21.10.2022/kut.

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