Die Welt der Bitcoins, Ethereums & Co. hat sich eigentlich ziemlich etabliert. Allerdings sind manche Entwicklungen in der Krypto-Landschaft derzeit einfach nur unglaublich.
Zehn Milliarden Dollar sollen es am Ende gewesen sein. Diese Summe hatte Alameda Research an Finanzschulden bei der Krypto-Börse FTX gehabt haben.
Dies berichtete am Freitagabend jedenfalls das normalerweise gut unterrichtete «Wall Street Journal» unter Berufung auf Personen, die es wüssten.
Milliarden-Lücken überall
FTX hatte sich dabei bereits weit aus dem Fenster gelehnt und Gelder seiner Kundschaft an das Tochterunternehmen, welches regelrecht von Kindern geführt wurde, weitergereicht. Dies ist eigentlich für eine Börse ein ungewöhnliches Vorgehen, weil die Betreiber normalerweise nie selbst ins Risiko gehen beziehungsweise das Anzapfen von Kundengeldern ein Tabu darstellt.
Die konzerneigene Alameda Research soll zur Rettung ihrer eigenen Spekulationen bereits 1,5 Milliarden Dollar an weiteren externen Krediten aufgenommen haben, hiess es.
Am Ende soll dennoch noch eine unvorstellbare Lücke von rund 8 Milliarden Dollar geklafft haben, wie das US-Blatt zudem berichtete. Das sind Grössenordnungen der Assets einer kleineren Schweizer Bank.
Kettenreaktion bringt Probleme
Aufgrund von Gerüchten rund um die Situation zogen Kunden von FTX allerdings immer mehr Gelder von der auch in der Schweiz beliebten Krypto-Plattform ab. Allein am vergangenen Sonntag sollen es rund 5 Milliarden Dollar an Abflüssen gewesen sein.
Dies brachte wiederum FTX in Schwierigkeiten und ein Rettungsversuch von der weltgrössten Börse, Binance, schlug fehl, wie auch muula.ch berichtete.
130 Rechtseinheiten
Sowohl US-Regulatoren um die US-Börsenaufsicht SEC als auch die Finanzmarktaufsicht der Bahamas, wo FTX eigentlich registriert ist, ergriffen Massnahmen. Allerdings ist bisher bloss bekannt, dass auf den Bahamas die noch vorhandenen Vermögen eingefroren wurden.
Am Freitag überschlugen sich nun die Ereignisse. Rund 130 rechtliche Einheiten der FTX-Gruppe schlüpften unter den Schutz von Chapter 11, um Zeit für eine Restrukturierung zu gewinnen beziehungsweise die Rest-Rückführung der Kundengelder strukturiert abzuwickeln.
Vier Einheiten sind laut einer Medienmitteilung, die über einen Tweet verbreitet wurde, allerdings nicht dabei. Es sind LedgerX, FTX Digital Markets, FTX Australia und FTX Express.
Neue Führungskraft
Gleichzeitig trat der bekannte Krypto-Guru Sam Bankman-Fried als CEO von FTX zurück und übergab das Zepter an John J. Ray III. Der 30-jährige MIT-Absolvent Bankman-Fried stehe allerdings noch weiter für Hilfsdienste zur Verfügung, hiess es im Statement. Die neue Person hatte bereits im Enron-Skandal das Insolvenzverfahren abgewickelt und ist insofern nicht unerfahren.
Für die kommenden Tage versprachen die Verantwortlichen weitere Informationen. Sicher wird es analog zu den Krypto-Firmen Voyager Digital und Celsius Networks via des Insolvenz-Gerichtshofs erfolgen. Die zwei Krypto-Anbieter waren bereits früher unter den US-Schutzschirm für Gläubiger in die analoge Welt geflüchtet, wie auch muula.ch berichtete.
Konkurrenz reagiert
BlockFi, eine beliebte Handelsplattform für Krypto, machte derweil ebenfalls einen ungewöhnlichen Schritt. Die Plattform beruft sich auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen und untersagte sämtliche Auszahlungen.
Von den Ereignissen um FTX und Alameda hätten sie ebenfalls bloss über Twitter erfahren, hiess es in einer E-Mail an die Kundschaft, die muula.ch vorliegt.
Sie baten zudem – bis mehr Klarheit über die Situation herrsche – ihre Kundschaft, keine Einzahlungen mehr auf ihre Wallets beziehungsweise ihren Zinskonten vorzunehmen.
Transparenz hilft
Die Krypto-Börse Coinbase, ebenfalls unter Schweizer Tradern sehr beliebt, versuchte in der Nacht auf Samstag in einer Nachricht an die Kunden ebenfalls für Ruhe zu sorgen. Per Ende des dritten Quartals hätten sie Barmittel in Höhe von 5,6 Milliarden Dollars zur Verfügung gehabt, hiess es.
Zudem gebe es rund 5 Milliarden weitere Dollar-nahe Barmittel, führte Coinbase zur Beruhigung aus. Allerdings klingen diese Grössenordnungen eher wie der Tropfen auf den berühmten heissen Stein.
Kundeneinlagen stünden aber bei Coinbase 1 zu 1 zur Verfügung und würden nicht ausgeliehen, es sei denn, die Kunden wünschten dies. Der Krypto-Anbieter sei seit zehn Jahren bereits am Markt und als grösste öffentlich gehandelte Börse sei die Firma besonders transparent und sicher.
Ruhe aus Asien
Einzig ruhig ist es um die bekannte Krypto-Plattform crypto.com, die in Hong Kong ihre Homebasis hat. Die Auszahlungen funktionieren dort bisher völlig normal. Während es früher Gerüchte um Schwierigkeiten bei dem Anbieter gab, scheint er nicht in grösserem Stil in den Sog der Ereignisse gezogen worden zu sein. Oder, es ist bloss noch nicht ans Tageslicht gekommen.
11.11.2022/kut.