Die neueste Ausgabe der Art Basel ist am Sonntagabend zu Ende gegangen. Das Fazit lastet aber schwer auf der Basler Kunstmesse.
Die diesjährige Ausgabe der Kunstmesse Art Basel hat die Türen geschlossen, und da ist an der Zeit, die Flagschiffmesse der strauchelnden Schweizer Messegesellschaft MCH unter die Lupe zu nehmen.
«Wir schliessen die Woche mit grossem Erfolg und freuen uns darauf, die internationale Kunstwelt im Juni 2024 wieder auf unserer Messe begrüssen zu dürfen», sagte ganz theatralisch Messe-Direktor Vincenzo de Bellis in einer Mitteilung.
Ansteckende Kraft
«Kreativität ist die Energie, die uns verbindet, und davon gab es auf der diesjährigen Messe reichlich, betonte Christl Novakovic, die Europa-Chefin des Hauptsponsors UBS.
«Diese ansteckende Kraft der kollektiven Kreativität verdeutlicht, warum UBS in der Kunstszene aktiv ist und die Art Basel seit fast drei Jahrzenten fördert», führte die Topmanagerin der Grossbank weiter aus.
Kollektive Kreativität darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in diesem Jahr in der gesamten Woche bloss 82.000 Besucher aus aller Welt in die Stadt am Rheinknie kamen.
Corona-Irrsinn eigentlich vorbei
Die Menschen reisen wieder wie verrückt, doch die Art Basel stand nicht wie vorher auf ihrer Reiseliste, denn vor der Pandemie waren fast 20 Prozent mehr Kunstsammler und Kunstinteressierte nach Basel gekommen.
Im Jahr 2019 waren es 93.000 Besucher gewesen. In den Jahren 2016 und 2017 waren jeweils 95.000 Besucher gezählt worden. 2015 waren es sogar 98.000 Besucher gewesen, zuvor 92.000 (2014) und 86.000 (2013).
Corona ausgeblendet, war 2023 also ein vergleichsweise schlechtes Jahr.
Wichtigste Besucher anwesend
Es zeigte sich auch, dass es oftmals kaum Andrang an den Sicherheits- und Ticketkontrollen gab. An der Unlimited, eine Teil-Messe der Art Basel mit grossformatigen Kunstwerken, war es ebenfalls nicht selten ziemlich leer.
In den Vorjahren hatten sich auch an dem Tag, als eine Abendöffnung bis 22 Uhr durchgeführt wurde, viel mehr Menschen durch die Messehalle gedrängelt.
«Die wichtigen Besucher waren aber da», entgegnete aber eine Galeristin gegenüber muula.ch, als sie auf die geringeren Besucherzahlen angesprochen wurde. Es seien zwar deutlich weniger Besucher als in den Vorjahren gewesen, bestätigte auch sie.
Doch die richtigen Kunstsammler und Museumsvertreter seien da gewesen, hiess es.
Badge missbraucht
Es schleckt aber keine Geiss weg, um eine Schweizer Redensart zu verwenden, dass die Messegesellschaft MCH mit dem Ankeraktionär Kanton Basel-Stadt arge Probleme hat.
Damit sind allerdings nicht Vorfälle gemeint, wie jener mit einer Aushilfskraft, die ihren Badge offenbar missbrauchte, um das Kunstwerk eines Freundes in die Ausstellungshalle zu bringen, wie Recherchen von muula.ch ergaben.
Schweigen der Verantwortlichen
Es ist das organisatorische Chaos, welches die Art Basel in diesem Jahr begleitete.
So gab es von der Messeleitung weder im Vorfeld noch am Mittwoch selbst irgendwelche Ansagen, dass in Basel ein Feministinnen-Streik stattfinden würde, beziehungsweise stattfindet und in der Stadt absolutes Durcheinander herrschte.
Viele VIP-Besucher der ersten Tage verpassten durch den Frauen-Streik ihre Rückflüge oder Züge, etwa nach Paris, weil es kaum Möglichkeiten gab, rechtzeitig zum Euroairport oder zum Bahnhof SBB zu kommen.
Nur drei «Ask me»-Personen der Messe waren dabei von hunderten Fragenden umzingelt, und es war ein Chaos, was mit etwas Vorbereitung auf das angemeldete Ereignis aber durchaus hätte vermieden werden können.
Kleines Täschli-Gate
Auch sonst gab es ständig kleine Ärgernisse, die eigentlich in der gut organisierten Schweiz höchst merkwürdig sind. So durften Rucksäcke auf keinen Fall mit in die Ausstellungshallen gebracht werden. Andere Taschen, teils viel grösser, dagegen schon.
Bereits am Freitag gab es am Art-Basel-Infopoint beim Bahnhof SBB keine Flyer mehr, wo sich denn in der Stadt nun überall die Parcours-Kunstwerke befinden.
Da war so mancher Besucher genervt, denn die Messe ging ja gerade erst so richtig los.
Kompliziertes ÖV-System
Einen Überblick, was, wann, wo genau stattfindet, hatte offenbar auch niemand. Zur Verwirrung trug auch bei, dass gleichzeitig die Messe Design.Miami in Basel stattfand, die aber ein separates Ticket erforderte.
Die Tickets standen ebenfalls in der Kritik, weil öffentliche Verkehrsmittel zwar inkludiert, aber auf eine Hin- und Rückfahrt am selben Tag und «nur auf Schweizer Boden» limitiert waren.
Gäste aus dem grenznahen Ausland und Nachtschwärmer mit einer Rückfahrt nach Mitternacht fühlten sich da benachteiligt. Und die Frage, ob der Badische Bahnhof auch eingeschlossen ist, konnte niemand auf die Schnelle beantworten.
Personal als Witzfiguren
Die VIPs, eine der wichtigsten Klientel der Kunstmesse, mussten mit dem Fussvolk in die Messehallen eintreten. Einen VIP-Eingang, den viele der wichtigen Personen suchten, gab es nämlich nicht.
Das Messepersonal sah zudem teilweise lustig aus, weil es die Dienstkleidung wohl nicht in passenden Grössen gab. So waren die T-Shirts zur Unlimited entweder viel zu klein oder viel zu gross.
Die Betroffenen nahmen es meist mit Humor.
Reissaus vor Tönen
Humor ist auch das Stichwort für die Musik auf dem Messeplatz. Diesen brauchten Besucher nämlich, weil «Musik» auch bedeutete, dass jemand eine halbe Stunde lang einen Metallstab über Styropor zog.
Logisch zogen die Anwesenden von dem Gequietsche von Dannen. Die Messe verlor dabei Geld, weil die Besucher dann die Cafés und Bars in der Innenstadt bevorzugten.
Eine Ausstellerin rühmte sich später sogar damit, dass sie nach ihrem Barbesuch wieder zurück zur Messe ging und selbst um Mitternacht, halb betrunken, noch in die Art Basel hineingelassen wurde.
So torkelte sie problemlos an Picassos, Mirós und teuren Skulpturen vorbei.
Nicht auszudenken, wenn Kunstwerke dabei beschädigt worden wären.
Vernachlässigen der Presse
Auch das Medienzentrum war seinen Namen nicht wert. In einer Ecke mit drei Hochtischen und ein paar Barhockern können Journalisten nämlich nur schlecht arbeiten.
Von fehlenden Adaptern für die Schweizer Steckdosen ganz zu schweigen. Medienvertreter etwa aus Grossbritannien und Deutschland sollen sich wahrscheinlich selbst um solche Kleinigkeiten kümmern, die ihr Arbeiten aber stark beeinflussen können.
Guter Service für Medien sieht sicher anders aus.
Fehlender Hype
«Wir haben es weitergegeben», sagte zwar eine freundliche Dame vom Presse-Desk. Das war aber auch schon im Vorjahr so, hiess es.
Zumindest habe man in diesem Jahr einen Hochtisch mehr für die Presse bekommen. Immerhin.
Zu glorreichen Zeiten der Art Basel gab es aber ein grosses Messezentrum auf einer ganzen Etage. Logisch berichteten damals viele Medienvertreter positiv über das Kunstereignis und zogen viel mehr Menschen weltweit in den Bann.
Ärgerlich war auch, dass Pressevertreter massenhaft von der Unlimited Night weggeschickt wurden, weil ihre Badges dafür nicht vorgesehen waren. Diejenigen, die sich beschwerten, liess man später aber schliesslich doch hinein.
Von ordnungsgemässer Planung fehlte also auch hierbei jede Spur.
Millionen-Deals geschlossen
Viele der 284 Galerien aus 36 Ländern und Gebieten zogen angesichts beachtlicher Verkäufe während der gesamten Woche allerdings doch ein positives Fazit.
Wie im Vorjahr sorgte der Verkauf einer Spinnen-Skulptur von Louise Bourgeois für Schlagzeilen. Diesmal ging «Spider IV» bei der Zürcher Galerie Hauser & Wirth für 22,5 Millionen Dollar über den Tisch.
Im Jahr 2022 hatte «Maman» schon für 40 Millionen Dollar den Eigentümer gewechselt.
Die abstrakte Malerei in Orange und Gelb «Untitled» von Mark Rothko ging dieses Jahr für sage und schreibe 60 Millionen Dollar weg.
Picasso im Fokus
Auch zahlreiche Vertreter der Museen, wie dem Centre Pompidou in Paris, der Dia Art Foundation in New York oder dem Guggenheim in Abu Dhabi, waren laut dem Messe-Communiqué zufrieden.
Der 24. Baloise Kunstpreis wurde zudem an zwei aufstrebende Künstler aus dem Bereich Statements verliehen: Sky Hopinka, präsentiert von Broadway, und Sin Wai Kin, präsentiert von Soft Opening, hiess es.
Das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch zogen zum 50. Todestag des berühmten Malers Pablo Picasso seine Kunstwerke bei dem stets hervorragenden Aussteller Landau Fine Art und der Gallery Helly Nahmad aus New York in den Bann.
Doch dort konnten Besucher aber auch excellente Arbeiten von Alberto Giacometti sowie Joan Miró bestaunen und für viele Millionen kaufen. Auch der aktuell beliebte Künstler Kaws und Arbeiten von Andy Warhol stachen ins Auge.
Fondation Cartier in Paris
Doch besonders fiel die kleine Skulptur «Youth» auf, die von dem australischen Künstler Rob Mueck bei der Galerie Thaddaeus Ropac ausgestellt war. Der Blick auf eine Schnittwunde, die an Jesu erinnert, wirkt so lebensecht.
Augen, Zähne und Füsse zeigen unglaubliche Detailtreue.
Die Figuren von Mueck finden sogar so viel Anklang, dass sie derzeit auch bei der Fondation Cartier eine separate Ausstellung erhalten.
Bleibt zu hoffen, dass in Paris nicht so ein Chaos wie in Basel herrscht.
19.06.2023/kut.