Bundesamt für Gesundheit korrigiert Daten zu spät

Der Neubau des Bundesamtes für Gesundheit von Bill Baut
Das BAG verschleiert die Lage bei Krankenkassen. (Bild: PD)

Das BAG hat die Reserven von Krankenversicherern verspätet korrigiert. Das Vorgehen dürfte zum Prämienschock 2024 gehören.

SP-Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset wird am morgigen Dienstag den Prämienschock des Lebens bekanntgeben. Dafür hat er in diesem Jahr eine andere Strategie gewählt.

Diesmal werden im Vorfeld keine Horrorzahlen kolportiert, die dann leicht besser ausfallen, wie muula.ch über die Prämienrunde 2023 berichtete.

Alter Beitrag plötzlich wichtig

Diesmal kommt er mit einem Knall heraus – durch seinen Rücktritt als Bundesrat und Minister zum Jahresende kann ihm die Sache eben egal sein.

Genau das ist die Masche von Berset – und am Vorabend des Prämienschocks für das kommende Jahr, passt sein Bundesamt für Gesundheit BAG plötzlich einen wochenalten Artikel von «K-Tipp» an, wie Recherchen von muula.ch ergaben.

Der Beitrag und weitere Medien würden mit falschen Zahlen operieren, teilte die Berset-Behörde über einen Monate später der Öffentlichkeit mit.

Horrorszenario wird transparent

Demnach sind die Reserven aller Krankenkassen schon per 1.1.2023 aufgrund hoher versicherungstechnischer Verluste und Verluste an den Kapitalmärkten um total 3,5 Milliarden Franken zurückgegangen, schrieb das BAG am heutigen Montag überraschend auf seiner Webseite unter «News».

Der Verlust sei zwar vollständig durch die Reserven getragen; die Rücklagen seien aber per Anfang des Jahres auf 8,5 Milliarden Franken gesunken.

In einer wichtigen Publikation zum KVG-Solvenztest hatte das BAG noch von Reserven der Branche von 12,1 Milliarden Franken gesprochen. Nun sind es überraschend vier Milliarden Franken weniger.

Insgesamt verfügten die Versicherer 2023 über ausreichend Reserven, so die Behörde weiter. Aber das Polster zur weiteren Dämpfung der Prämienentwicklung sei nicht mehr vorhanden, teilte das BAG plötzlich mit.

Ewiges Versteckspiel

Ebenfalls verwunderlich ist, dass das BAG auf einen weiteren Artikel auf seiner Webseite verweist, in dem die Gesamtsituation der Krankenkassen um Helsana, Swica, Visana, Concordia, CSS, Sanitas & Co. im Jahr 2022 urplötzlich dargestellt wird.

Die Behörde gibt eigentlich – mit Verlaub für den Ausdruck – jeden Mist als Medienmitteilung heraus.

Aber solch eine wichtige Information für die Schweiz und deren Bevölkerung behielt das Amt einfach zurück und gab die Angaben nur auf seiner Webseite bekannt.

Zahlreiche Warnungen

Das BAG schrieb am Montagabend noch wörtlich zur Eingabe der Prämien sowie zur gleichzeitigen Vorlage eines geschätzten Solvenztests:

«Das gilt auch für das Prämiengenehmigunsverfahren für das Jahr 2024, das zurzeit noch läuft.» Wollen die Beamten da in der letzten Nacht noch Anpassungen vornehmen? Wohl kaum.

«Viele Versicherer haben einen Anteil der Reserven eingesetzt, um den Prämienanstieg für 2023 etwas abzufedern. Dies wird für 2024 oft nicht mehr möglich sein», warnte das Amt aber zusätzlich am Vorabend der Prämienverkündigung.

Megaverluste an Kapitalmärkten

Wie die Branche 2022 gewirtschaftet hat, lässt die Öffentlichkeit schon mal kalt erschauern.

Starke Nachholeffekte nach der Coronavirus-Pandemie hätten zu einem versicherungstechnischen Verlust von 1,75 Milliarden Franken im Jahr 2022 geführt, schrieb das BAG nunmehr.

Hinzu sei ein Verlust auf den Kapitalanlagen in Höhe von ebenfalls 1,75 Milliarden Franken gekommen, was einer Anlagerendite von minus 11 Prozent entspreche.

Kein Wunder, wollten die Beamten all dies nicht an die «grosse Glocke» hängen.

Vorbauen für 2024

Bersets Behörde legt sogar noch einen Obendrauf: «Nachdem die Prämien zuletzt nicht ausreichend waren, um die Kosten zu decken, mussten sie wieder aufschliessen und den Kostenanstieg abbilden», warnte das Amt weiter.

Dies habe zu einer starken Erhöhung der mittleren Prämie für das Jahr 2023 geführt. Viele Versicherer haben für die Prämien 2023 aber die vom Gesetz vorgesehenen Instrumente genutzt, um den Anstieg etwas abzufedern.

So hätten die Krankenkassen einen Anteil der Reserven eingesetzt, um den Prämienanstieg zu mildern. «Dies wird für 2024 oft nicht mehr möglich sein», so die Einschätzung des BAG.

Aufschrei verhindert

Einige Krankenversicherer hätten auch Gewinne aus den Kapitalanlagen an die Versicherten weitergegeben, hiess es.

«Durch die ungünstigen Entwicklungen an den Kapitalmärkten wird das für 2024 nicht mehr im gleichen Umfang möglich sein», lautete die Warnung der Aufsichtsbehörde.

Warum dies alles am Vorabend des Prämienschocks bekannt wird, dürfte Bersets Geheimnis bleiben.

Mit der späten Kommunikation ist ein Aufschrei beziehungsweise ein Eingreifen der Prämienzahler im Vorfeld jedoch nicht mehr möglich. Wahrscheinlich soll das Land den unsäglichen Gesundheitsminister auf Ewigkeiten in Erinnerung behalten.

Minieinsparungen erzielt

Zumindest hat er rechtzeitig im Bundesrat eine Einsparung bei günstigeren Generika-Präparaten lanciert.

Zwar geht das Sparvolumen fast ausschliesslich zulasten der Versicherten, weil höhere Selbstbehalte für sie anfallen. Doch die Zahl von 250 Millionen Franken an Einsparungen verkündete Berset am Freitag schon mal genüsslich vor den Medien.

Das BAG ist zwar oft zu spät. Aber die Behörde ist immer noch rechtzeitig, dass sie auf ihre früheren Publikationen verweisen kann.

Bei 86 Milliarden Franken an Gesundheitsausgaben pro Jahr kann Berset am morgigen Dienstag immerhin ein Sparvolumen mit Generika von knapp 0,3 Prozent auftischen.

25.09.2023/kut.

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