Der Bundesrat hat einen langersehnten Personalentscheid für die Schweiz getroffen. Dabei enttäuscht die Regierung gleich mehrfach.
Der Bundesrat hat am heutigen Freitag einen langersehnten Personalentscheid bei der Schweizerischen Nationalbank SNB getroffen.
Die Landesregierung berief den völlig unbekannten Wissenschafter Antoine Martin zum Mitglied des Direktoriums der SNB, wie die Administration und die SNB gleichzeitig bekanntgaben.
Nur Kindheit zählt
Er folge ab Januar 2024 auf Andréa Maechler, die per 30. Juni 2023 zurückgetreten war und seit September 2023 die Funktion des Deputy General Manager bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ in Basel innehat.
Der 1969 geborene Martin ist derzeit Financial Research Advisor on Financial Stability Policy Research bei der Federal Reserve Bank of New York.
Er stammt aus Froideville im Kanton Waadt, hat an der Universität Lausanne Volkswirtschaft studiert und 2001 an der Universität von Minnesota in den USA promoviert.
Viel Theorie erarbeitet
Anschliessend arbeitete er bei der Federal Reserve Bank of Kansas City in den USA und wechselte 2005 zur Federal Reserve Bank of New York, wo er im Lauf seiner Karriere verschiedene Leitungspositionen innehatte und noch heute tätig ist.
Der Bundesrat begründete den Entscheid damit, dass der Neue im SNB-Dreiergremium fundierte, praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Geld- und Währungspolitik habe.
Gleichzeitig habe sich Martin in zahlreichen wissenschaftlichen Analyse- und Forschungsarbeiten mit den Herausforderungen einer Zentralbank befasst.
Viele Enttäuschungen
Mit dem Beschluss enttäuschte die Schweizer Regierung aber gleich mehrfach. Erstens hatten Frauen gehofft, nach Maechler wieder in der Führung der Nationalbank vertreten zu sein. Sie wurden enttäuscht.
Bereits die einzige Frau im Gremium war vom Entscheid des Bundesrates enttäuscht worden, das Ziehkind von SNB-Präsident Thomas Jordan, den Ja-Sager Martin Schlegel, zum Vize-Präsidenten der SNB zu machen.
Daraufhin sah sich Maechler nach einem anderen Job um und wurde rasch fündig, wie auch muula.ch berichtete.
Eigene Leute verschmähen
Zweitens sahen Anwesende den Vize des III. Departements mit der vakanten Führung, Thomas Moser, zur Medienkonferenz über den Zinsentscheid am gestrigen Donnerstag ziemlich teilnahmslos auf der Bühne sitzen.
Er dürfte über den Personalentscheid ebenfalls enttäuscht sein, weil die Schweizer Regierung auch ihn hätte wählen können, wenn es schon ein Mann hätte sein dürfen.
Und drittens braucht die SNB im Direktorium nicht noch mehr Technokraten, sondern Praktiker. Insofern ist der Entscheid des Bundesrates für so einen unbekannten, karriereschwachen Wissenschafter auch enttäuschend.
Leichtes Spiel für Jordan
Einzig die Bedingung, wieder eine Person aus der Romandie zu wählen, ist mit Martin erfüllt. Aber das designierte SNB-Direktoriumsmitglied lebt ohnehin schon seit Jahrzehnten in den USA. Insofern ist die Wahl eher eine Krücke.
Den Chef der SNB dürfte der Entscheid, der auf einem Vorschlag des SNB-Bankrats beruht, aber freuen. Kontrollfreak Jordan dürfte mit Martin nämlich weiterhin ein leichtes Spiel in der Führung der Schweizer Zentralbank haben.
22.09.2023/kut.