Mehrkosten von 100 Millionen Franken, Verspätung von vier Jahren und niemand ist verantwortlich dafür. Die Schweiz hat ihren Bauskandal und einen Thriller über Steuergeldverluste.
Es ist teils kaum zu fassen, wie Politiker in der Schweiz manchmal agieren. Mit vier Jahren an Verspätung und rund 100 Millionen Franken an Mehrkosten wurde das Biozentrum der Universität Basel eröffnet. Eine Geschäftsprüfungskommission des Parlaments sollte klären, wie es dazu kommen konnte und wer für all dies verantwortlich ist.
Im Lokalparlament vertrat dann die Basler Finanzdirektorin Tanja Soland (SP) vergangene Woche die Auffassung, die Aufsichtspflicht der Regierung sei nicht verletzt worden. Wörtlich sagte sie: «Die Aufsicht war auf allen Ebenen gewährleistet, und sie wurde auch wahrgenommen».
In einem Interview mit der «Basler Zeitung» vom Donnerstag schlägt sie nun ganz andere Töne an.
Schuld weiterreichen
«Ich glaube, man kann unsere Aussage wirklich falsch verstehen», sagte die 47-Jährige nun plötzlich. «Wir haben diese Fehler einfach nicht dem Begriff ‚Aufsichtspflichten‘ zugeordnet», führte die promovierte Juristin weiter aus.
Die Mehrkosten von 100 Millionen Franken über dem Budget von rund 328 Millionen Franken und Verzögerungen seien weniger eine Frage der Aufsicht, sondern eine Folge der Fehlplanungen zu Beginn des Projekts, betonte sie.
Millionen verpulvert
«25 bis 30 Millionen hat man aber wirklich – nun ja – zum Fenster rausgeworfen», gab Soland freimütig zu. Die Verluste ergäben sich beispielsweise aus Bauschäden sowie Verzögerungen, erklärte das Basler Regierungsmitglied weiter. Das Steuergeld scheint in Basel also recht locker zu sitzen.
Basler Erziehungsdirektor Conradin Cramer (LDP) sass seit 2017 im Lenkungsausschuss des Bauprojekts und hätte eigentlich das Ruder früher umlegen müssen.
«Ja natürlich sind auch mir Fehler passiert», sagte der 43-Jährige nunmehr gegenüber dem Blatt. «Im Nachhinein hätte ich Dinge anders machen, vielleicht noch schneller reagieren, noch dezidierter agieren können», betonte er.
Umgehung des Parlaments
Er habe aber die Totalkatastrophe, den Baustopp, verhindern wollen, sagte der Politiker. «Immerhin das ist uns gelungen», hob Cramer hervor.
Und bei der Verhinderung des Baustopps sind die Basler sowie die Baselbieter Verantwortlichen, zu deren doppelter kantonaler Trägerschaft die Universität Basel gehört, sogar kreativ geworden und offenbar an den Rand der Legalität gegangen.
Der Baustopp wurde nämlich bloss verhindert, weil die Mehrkosten dem Baselbieter Landrat nicht vorgelegt werden mussten, sondern die Verantwortlichen 2019 eine Art Umgehungslösung für die Finanzierung gefunden hatten.
Die Universität übernahm den grössten Teil und schoss den Restbetrag noch vor. Cramer sagte nun sogar, dass diese Konstruktion «der Hauptgrund» gewesen sei, um keinen Baustopp durch Basellandschaftliche Politiker zu riskieren.
Steuerzahlen die Dummen
Der Präsident des Universitätsrates Ueli Vischer bezeichnete diese Finanzierungslösung im Nachhinein sogar als eine Sauerei. «Das war eine intensive Zeit von Verhandlungen zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt sowie der Universität», betonte Cramer diesbezüglich.
Alle Beteiligten haben aber zusammen das Beste herausholen wollen. Über die Trägerschaft werden die Kantone nun doch zur Kasse gebeten. «Beide Regierungen haben sich verpflichtet, diese Kosten beim nächsten Universtitätsbudget voll zurückzuerstatten», so Cramer weiter.
Nicht am Tisch sassen aber die Steuerzahler der beiden Kantone, die das Ganze bezahlen dürfen. Und mit den rund 430 Millionen Franken für das gesamte Bauprojekt sowie mit den ganzen Politikergehältern, die sich mit dem Skandal beschäftigen, ist es noch nicht einmal getan.
Analogie zu Berlin
Die Untersuchung im Grossen Rat in Basel-Stadt über die Biozentrum-Affäre kostete gleich nochmal eine Million Franken. Verantwortliche für das Desaster sind allerdings noch keine ausfindig gemacht.
Die Schweiz braucht jedenfalls nicht mit dem Finger auf den Bauskandal um den Berliner Flughafen BER zu zeigen. Dort hatte es Jahre an Bauverzögerungen gegeben, das Ganze hatte enorme Mehrkosten verursacht und Verantwortliche für die Misere waren keine zu finden gewesen waren.
All dies kommt Betrachtern in der Nordwestschweiz doch bekannt vor, oder?
27.10.2022/kut.