Bäcker gehen zum Angriff über

Gipfeli oder Croissants? (Bild: von pixabay)

Energiekrise und steigende Preise bringen Bäckereien unter Druck. Mit einem Kniff stemmen sie sich nun gegen den Umsatzschwund.

Drei ganze Tage brauche er für seine Croissants. «Das Wichtigste ist, diese Schichten hinzubekommen», sagte der Bäcker Daniel Hächler gegenüber dem «SonntagsBlick». Der Gewinner der Goldmedaille bei der Swiss Bakery Trohphy 2018 muss es wissen, schliesslich lebt der Bäcker aus Seengen am Hallwilersee im Kanton Aargau davon.

«Gipfeli sind ein Standardprodukt», betonte er dagegen. Sie seien weniger aufwendig und würden von einer Maschine gerollt. Croissants, die noch rund zehn Prozent mehr Fett enthielten, würden von Hand gefertigt, damit die Schichten nicht zerdrückt würden.

Blumige Worte

Die Butter und der Teig müssten die gleiche Konsistenz haben. Sie dürften sich aber nicht verbinden, hiess es weiter. Beim Backen entstünde dann Dampf in der Teigware; die Fettschichten schlössen ihn ein und die Teiglagen trennten sich. Das Ganze werde auf diese Art luftig und gehe auf.

Ein Gipfeli sieht laut den Angaben innen kompakter aus. Ein Croissant sei luftiger, fluffiger, erklärte der Bäckermeister seine Kunst, dass Lesern das Wasser im Mund zusammenläuft.

Abwandern der Kundschaft

Doch warum macht ein Bäcker derzeit solche Erklärungen? Klar, angesichts der Energiekrise und steigender Teuerung überlegen sich immer mehr Konsumenten, ob sie noch beim Bäckerhandwerk einkaufen oder sich der Massenware in Supermärkten beziehungsweise an Tankstellen zuwenden sollen.

«Beim Croissantbacken geht es darum, diese Butterteigschichten zu erhalten», erklärte Hächler weiter. Es gehe um die Blättrigkeit. Zudem sei gute Butter wichtig. «Leider ist es nicht Standard, dass Bäcker ausschliesslich mit Butter arbeiten», kritisierte der Gourmet-Bäcker. Deswegen kosteten Croissants auch mehr, sagte der 34-Jährige weiter.

Günstigere Konkurrenz

Das ist dann der Kern der Story: Günstigere Massenware vom Grossverteiler habe nie eine Hand gesehen, gab Hächler zu bedenken. Sie lagerten zudem lange in einem Tiefkühler und würden anschliessend bloss in einem vorprogrammierten Ofen gebacken. Auch das richtige Fett, also eine gute Butter, müsse es schon sein.

Beim Backen schaut der Aargauer Croissant-Spezialist auch auf die Energienutzung. «Ich heize derzeit den Ofen später ein, damit er weniger lange läuft», sagte er gegenüber der Zeitung. Er brauche aber Strom, um zu backen. «Was soll ich machen?», fragte der Chef des seit 1875 existierenden Traditionsbetriebs rhetorisch.

Bewusst gewählt

Mit der Wissensvermittlung versucht das Bäckerhandwerk, auf die Unterschiede bei seinen Waren zur günstigeren Konkurrenz aufmerksam zu machen. Das machen viele Branchen und nun setzt auch das Bäckerhandwerk auf öffentliche Produktdifferenzierung.

Die Zeitung «SonntagsBlick» dürfte dabei nicht zufällig gewählt sein, weil die Leserschaft wahrscheinlich stärker auf das Geld schauen muss als bei anderen Zeitungen und daher anfälliger für einen Produktwechsel ist.

Das Boulevardblatt bringt sogar ein Video und verkündet, es seien die besten Croissants der Schweiz. Andere Publikationen wären bei solchen Aussagen ohne flächendeckende Marktanalyse sicherlich zurückhaltender.

Auch Grosse betroffen

Der Aargauer Bäcker stemmt sich mit der ganzen Aktion gegen den Trend einer sinkenden Nachfrage, den auch der Backwarenkonzern Aryzta unlängst beschrieben hat und über den muula.ch berichtete.

Ein kompletter Ausfall der Nachfrage sei bei Backwaren nämlich unwahrscheinlich, hatte das Management des Grossbäckers für den Fall eines Konjunktureinbruches erklärt. Vielmehr würden Konsumenten den Luxus einschränken und weniger Premium-Produkte nachfragen, war die Begründung gewesen.

Wissen für Laien

Der Vater zweier Kinder und Chef von 40 Mitarbeitenden aus dem Kanton Aargau zeigt nun mit dem Interview eindrücklich, dass es sich bei Bäcker-Croissants und Tiefkühl-Gipfeli um zwei völlig unterschiedliche Produktwelten handelt. Die Nachricht lautet, dass es sich aufgrund der Zutaten sowie der Herstellung lohne, Geld draufzulegen.

Der absolute Laie hätte die Differenzen vielleicht nicht mal beim Biss in die Teigware bemerkt.

06.11.2022/kut.

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