Die Schweiz versenkt die Vorlage der Pauschalbesteuerung für Containerschiffe. Viele Argumente hätten aber dafürgesprochen.
Es war ein lustiger Auftritt vom Co-Chef der SP Cédric Wermuth, der eigens die «Neue Zürcher Zeitung» aus dem Jahr 2001 zur Tonnagesteuer zitierte.
Ladekapazität zählt
Was der wirtschaftlich unbegabte Schweizer Politiker nicht wusste, war, dass die «Alte Tante» von der Zürcher Falkenstrasse sich bei der Darstellung der Tonnagesteuer geirrt hatte.
Über den Fauxpas der Linken und der Qualitätszeitung berichtete muula.ch bereits.
Die Bemessungsgrundlage für diese Steuer ist nicht der tatsächlich erwirtschaftete Gewinn, sondern die feste Ladekapazität eines Seeschiffes.
Nationalrat ändert Meinung
Die Tonnagesteuer ist ein Förderinstrument für die Seeschifffahrt und ist international breit akzeptiert.
In der Europäischen Union (EU) ist das Konzept weit verbreitet und doch will es die Schweiz nicht, wie am heutigen Dienstag nach dem Ständerat auch noch der Nationalrat klarmachte und auf den Entscheid des Nichteintretens einschwenkte.
Früher hatte der Nationalrat mit einer deutlichen Mehrheit das Konzept unterstützt.
Gleiche Bedingungen abgelehnt
Es ist nicht nur lustig, dass die Schweiz von der EU quasi jeglichen Blödsinn übernimmt. Aber wenn es darum geht, gleichlange Spiesse zu haben, wie 21 EU-Mitgliedstaaten, dann will die Schweiz das plötzlich nicht.
Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Das Land verliert nichts, aber könnte etwas hinzugewinnen.
Hierzulande würden einfach nur die gleichen Bedingungen geschaffen werden, falls sich in dem Binnenland neue Reeder niederliessen beziehungsweise neue Containerschiffe registrieren würden.
Zehn Jahre gebunden
Für die bestehenden Hochseeschiffe würde der Effekt marginal sein, hiess es zunächst, bis kräftig in der Vorlage herumgerührt wurde und am Ende kein klares Resultat mehr sichtbar war.
Klar, weiss niemand so genau, wie sich die Gewinne der Containerschifffahrt in Zukunft entwickeln und sich Unternehmer verhalten werden, doch die Steuerverluste sind gering, wie man auch rechnet.
Die Tonnagesteuer beruht auf Freiwilligkeit und Firmen wären für zehn Jahre daran gebunden. Käme eine Konjunkturflaute, zahlen die Unternehmen auch die Pauschalsteuer, obwohl sie möglicherweise einen Verlust erlitten haben.
MSC, ABC und NMC
«Unter Berücksichtigung der zu erwartenden positiven Effekte auf den Wirtschaftsstandort Schweiz dürften allfällige Mindereinnahmen gering ausfallen», stand damals auch explizit im gut verständlichen Vernehmlassungsbericht.
Der Branchendachverband Swiss Trading and Shipping Association (STSA) zählt etwas mehr als 60 Unternehmen, die rund 900 Schiffe halten.
Zu den bedeutendsten in der Schweiz domizilierten Seeschifffahrtsunternehmen zählen MSC (mit Sitz in Genf), Massoel Shipping (Genf), ABC Maritime (Nyon), Suisse-Atlantique Société de Navigation Maritime (Renens) und Nova Marine Carriers (Lugano).
Falsche Argumentation
Wie sich diese Firmen künftig verhalten hätten, ist nun ziemlich ungewiss. Eventuell gehen die Reeder weg. Vielleicht hätte sich die Tonnagesteuer für die Schweiz sogar gelohnt, weil sich deutlich mehr Reedereien in der Schweiz angesiedelt hätten.
Als Hauptargument der Gegner mussten leere Bundeskassen und «Steuergeschenke für Reiche» herhalten.
Ausnahme bei OECD-Mindeststeuer
Wer jedoch in die Diskussion in der Schweizer Politik zu dem Thema schaut, findet noch mehr Argumente, die für eine Einführung des Steuerkonzepts in der Schweiz sprechen.
Als Musterschüler bei der Einführung der OECD-Mindeststeuer wäre für die Schweiz ein Vorteil entstanden, denn die Tonnagesteuer ist die einzige Ausnahme, welche den Mindeststeuersatz von 15 Prozent unterschreiten darf.
Die EU, die USA und auch China haben da genau darauf geachtet.
Neutralität als Stabilitätsanker
Auf den Weltmeeren hätten Schiffe unter Schweizer Flagge auch zur Stabilisierung von Lieferketten beitragen können.
Schliesslich hätten Angreifer von Containerschiffen wegen der Schweizer Neutralität weniger Angriffsgründe in der Hand. Unlängst hatten Rebellen wichtige Handelsrouten der Welt ja komplett lahmgelegt.
Ein Bruch mit der Verfassungsmässigkeit der Schweiz schmetterte auch ein Rechtsgutachten der Universität Genf ab.
Ökologisch besser gefahren
Selbst ökologische Aspekte hätten Berücksichtigung gefunden, weil die Schweiz eigens umweltfreundliche Antriebe der Schiffe und geringere Schadstoffemissionen gefordert hätte.
Die Wirkungen auf die Welt wären damit also sogar besser gewesen als nun bei Ländern, die geringere Standards haben.
Am besten wäre es gewesen, SP-Co-Präsident Wermuth (und auch die FDP) hätte nicht die «NZZ» aus dem Jahr 2001, sondern den Vernehmlassungsbericht zur Tonnagesteuer genau gelesen.
28.05.2024/kut.