SP-Co-Präsident geht der «NZZ» auf den Leim

Cedric Wermuth
SP-Nationalrat und Co-Präsident der SP Céderic Wermuth (Bild: SP)

Der Co-Chef der SP Cédric Wermuth versucht, den Bürgerlichen einzuheizen und mit der liberalen «NZZ» zu argumentieren. Doch das geht völlig schief.

Der Co-Präsident der Sozialdemokratischen Partei (SP) der Schweiz, Cédric Wermuth, teilt derzeit ein Video auf Tiktok, in dem er versucht, die in der Schifffahrt angewendete Tonnage-Steuer zu erklären.

Wer sich noch nicht eingehend mit dem Thema befasst hätte, so Wermuth, und da dürfte er selbst auch dazu gehören, sollte doch bitte die «Neue Zürcher Zeitung» vom 25. Februar 2001 lesen.

Lacher im Fokus

In dem Video auf Tiktok mit dem «NZZ»-Zitat zeigt Wermuth seine Rede im Parlament und da wollte er das ganze System der Tonnage-Tax als unsäglich entlarven.

Dies sei nämlich so schlecht, weil mit der Tonnage-Tax im übertragenen Sinne etwa die Versicherungen nach der Länge ihrer Kundenlisten, Softwarefirmen nach der Länge ihrer Computerprogramme und die Medien nach der Zahl der publizierten Buchstaben besteuert würden, zitierte der Politiker.

Mit diesen sprachlichen Bildern glaubten wahrscheinlich sowohl der Autor von der «NZZ» als auch Wermuth die Lacher auf ihrer Seite zu haben.

Hinkende Vergleiche

Doch diese Vergleiche stimmen nicht. Die Tonnage-Steuer, deren Einführung die SP seit Jahren vehement bekämpft, basiert eben gerade nicht auf der Länge von Kundenlisten oder von Computerprogrammen und schon gar nicht auf einer Output-Grösse, wie die publizierten Buchstaben bei Medien.

Vielmehr kommt das Konzept beispielsweise in der Containerschifffahrt zur Anwendung und dort als alternative Methode zur Ermittlung der Gewinnsteuer. Die Bemessungsgrundlage für diese Steuer ist nicht der tatsächlich erwirtschaftete Gewinn, sondern die feste Ladekapazität des Seeschiffes.

Zahl der Container egal

Das steht auch so im Bericht des Bundesrates, wie muula.ch herausfand. Es zeigt, dass bei Versicherungen oder Computerfirmen etwa die Gesamtkapazität der Firmengebäude und bei Medien etwa die Grösse der Redaktionen ausschlaggebend sein müssten und eben gerade nicht die Kundenzahl, die Länge von Software oder eine Menge an publizierten Artikel beziehungsweise Buchstaben.

Bei der Seeschifffahrt spielt die Zahl der transportierten Container nämlich in der Tonnage-Tax auch keine Rolle. Der Begriff «Steuer» ist aber durchaus irreführend, weil es keine Steuer im Sinne einer Abgabe, sondern eigentlich die Bemessungsgrundlage darstellt.

Safe bei Geldhäusern

Einzig den Vergleich der Besteuerung von Schweizer Banken, wie UBS, Credit Suisse, Raiffeisen, ZKB & Co., nach der Grösse ihrer Tresore, der in der «NZZ» und bei Wermuth auch noch erwähnt wurde, könnte man halbwegs gelten lassen.

Doch dabei müsste jede Bank nur einen einzigen Safe haben, weil bei der Tonnage-Steuer jedes Schiff ein separates Steuerobjekt darstellt.

Gleichlange Spiesse

Die in der Schweiz derzeit registrierten 60 Redereien mit ihren rund 900 Schiffen könnten von dieser Tonnagesteuer profitieren, wenn sie ihre Registrierungen einfach in ein anderes Land, wie Griechenland, Malta, Niederlande, Norwegen, Spanien, Deutschland, China, Indien oder die USA, mit Tonnagesteuer-freundlichen Gesetzgebungen verlegen würden.

International muss die Schweiz also auf den Wettbewerb schauen.

Zahlung auch bei Verlust

Was Wermuth bei der Vorlage auch nicht sieht, ist, dass die Tonnagesteuer selbst dann anfällt, wenn kein einziger Container auf dem Seeschiff transportiert wird (oder eine Redaktion keinen einzigen Buchstaben publiziert). Das heisst, wenn, wie etwa während der Coronavirus-Pandemie, die Schiffe in Häfen festliegen und nur Verluste produzieren.

«Die Zahl der Schiffe ohne Beschäftigung befand sich auf dem höchsten Niveau aller Zeiten», steht zu den Beeinträchtigungen der Seeschifffahrt während der Corona-Krise sogar im Erläuterungsbericht zur Vernehmlassung. Es geht also nicht immer nur zulasten der Steuereinnahmen.

Fokus auf Umwelt und Mensch

Gleichzeitig erkennt der Co-Präsident der SP auch nicht, dass er sich eigentlich für die Tonnage-Steuer und damit für seine politische Klientel viel mehr einsetzen müsste.

An Bord, der unter Schweizer Flagge fahrenden Schiffe, gilt nämlich Schweizer Recht und da dürften die Arbeitsbedingungen oder Umweltstandards deutlich besser sein, als wenn ein Containerschiff unter der Flagge von Offshore-Gebieten in Afrika oder Asien fährt.

Der «NZZ» und dem Journalisten dürften der Beitrag bei alldem eher peinlich sein. Allerdings passieren im Eifer des Gefechts von Einzelkämpfern leider immer mal wieder Fehler bei Medien.

Sorgfalt von Politikern

Vom Parteipräsidenten einer grossen Schweizer Partei mit seiner ganzen Entourage dürfte das Volk aber mehr Sorgfalt und mehr Wissen um politische Geschäfte verlangen, wenn er sich dazu im Parlament äussert und das Ganze dann auch noch auf Tiktok teilt.

Es zeigt sich letztlich klar, dass der SP-Co-Präsident Wermuth das Konzept um die Tonnage-Steuer gar nicht verstanden hat und nur mit lustigen Vergleichen auf sich aufmerksam machen will.

19.12.2022/kut.

SP-Co-Präsident geht der «NZZ» auf den Leim

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