Die USA haben gravierende Mängel bei der Erstellung von Jahresabschlüssen in China festgestellt. Dies hat auch Auswirkungen auf die Schweiz.
Lieber mit den USA oder lieber mit China? Dies ist derzeit die entscheidende Frage für die Schweiz.
Wie immer versucht es unser Land, beiden Grossmächten recht zu machen. Doch der Spagat ist nicht immer einfach, gerade wenn Grundwerte der Schweiz tangiert sind.
SIX tangiert
Einer dieser Grundwerte ist der hohe Anspruch an Qualität. Im wirtschaftlichen Sinn ist dies die vergleichsweise hohe Qualität von Jahresabschlüssen, auf welche die Schweiz zu Recht etwas Stolz ist.
Doch nun haben die Amerikaner nach Jahrzehnten erreicht, dass sie die Erstellung von Jahresrechnungen in China inspizieren dürfen und fanden dort gravierende Mängel, wie auch muula.ch berichtete.
Weil zahlreiche Firmen aus China den Schweizer Kapitalmarkt anzapfen und sich an der Schweizer Börse SIX listen lassen, dürften sich die Qualitätsmängel in chinesischen Jahresabschlüssen auch auf den Finanzmarkt hierzulande auswirken.
Schweiz war ähnlich schlecht
Daher fragte das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch bei der zuständigen Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde RAB nach, wie sie den Fall mit China und die Folgen für die Schweiz sieht.
Angesichts der Feststellungen durch die US-Behörde PCAOB in China kann die Schweiz ja nicht einfach die Augen verschliessen.
Zunächst komme das Prüfungsergebnis der Amerikaner in China nicht unerwartet, als Erstinspektionen meist zu Mängeln führten, hiess es von Reto Sanwald, dem Direktor der RAB.
Selbst bei Erstinspektionen in der Schweiz sei dies so gewesen, also als die USA im Jahr 2011 begannen, ihre Inspektionen hierzulande durchzuführen.
Indirekte Argumentation
Zwar seien die von der US-Behörde PCAOB festgestellten Mängel in China auch aus Schweizer Sicht unbefriedigend. Allerdings hätten die Missstände bei den chinesischen Treuhandfirmen nicht zu unkorrekten Testaten der Bilanzen geführt.
Aus einer fehlerhaften Prüfung von Jahresabschlüssen durch die Wirtschaftsprüfer könne nämlich nicht abgeleitet werden, dass auch der testierte Jahresabschluss wesentliche Falschdarstellungen enthalte, so die indirekte Argumentation der RAB.
Stellen die Amerikaner also künftig wesentliche Falschdarstellungen in chinesischen Jahresrechnungen fest, könnte es demnach eng werden.
KPMG und PwC nicht beteiligt
Für die Schweiz gab die Aufsichtsbehörde aber noch in weiteren Punkten zunächst Entwarnung.
«Weder KPMG China noch PwC Hongkong prüfen derzeit chinesischen Gesellschaften, die in der Schweiz via GDR kotiert sind», erklärte Sanwald.
Mit anderen Worten bedeutet dies, sobald die Schweiz direkt betroffen ist, muss sie auch genauer hinschauen.
Die Schweiz erkennt China als gleichwertig in Bezug auf die Wirtschaftsprüfung an und vertraut damit den Lokalbehörden.
Aus der Tatsache, dass eine Inspektion auch Mängel identifiziere, könne allerdings nicht gefolgert werden, dass das Revisionsaufsichtssystem nicht glaubwürdig oder nicht gleichwertig sei.
Wie die RAB jedes Jahr in ihrem Geschäftsbericht offenlegt, gibt es in der Schweiz auch regelmässig Prüfmängel, was das System nicht grundsätzlich infrage stellt.
Im Gegenteil – durch die Inspektionen und Feststellungen wird gerade die Qualität erhöht.
Schweiz redet mit China
Aus alldem ergibt sich laut RAB-Direktor Sanwald derzeit keine Notwendigkeit, die Gleichwertigkeit des chinesischen Revisionsaufsichtssystems anzuzweifeln.
Ähnliches machen selbst die USA, wo derzeit rund 170 chinesischen Gesellschaften weiterhin kotiert bleiben, obwohl die Amerikaner in China gravierende Mängel bei der Erstellung von Jahresabschlüssen festgestellt haben.
Die Schweiz reagiert aber dennoch auf die Inspektionsergebnisse:
Die Berner Behörde werde die Ergebnisse der PCAOB-Inspektionen für 2022 und 2023 aufmerksam verfolgen und die Feststellungen in den Dialog mit den chinesischen Behörden aufnehmen, hiess es gegenüber muula.ch von der RAB.
Langfristig dürfte damit die Qualität der Wirtschaftsprüfungen im Reich der Mitte steigen und die Schweiz diesbezüglich ruhiger schlafen lassen.
23.05.2023/kut.