Wie Deutschland heimlich Verstaatlichungen plant

Alles für das deutsche Volk wie am Reichstagsgebäude geschrieben? (Bild: Norbert Braun / unsplash)

Während der Energie-Krise bereiten Beamte so allerlei Massnahmen vor. Die deutschen Staatsdiener waren da offenbar besonders eifrig.

Die Vorbereitungen für eine mögliche Verstaatlichung der früheren Tochtergesellschaft des russischen Staatskonzerns Gazprom sind im «grossen Kanton im Norden» weiter fortgeschritten als bisher bekannt. Die deutsche Regierung liess im Verborgenen sogar eine Holding einrichten, um die Verstaatlichung kurzfristig durchführen zu können

Dies fand die deutsche Zeitung «Welt am Sonntag» heraus.

Decknamen gefunden

Am 3. Juni wurde eine Vorratsgesellschaft des Staates mit dem Namen «VERONIKA Zweiunddreissigste Vermögensverwaltungsgesellschaft» in Securing Energy for Europe Holding GmbH (SEEHG) umbenannt. Die Gesellschaft existiere immer noch, hiess es.

Bisher steht die ehemalige Gazprom Germania, die inzwischen in Securing Energy for Europe (SEFE) umbenannt wurde, unter Treuhänderschaft der deutschen Bundesnetzagentur. Die Holding-Gesellschaft trägt damit fast den gleichen Namen.

Vorwand Versorgungssicherheit

Im Gesellschaftervertrag, welcher der Zeitung vorliegt, heisst es: «Zweck des Unternehmens ist die Sicherung der Versorgungssicherheit im Bereich Energie.» Ausserdem wird erwähnt: «Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, das Halten und Verwalten von Unternehmensbeteiligungen.»

Als Geschäftsführer der Firma sind zwei Anwälte der Kanzlei CMS Hasche Sigle eingetragen.

Nur als Hülle

Das deutsche Wirtschaftsministerium (BMWK) bestätigte dem Blatt, dass es Kenntnis von der Firmengründung habe. «Dem BMWK ist die Existenz einer solchen Gesellschaft bekannt», sagte eine Sprecherin lapidar. Diese Firma sei im Mai 2022 rein vorsorglich für etwaige Massnahmen zur Restrukturierung vorbereitet worden, hiess es weiter.

Das sei «nicht unüblich in Fällen gesellschaftsrechtlicher Restrukturierungen», betonte die Sprecherin und versucht damit, die Bedeutung der Angelegenheit herunterzuspielen. Derzeit bestünden aber keine gesellschaftsrechtlichen Beziehungen. «Es ist eine rein vorsorgliche Einrichtung, die aktuell nur als gesellschaftsrechtliche Hülle besteht.»

Zeitvorsprung als Ziel

Aus Ministeriumskreisen ist zu hören, dass die Kanzlei im Auftrag der deutschen Regierung handle. CMS Hasche Sigle verwies auf Anfrage einerseits auf Verschwiegenheitsverpflichtungen, andererseits auf das BMWK.

Da Firmengründungen meist einige Zeit in Anspruch nehmen, haben Konzerne meist einige sogenannte Vorratsgesellschaften mit Phantasienamen in der Hinterhand. Damit können Unternehmen – etwa kurz vor Stichtagen, wie dem Ende des Geschäftsjahres – noch rasch Käufe beziehungsweise Verkäufe oder Übertragungen rechtskonform abwickeln.

Linke und rechte Tasche

Ein Anwendungsfall ist das Heben sogenannter Stiller Reserven, weil Firmen gleichzeitig als Käufer und Verkäufer auftreten und auch der Übertragungspreis in der gegründeten Gesellschaft von ihnen festgelegt werden kann.

Dass Deutschland solche Konstrukte zur Verstaatlichung gebraucht, um als Demokratie rechtskonform zu handeln, war bisher nicht bekannt. Offenbar sollten Vermögensgegenstände von Gazprom in Deutschland auf diese GmbH, über welche der deutsche Staat den vollen Zugriff hat, übertragen werden.

Für die Schweiz war kurzfristig nicht in Erfahrung zu bringen, ob es solche Möglichkeiten eventuell über Notrecht gibt. Die Schweiz kennt normalerweise keine Enteignungen, sondern darf lediglich Vermögen blockieren.

28.08.2022/kut.

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