Diese Woche regnete es in der Schweiz neue Michelin-Sterne für die Spitzengastronomie. Doch bringt die Auszeichnung überhaupt etwas?
Dies hätten die Brüder André und Édouard Michelin bestimmt nicht gedacht, als sie zur Eröffnung der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 ihren ersten «Guide Michelin» vorstellten. Mittlerweile ist ihr Wegweiser durch die Gastronomie nämlich zum Standard in der Welt für die Spitzenrestaurants aufgestiegen.
Jedes Jahr warten viele Länder, ob sie eventuell hier oder da mit einem Gourmet Restaurant beziehungsweise zumindest mit einem Zusatzstern ausgezeichnet wurden.
Einzigartige Qualität
Diese Woche ist nun die Schweiz erneut mit zahlreichen Michelin-Sternen beschenkt worden. Die Schweizer Ausgabe von Michelin-Sternen gibt es seit 1994 und die Luxus-Restaurants geben sich alle Mühe, um bei Raffinesse, Einzigartigkeit und Qualität auf den schon sehr guten Standard immer noch einen Zacken obendrauf zu setzen.
Die mehreren Dutzend Restauranttester haben diese Woche auf einer Veranstaltung an der weltberühmten Hotelfachschule École Hôtelière de Lausanne bekanntgegeben, dass die Schweiz einen weiteren Gourmet-Tempel mit den begehrten drei Michelin-Sternen erhält.
Junger Aufsteiger
Es ist das «Memories» im Grand Resort Bad Ragaz. Der 35-jährige Küchenchef Sven Wassmer ist somit der Aufsteiger des Jahres in der weltweiten Spitzengastronomie.
Dieses Restaurant «Memories» gesellt sich zu den lediglich 138 Etablissements auf der Welt, die mit Drei-Michelin-Sternen aufwarten können. In der Schweiz steigt das «Memories» in die Edel-Gruppe zum «Cheval Blanc by Peter Knogl» in Basel, zum Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier und zum Schloss Schauenstein in Fürstenau auf.
Neben fünf neuen Zwei-Sterne-Restaurants wurden in Lausanne auch 30 neue Ein-Stern-Restaurants gekürt. Insgesamt sind somit 546 Gastrobetriebe der Spitzenklasse in der Schweiz bei Michelin aufgeführt.
Reise lohnt sich
Die Klassifikation der rund 85 Kritikern von Speisen ist dabei relativ simple. Ein Michelin-Stern bedeutet, das Restaurant ist einen Halt wert. Bei zwei Sternen lohnt sich sogar ein Umweg, um eigens hier zu speisen. Und bei drei Sternen von Michelin ist die Küche eine separate Reise wert.
So lautet die Einschätzung. Das muss man sich mal förmlich auf der Zunge zergehen lassen. Eine Luxusreise an einen Ort, nur um in einem Restaurant zu essen. Aber Feinschmecker kommen da sicher auf ihre Kosten.
Doch was bringt eine solche Auszeichnung dem Restaurant – ausser vielleicht ein Haufen Stress sowie Arbeit und natürlich eine enorme Reputation?
Medaillons von Hummer
Genau, die Preise für die Gourmet-Menus schnellen mit jedem Sternchen in die Höhe.
Im Restaurant de l’Hôtel de Ville kostet ein Acht-Gänge-Überraschungsmenu 340 Franken. Das konkrete Gastronomische Menu schlägt aber mit 410 Franken zu Buche.
Da dürfen sich Gäste etwa auf Hauptspeisen wie den Rücken vom Steinbutt, Medaillons vom Blauen Hummer oder Wildhase à la Royale freuen.
Im «Cheval Blanc by Peter Knogl» im Luxushotel Les Trois Rois in Basel gibt es das Sechs-Gang-Menu für 290 Franken. Dabei wird geräucherter Aal, rote Bete, fermentierter Knoblauch und Wasabi beziehungsweise Rehrücken aus der Steiermark, Sellerie-Mousseline und Rouennaiser Sauce aufgetischt.
Beachtlicher Preissturz
Man sieht die Preisklassen eindrücklich um die 300 und 400 Franken für das Menu. Geht es dann einen Stern abwärts, so sinken die Menu-Preise rasant.
Bei der Basler Zwei-Sterne-Köchin Tanja Grandits kostet das Aroma-Menu 265 Franken. Allerdings muss sie dabei bereits neun Gänge auftischen.
Im frisch gekürten Zürcher Zwei-Sterne-Restaurant Igniv gibt es das Muster-Menu bereits für 158 Franken. Leicht gegarte Langoustine an Dillcrème oder Zander mit Rhabarber-Ceviche sind da inklusive.
Schallmauer gehalten
Im «Roots» ebenfalls in Basel und auch auf der Liste der neuen Zwei-Michelin-Sterner, kostet das Fünf-Gang-Menu noch 152 Franken. Bei neun Gängen sind es 198 Franken und durchbricht die Schallmauer von 200 Franken nicht.
In Küsnacht ZH im Rico’s gibt es das Drei-Gang-Menu für 135 Franken bis zum Acht-Gang-Menu bei 265 Franken. Das ist genau in der Range von zwei Sternen.
Im Belle Etage im Basler Teufelhof, ein Ein-Stern-Restaurant, kosten die Menus dagegen zwischen 115 Franken für vier Gänge und 155 Franken für sieben Gänge. Das Ein-Sterne-Etablissement «tobias buholzer» in Rüschlikon ZH bietet ein Häppchenmenu für 130 Franken an.
Einfache Mathematik
Das Preisgefälle ist offensichtlich. Jeder Luxus-Speise-Betrieb kann sich anhand seiner Kapazität in der Küche sowie der Anzahl der Tische dann konkret über die Menu-Preisdifferenz ausrechnen, ob sich der Kampf beziehungsweise die Plagerei um einen weiteren Michelin-Stern lohnt oder nicht.
Nicht selten sind die Gourmet-Restaurants aber in Luxushotels angesiedelt und das hat meist auch seinen Grund. Die Fünf-Sterne-Häuser bieten dann nämlich spezielle Pakete, wie die Übernachtung in einer Suite sowie ein Fünf- oder Sechs-Gang-Gourmet-Menu, an.
Chef-Hotelier plaudert
Die Ursache dafür ist rasch ausgemacht, wie muula.ch aus der Branche erfuhr. Ein Gourmet-Restaurant kostet mit seinem extremen Qualitätsanspruch oftmals so viel Geld, dass es nur Verluste abliefert.
Oder, wie der einstige Chef der Dr.-Oetker-Gruppe, Rudolf-August Oetker, zu sagen pflegte: Essen Gäste bloss im Gourmet-Restaurant, ohne im Hotel zu übernachten, bekämen sie trotz der hohen Preise etwas geschenkt.
Der mittlerweile verstorbene Backpulver- und Tiefkühlpizza-Patron musste es wissen, denn schliesslich zählten damals unter anderen das Parkhotel Vitznau am Vierwaldstättersee, das Brenners Park-Hotel in Baden-Baden, das bei Filmstars beliebte Hotel du Cap-Eden-Roc an der Côte d’Azur oder auch das legendäre Le Bristol in Paris zu seinem Eigentum.
Bon appétit.
22.10.2022/kut.