Universität Lausanne zerrupft Bundesrat-Entscheid

Ein Blick auf Lausanne und den Genfersee
In Lausanne wird zum Glück noch logisch gedacht und ehrlich geforscht. (Bild: O. Burki / unsplash)

Die Universität Lausanne schaltet sich in den Diskurs um die Senkung der Zollfreigrenze ein. Dem Bundesrat wirft sie seine Politik um die Ohren.

«Besonders perfide sind Bürokratiekosten als politisches Mittel immer dann, wenn die politischen Ziele dahinter verschleiert werden.»

So lautet der entscheidende Satz in der Stellungnahme von Professor Oliver Neumann von der Universität Lausanne zur Senkung der Wertfreigrenze beim Einkaufstourismus.

Nur Interessen der Geschäfte

Der Bundesrat senkte die Bagatellgrenze für die Wareneinfuhr ab Januar 2025 auf 150 Franken, bis zu der Bürger keine Schweizer Mehrwertsteuer abführen müssen, wie muula.ch berichtete.

Offenkundig gehe es bei der Umsetzung dieser Motion 19.3975 aber nicht um verbesserte Steuergerechtigkeit, sondern um die Interessen der Detailhändler und ihrer Zulieferer, die sich für diese Motion einsetzten und sogar noch eine Absenkung von 300 auf 50 Franken forderten, führte der Wissenschafter weiter aus.

Mehr Doppelbesteuerungen

Im Kern geht es laut der Universität Lausanne also um Protektionismus für den Schweizer Detailhandel durch zusätzliche Zollformalitäten für Bürger.

Die Wissenschaft spricht in diesem Falle von Bürokratiekosten, welche allerdings das Vertrauen in staatliche Institutionen nachweislich erodieren lassen und sozial schwächere Gruppen oft disproportional stärker träfen, wie es der Professor formuliert.

Bei der Einfuhr von mehreren Einkäufen unterhalb der Bagatellgrenzen in die Schweiz mit Gesamtwert über 150 Franken werde es neu zu deutlich mehr Doppelbesteuerung kommen.

App ist ein Rohrkrepierer

In den Nachbarländern gelten Bagatellgrenzen für die Rückerstattung der Mehrwertsteuer zwischen 50 (Deutschland) und 175 Euro (Frankreich) nämlich pro Einkauf in einem Geschäft.

Es sei daher gut möglich, dass der Umsetzungsvorschlag des Bundesrats daher sogar zu weniger statt zu mehr Steuergerechtigkeit führe, mahnte der Professor.

Das Logo der Universität Lausanne
Das Logo der Universität Lausanne (Bild: PD)

Die in der Motion gepriesene App «QuickZoll» ist bis heute nicht in der Lage, die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze zu berücksichtigen, und die Zollverwaltung BAZG verrechnet alles mit dem Höchststeuersatz.

«Steuergerechtigkeit» sehe anders aus, hiess es von der Universität Lausanne diesbezüglich.

Netzabdeckung für Deklaration fehlt

Ausserdem fallen für die Schweizer künftig noch eine Zusatzgebühr an.

Dies etwa, wenn «QuickZoll» über ein Smartphone sowie einen funktionierenden Internetzugang vor der Einreise in die Schweiz genutzt und exorbitante Roaming-Gebühren für die Deklaration anfallen.

Teils sei die Netzabdeckung im Ausland ohnehin schlecht und falls jemand etwas falsch deklariert, würde dies zu Bussen und Verdruss bei der Bevölkerung führen.

Volkswirtschaftlicher Schaden

Doch das ist noch nicht einmal alles, wie es in der Stellungnahme weiter steht.

Möchten Bürger ihre Waren zum korrekten Mehrwertsteuersatz anmelden und nicht doppelt besteuern, müssten sich neu viel mehr Personen in lange Schlangen am Zoll einreihen – und dies gleich zweimal in beiden betroffenen Staaten.

Der volkswirtschaftliche Schaden des Zeitverlustes dürfte ebenfalls beträchtlich sein.

Fehlender Wettbewerb wird zementiert

Der Weg des Bundesrates wird sozial schwächere Schichten in der Hochpreisinsel Schweiz benachteiligen und der zunehmende Protektionismus wird zu noch höheren Preisen führen.

Eine tiefere Freigrenze setzt für Bürgerinnen und Bürger einen Anreiz für mehr Fahrten über die Grenze, was Umwelt und Strassen zusätzlich belasten wird.

Mit der Inflation sei die Freigrenze von 300 Franken real sowieso über die Zeit schon gesunken.

Die Zollbehörde braucht deutlich mehr Ressourcen, und der Tourismus dürfte leiden, prognostiziert der Akademiker.

Und so geht das immer negativ weiter.

Kosten tragen alle

Es ist also völlig unverständlich, wie der Bundesrat die Freigrenze einfach senken konnte.

Im Vernehmlassungsbericht geht die Administration auf die Argumente des Professors auch überhaupt nicht ein.

«Die Kosten für den zusätzlichen Protektionismus werden von der Allgemeinheit zu tragen sein – Profiteure sind nur die Detailhändler und Zulieferer», lautet die wissenschaftliche Erklärung zu dem Bundesrat-Entscheid um die Absenkung der Wertfreigrenze.

Amerikaner weisen den Weg

Die USA würden Bürokratiekosten konsequent analysieren und reduzieren, um das Vertrauen in die staatlichen Institutionen zu stärken.

«In der Schweiz hingegen baut das Parlament und der Bundesrat die Bürokratiekosten für Bürgerinnen und Bürger weiter aus», so das Fazit von Professor Neumann.

17.10.2024/kut.

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