In der Welt des Luxus und der Eleganz ist Swarovski kaum wegzudenken. Die Handwerkskunst um Schönheit braucht aber einen neuen Funken.
Der Zürcher Hauptbahnhof steht sinnbildlich für die Firmenkrise bei Swarovski.
Dort musste der traditionelle Weihnachtsbaum mit tausenden Swarovski-Ornamenten nämlich unlängst einer Tanne ohne Licht weichen.
Das Symbol der Zürcher Weihnachtspracht verschwand nach über zwei Jahrzehnten.
Arm und Superreich zusammen
Dabei passte Zürich gerade hervorragend zur Idee des visionären Firmengründers Daniel Swarovski, der eine spezielle Schleifmaschine entwickelte, die Glas mit Hochpräzession schliff, und damit einen «Diamanten für jedermann» schuf.
In Zürich, wo arm und superreich nah beieinander liegen, symbolisierte der Swarovski-Christbaum am HB nahe der Bahnhofstrasse genau diesen kleinen Luxus für alle.
Milliardengrab durch Fehlkauf
Doch das ist nun Geschichte, genauso wie die Erfolgsstory von Swarovski in die Jahre gekommen ist.
Glasschleifer Daniel Swarovski kam ursprünglich aus Böhmen ins österreichische Wattens, um vor fremden Blicken geschützt und am wasserreichen Gebirgsfluss Wattenbach die steigende Nachfrage nach dem besonders geschliffenen Kristallglas zu befriedigen.
Was zunächst gelang und zu einer Erfolgsgeschichte wurde, ging durch Managementfehler nunmehr Stück-für-Stück sinnbildlich den Bach hinunter.
Eine Milliardentransaktion um die US-Schmuckhandelskette Zale verkam zum Milliardengrab. Geschäftsaktivitäten um geschliffenes Brillenglas wurden lanciert und wieder verkauft.
Streit in Familiendynastie
Selbst eine Privatjet-Fluglinie, die Tyrolean Jet Services, gab es, bis man sie unter wirtschaftlichem Druck zum Verkauf stellte. Hinzu gesellten sich Machtkämpfe und Streitereien innerhalb der mittlerweile weltweit verstreuten Familiendynastie.
Die Coronavirus-Pandemie versetzte Swarovski einen weiteren Schlag. Im Jahr 2020 brach der Umsatz um rund 25 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro ein und ein dreistelliger Millionenbetrag soll an Verlust angefallen sein.
Ein Jahr später, 2021, gingen die Verkäufe weiter zurück und der Jahresfehlbetrag lag laut Medienmeldungen bei 350 Millionen Euro.
Schwarze Null angestrebt
Für das Geschäftsjahr 2023 meldete Swarovski dieser Tage, dass der Umsatz auf gleichem Niveau wie 2022 bei 1,8 Milliarden Euro geblieben sei. Das Geschäft mit Schmuck und anderen glitzernden Lifestyle-Produkten habe zwar um 4 Prozent zugelegt, hiess es von dem österreichischen Familienbetrieb.
Doch negative Wechselkurseffekte hätten dies gleich wieder zunichtegemacht. Ausserdem hätten die Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten die Konsumstimmung stark gedämpft und die Geschäfte belastet.
Nach Jahren mit erheblichen Verlusten kommt der Familienbetrieb dem Ziel näher, wieder ein nahezu positives Ergebnis zu erzielen.
Billigkonkurrenz in China
Swarovski-Produkte würden derzeit in 7400 Geschäften weltweit verkauft, was aber ein Viertel weniger als vor der Coronavirus-Pandemie ist. Auch die Zahl der Mitarbeiter verdeutlicht die Krise. Im Jahr 2018 hatte Swarovski noch rund 35.000 Angestellte.
Aktuell sollen es weit unter 20.000 beziehungsweise fast 50 Prozent weniger sein. Die Chinesen stellen die künstlichen Kristalle eben zum Bruchteil der Kosten in Österreich her.
Eine Kündigungswelle nach der anderen drückt bei Swarovski auf die Motivation. Die Globalisierung schlägt voll zu.
Keine Lösung für Energiebedarf
Zunächst ist dabei festzustellen, dass es Swarovski nicht gelang, die Coronavirus-Pandemie für sich positiv zu nutzen, wie es viele andere Bijouteriefirmen geschafft haben.
Die Menschen sassen zu Hause, horteten Geld und hätten in dieser Zeit mit Swarovski-Produkten viel Freude und Hoffnung stiften können. Doch die Umsätze brachen weg.
Als der Ukraine-Krieg zur Energiekrise führte, versetzte die schwierige Situation dem Unternehmen einen weiteren Schlag.
Das Verschwinden des Christbaumes am Zürcher HB soll denn auch einer Energieverordnung von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB geschuldet sein.
Das energieaufwendige Anstrahlen der Swarovski-Kristalle auf dem Weihnachtsmarkt sollte weg und dafür kam die Tanne, die mit Velopedalen nur spärlich beleuchtet werden konnte.
Auch da hätte Swarovski andere Lösungen parat haben müssen, um ihre Kristalle nach zwei Jahrzehnten weiterhin hoffnungsvoll zum Funkeln zu bringen.
Schwindende Erfolgsgeschichten
Insofern ist auch der Zürcher Weihnachtsbaum ohne Swarovski-Kristalle ein Symbol um verpasste Nachhaltigkeit. Energieintensive Produktion und Energieintensität während der Nutzung müssten Innovationen hervorbringen.
Synthetische Diamanten lautet da beispielsweise das Stichwort der Zeit. Erfolgreiche Unternehmen dürfen sich nie ausruhen, innovativ zu sein.
Swarovski will sich nunmehr als erschwingliche Schmuckmarke für jüngeres Publikum positionieren. Doch dazu gehört wohl eine verrückte Sammelleidenschaft um die traditionellen Swarovski-Ornamente mit Kristall-Schwänen, Kristall-Hasen oder die legendären Kristall-Bärchen in der digitalen Welt.
All dies ist verschwunden – genauso wie die Swarovski-Kristallleuchter und Haute-Couture-Produkte mit Swarovski-Ornamenten oder Sondereditionen für das britische Königshaus.
Fehlendes Erlebnis
Wer heutzutage auf die Webseite von Swarovski geht, dem wird sofort ein Preisnachlass von 10 Prozent im Online-Shop angeboten. Mit Deluxe-Ohrringen und Diamanten-Kauf in Juweliergeschäften für jedermann, wie es einst Daniel Swarovski tat, hat all dies nicht mehr viel zu tun.
Von einem edlen Einkaufserlebnis fehlt dabei ohnehin jegliche Spur. Vom einstigen Stolz der auf Innovation und cleveres Marketing ausgerichteten Quarzsand-Schleiferei mit engagierten Mitarbeitern ist praktisch nicht viel übriggeblieben.
Alexis Nasard, ein familienexterner Firmenchef mit libanesischen Wurzeln, soll dem traditionellen Kristallkonzern zu neuem Glanz und Funkeln verhelfen.
Seinen Erfolg kann die Familie Swarovski dann bestimmt am Zürcher Hauptbahnhof erkennen.
24.03.2024/kut.