SVP scheitert mit Schweiz als «Disneyland»

Disneyland in Paris
Wird die Schweiz zu einem Disneyland mit Eintrittspreisen? (Symbolbild: pixabay)

Die SVP will Ausländer bei der Einreise an der Grenze zur Kasse bitten. Doch gegen dieses Eintrittsgeld, wie in Bhutan, regt sich viel Widerstand.

Manchmal fragt man sich, ob Politiker ihre Gehirnzellen einschalten, bevor sie eine parlamentarische Initiative lancieren.

Damit lösen sie bekanntermassen viel Bürokratie aus.

Pauschale pro Einreise

So reichte SVP-Nationalrat und Fraktionspräsident Thomas Aeschi, der sich auch schon mal mit dem Sicherheitsdienst des Bundeshauses handgreiflich auseinandersetzt, den Wunsch ein, durch Änderung der Bundesverfassung eine Einreiseabgabe für Ausländer einzuführen.

Der Bund sollte von volljährigen Ausländern, die in die Schweiz einreisen, pauschal pro Einreise eine Abgabe von 25 Franken unabhängig vom Kostenanlastungsprinzip erheben.

Ausländer schuldig

Mit dem Ansinnen solle der Übertourismus bekämpft werden, den es in der ganzen Schweiz aber gar nicht gibt.

Die 25 Franken sollten zudem verhindern, dass die Infrastruktur des Landes, namentlich das Strassen- und Bahnnetz, an die Belastungsgrenze kommt.

«Überprozentual für diesen starken Anstieg der Staustunden verantwortlich ist die immer grössere Anzahl von ausländischen Fahrzeugen auf den Schweizer Strassen», erklärte der SVP-Politiker.

Bhutan und Kroatien als Vorbilder

So erhöhte doch auch das Land Bhutan im Juli 2022 seine Tourismusabgabe auf 200 Dollar pro Tag, machte Aeschi im Antrag klar.

Seit Oktober 2019 erhebe zudem der Inselstaat Neuseeland eine bei der Einreise fällige Abgabe in der Höhe von 35 Neuseeland-Dollar.

Und Kroatien habe eine Öko-Gebühr, die sogar von Tagesbesuchern zu entrichten sei.

Arbeiten ohne Gebühr erlaubt

Etwas Gehirnschmalz zeigte das Vorhaben allerdings doch.

Als die Schweiz nämlich die Landesgrenzen während der Coronavirus-Pandemie komplett schloss, stellte die Politik am nächsten Tag fest, dass in vielen Spitälern das medizinische Personal fehlte und die Schweiz die Millionen an Grenzgängern aus Versehen ausgeschlossen hatte.

So etwas sollte der SVP nicht passieren. Von der Einreiseabgabe wollte Aeschi daher zumindest Grenzgänger und Ausländer befreien, die ihren Wohnsitz innerhalb eines 30-Kilometer-Radius von der Schweizer Grenze haben.

Es sollte also für grenznahe Bewohner noch kostenfrei möglich sein, in der Schweiz zu arbeiten oder einen Museumsbesuch in Bern, Basel, Lugano oder in Genf zu absolvieren.

Wirkungsloser Fee

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates erteilte dem Ansinnen, aus der Schweiz quasi ein Disneyland mit einem Eintrittsgeld zu machen, in der Mehrheit aber schon mal eine Absage.

Die Kommissionsmehrheit sei zum einen der Ansicht, dass eine Abgabe in Höhe von 25 Franken die Touristen kaum davon abhalten würde, in die Schweiz zu kommen, teilten die Parlamentsdienste am Freitagabend mit.

Kaum umsetzbar

Zum anderen erachte sie die Umsetzung der Initiative als äusserst kompliziert und kostspielig.

So müssten zum Beispiel wieder systematische Grenzkontrollen durchgeführt werden, hiess es weiter.

Doch eine solche Kontrollregelung würde gegen die internationalen Verpflichtungen der Schweiz verstossen, namentlich gegen das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union.

Wie die 30-Kilometer-Ausnahmeregel von Italien, Frankreich, Österreich, Liechtenstein oder Deutschland umgesetzt werden soll, steht dabei auch noch völlig in den Sternen.

Ausnahmen werden zur Regel

«Die Erhebung einer pauschalen Einreiseabgabe von volljährigen Ausländerinnen und Ausländern von 25 Franken unabhängig des Kostenanlastungsprinzips wäre für Touristen finanziell verkraftbar, da dies pro Person weniger als drei Prozent der durchschnittlichen Übernachtungskosten für einen fünftägigen Aufenthalt in der Schweiz ausmachen würde», rechnete Aeschi mit seiner Logik den Betrag klein.

In Venedig, wo es tatsächlich zu viele Touristen gibt, funktioniert eine solche Abgabe aber auch gar nicht.

Über 50 Prozent der Besucher Venedigs sind vom Zahlen des «Eintrittsgeldes» ohnehin ausgenommen. Touristen werden zudem erfinderisch, um die Gebühren zu umgehen.

US-Präsident müsste zahlen

Wie viel der Schweizer Grenzschutz für das Kassieren des neuen Einreisegeldes sowie für die Personenkontrollen aufwenden muss, spielt für Aeschi keine Rolle.

Kommt ein US-Präsident in die Schweiz, müssen die Schweizer Zollbeamten wohlgemerkt auch von ihm und seiner ganzen Delegation schön die 25 Franken kassieren.

Was generell mit Geschäftsreisen sein soll, die plötzlich einen Eintritt für Gespräche mit der Grossbank UBS, dem Energiekonzern ABB oder dem Nahrungsmittelriesen Nestlé zahlen müssten, ist auch noch unklar.

Austrittsgeld für Schweizer?

Allfällige Gegenmassnahmen von anderen Ländern, die von Schweizern ein ähnliches Einreisegeld verlangen könnten, thematisiert der SVP-Politiker ebenfalls nicht.

Was, wenn beispielsweise die EU von Schweizern ein «Austrittsgeld» für die Nutzung des Land- und Luftweges über ihr Terrain verlangen würde und dies etwa nur bei persönlicher Vorsprache in der EU-Vertretung in Bern und in Euro-Münzen entrichtet werden könnte?

Nicht auszudenken, wie sich die Welt bei einem solchen Aufrechnen ändern würde.

Sozialwerk sanieren

Aeschi will das Geld zur AHV-Finanzierung einsetzen. Es würde einen Beitrag zur Sanierung der wichtigsten Sozialversicherung leisten, lautete eine weitere Begründung des Ansinnens.

Ausländer sollen also nicht nur über ihre Einkäufe in der Schweiz mit der Mehrwertsteuer das Sozialwerk AHV sanieren helfen, sondern künftig auch noch mit einem Eintrittsgeld.

Bei Geldnot sollen immer Ausländer zahlen – das schwebt selbst den Schweizer ETHs vor.

Ins eigene Bein schiessen

Und falls Schweizer Familien dann Besuch aus dem Ausland bekämen, müssten sie ihren Gästen wohl auch gleich mit der Einladung noch das Eintrittsgeld für das Land mitschicken.

Analog zu einem US-Präsidenten, bei dem Bundesbern wahrscheinlich die Einreisegebühr übernehmen würde, würden Einheimische ihre Besucher kaum auf 25 Franken sitzen lassen.

Am Ende zahlen die Schweizer das Eintrittsgeld für ihr Land selbst. Mit der Gebühr schiesst sich die Schweiz so quasi ins eigene Bein.

Danke, Herr Aeschi, für solch «kluge» Vorschläge.

09.09.2024/kut.

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