Manchmal ist nicht zu glauben, was sich Beamte einfallen lassen, um dem Gesetz gerecht zu werden. Ein neuer Fall sorgt vielerorts für Stirnrunzeln.
«Da – wieder eine Falschdeklaration». So oder so ähnlich muss man sich wohl die 131 Kontrollen des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV im vergangenen Winter vorstellen.
Exakt 6632 Pelzprodukte kontrollierten die eifrigen Beamten in kleinen und grossen Geschäften, ja sogar im Internet, wie das BLV in einer Medieninformation bekanntgab.
Die Branche setze nämlich die Deklarationspflicht, die seit April 2020 nach einer revidierten Verordnung in Kraft trat, nur mangelhaft um, klagten die Beamten.
Lachen oder Weinen?
Damals war eine Deklarationspflicht eingeführt worden, Produkte eindeutig als Echtpelz zu kennzeichnen und die Gewinnungsart, also die Methode der Aufzucht des Tiers oder des Fangens, klarer zu beschreiben. Damit sollten Konsumenten besser informiert werden.
Während sich manche bei der Lektüre der Medienmitteilung vor Lachen kaum noch halten können und an einen Scherz glauben, sorgt die Meldung meist für Kopfschütteln.
Zwei Drittel falsch
Allein schon die Tatsache irritiert, dass nicht alle Menschen das gleiche Verständnis darüber haben, was Begriffe wie «eindeutig» und «klarer» aus der Verordnung bedeuten sollen.
Dies sagte zumindest der Besitzer eines Pelzgeschäftes im Vertrauen gegenüber muula.ch, als er zum Sinn der Regelungen und Kontrollen befragt wurde. Schliesslich gebe es die Verkaufsberatung, bei der alles erklärt würde.
Strafen wegen Lappalien
Nun, bei zwei Dritteln der kontrollierten Verkaufsstellen seien die Bezeichnungen aufgrund falscher oder fehlender Informationen beanstandet worden, teilte das BLV weiter mit.
In fast 90 Prozent der Fälle, hätten die Verantwortlichen die Beanstandungen aber fristgerecht behoben, erklärten die Beamten. Das bedeutet, dass das BLV selbst die Aufarbeitung der Kontrollen kontrolliert hat.
In zehn Fällen seien allerdings Verfügungen erlassen und in einem Fall sogar ein Strafverfahren eingeleitet worden.
Rumreiten auf Einzelfällen
Rund 73 Prozent der 6632 kontrollierten Pelzprodukte seien aber ohnehin korrekt deklariert gewesen, steht im Communiqué. Bei den anderen Fällen fehlten Deklarationen beziehungsweise Herkunft und Gewinnung seien fehlerhaft angegeben worden.
Aber fast die Hälfte aller Beanstandungen habe die Deklaration von Pelzkragen bei Jacken betroffen, hiess es weiter. Es ist also ein Luxusproblem.
Amt bleibt hart
Zunächst erstaunt allerdings, womit sich manche Beamte den ganzen Tag beschäftigen können. Die Tatsache, dass fast die Hälfte der Fehler offenbar Kragen von Pelzkleidung betreffen, illustriert, dass da die Regeln nicht für alle Geschäfte klar sind.
Die Behörde sieht das aber nicht so. «Das BLV stellt seit Einführung der Kontrollen 2014 und trotz präziseren Vorschriften keine nennenswerte Verbesserung der Deklaration von Pelzen und Pelzprodukten fest», kritisierten die Staatsdiener.
Warnung vor härterer Strafen
Daher kündigte das BLV für die kommende Wintersaison 2022/23 weitere Kontrollen in den Geschäften und im Internet an. Der Vollzug werde verschärft, indem die Behörde vermehrt prüfe und büsse, warnten die Beamten. Sie werden also noch stärker als die 131 Mal ausrücken und mehr Bussen verteilen.
Brave Bürger fragen sich dabei, ob die Staatsdiener da nicht über das Ziel hinausschiessen. Gewiss, die Mängel sind nicht toll für die Kundschaft.
Beide Augen zu
Doch zahlreiche wichtigere Gesetze und Verordnungen – sei es etwa in der obligatorischen Grundversicherung – werden in diesem Land eher locker ausgelegt, wie muula.ch unlängst über den Fall einer kleinen Krankenkasse berichtete.
Bussen erhalten die Verantwortlichen von grossen Vergehen in der Schweiz schon gar keine oder kaum, wenn etwa einige Krankenkassen, wie bei der CSS-Gruppe, die gesetzlichen Anforderungen an die Solvenz überhaupt nicht erfüllen.
Kundschaft pfeift drauf
Der Hebel, über Kontrollen zu Verbesserungen zu gelangen, wäre zum Beispiel im Schweizer Gesundheitswesen grösser, als ob nun ein Pelzkragen vom Marderhund, Polarfuchs oder Kojote stammt.
Und ausserdem kommt laut dem Pelzverkäufer noch ein wichtiger Aspekt hinzu. Die Hauptkonsumentinnen solcher Pelz-Produkte in der Schweiz sind nämlich reiche Kundinnen aus Osteuropa – welche die ganzen Bezeichnungen ohnehin selten lesen können.
14.10.2022/kut.