
Wenn Waren und Dienstleistungen günstiger werden, klingt dies wie ein Segen. Doch dauerhaft sinkende Preise können Volkswirtschaften destabilisieren.
Viele Menschen halten sinkende Preise ausschliesslich für frohe Botschaften.
Doch Ökonomen schauen da genauer hin. Was wie ein positives Signal aussieht, wirft aus ökonomischer Sicht nämlich Grundsatzfragen auf.
Mehrwert durch Warten
Anhaltend sinkende Preise – die sogenannte Deflation – gelten nicht als Indikator wirtschaftlicher Gesundheit, sondern als ein Warnsignal.
Das Gegenteil von Inflation ist nicht Stabilität, sondern ein Abwärtssog, der Investitionen hemmt und das Wirtschaftswachstum bremst.
Dabei liegt zunächst ein grundsätzliches Problem auf der Hand: Wer damit rechnet, dass Produkte morgen noch günstiger werden, schiebt Käufe regelmässig auf.
Zurückhaltung bei Investitionen
Vor allem grössere Anschaffungen, wie Möbel oder Autos, sind dabei betroffen.
Was aus Sicht einzelner Haushalte rational erscheint, führt gesamtwirtschaftlich aber zu einer Nachfrageschwäche. Unternehmen verkaufen in Deflationszeiten weniger, senken dann die Preise weiter und geraten unter Druck, Kosten zu senken.
Das Resultat ist ein Teufelskreis aus sinkenden Umsätzen, weiteren Preisschlachten und wachsender Zurückhaltung bei Investitionen.
Die Produktion wird meist heruntergefahren, weil die Warenlagen sowieso voll sind, und Arbeitslosigkeit macht sich breit.
Horten von Geld
Während allzu schnell steigende Preise die Wertaufbewahrungsfunktion von Geld infrage stellen könnten, wäre diese Funktion bei fallenden Preisen zwar erfüllt, schrieb der Vermögensverwalter Flossbach von Storch unlängst in einer Analyse zu den Hintergründen einer solchen Situation.
Mit «gehortetem» Geld lasse sich später mehr kaufen.
Allerdings bestünde in einem solchen Szenario eben die Gefahr, dass die Menschen in Erwartung sinkender Preise ihr Geld immer weiter zurückhielten und so eine Phase wirtschaftlicher Schwäche in Gang setzen.
Leitzins bei null
Gesunde Inflation sollte deshalb positiv und zugleich niedrig sein.
Viele Notenbanken weltweit, inklusive der Schweizerischen Nationalbank SNB, haben in den vergangenen Jahren auf eine Inflationsrate im Intervall von null bis zwei Prozent als Zielgrösse festgelegt.
Geht es unter die null, wie derzeit in der Schweiz, haben die Zentralbanken ein Problem.

Sinkende Preise schränken die Wirksamkeit geldpolitischer Instrumente ein – insbesondere, wenn der Leitzins schon bei Null liegt, wie ihn die SNB am vergangenen Freitag einführte.
In solchen Phasen verlieren klassische Steuerungsmechanismen an Wirkung, während die Erwartungshaltung der Marktteilnehmer zunehmend deflationär geprägt wird.
Durch die schlechten Wirtschaftsaussichten halten die Menschen ihr Geld weiter zusammen und selbst Ferienreisen sowie Restaurantbesuche werden auf den Prüfstand gestellt.
Gutes Ausbalancieren
Japan dient hier als abschreckendes Beispiel: Jahrzehntelange Deflation hat dort Investitionszurückhaltung, eine dümpelnde Volkswirtschaft und politische Lähmung zur Folge gehabt.
Der Staat lancierte über Jahrzehnte gigantische Staatsausgabenprogramme. Die Japaner sparten alles für die Altersvorsorge in einer alternden Gesellschaft. Der Kampf um Zins oder Dividende drückte das Zinsniveau.
Japanische Volkswirte warteten daher Ewigkeiten darauf, dass endlich die freudige Nachricht von steigenden Preisen kommt.
Doch die dürfen dann auch nicht zu stark steigen – weil dies auch wieder nicht gut für eine Volkswirtschaft ist.
Der Staat als Nachfrager
In den vergangenen Rezessionsphasen wurde das Preisniveau dann durch erhöhte Staatsausgaben stabilisiert, was die Deflation verringerte, wie der deutsche Vermögensverwalter Flossbach von Storch in seiner Analyse weiter anmerkte.
Immer dann, wenn die Sorgen in der Wirtschaft wuchsen und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage litt, seien die Staaten mit milliardenschweren Rettungspaketen in die Bresche gesprungen, so die Handlungsempfehlung.
Tricks der Schweizer Politik
Was also auf dem Kassenzettel bei Schweizer Detailhändlern um Migros, Coop & Co. derzeit erfreulich aussieht, kann in der volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung ein Risiko für Beschäftigung, Produktivität und Wachstum sein.
Wie kann die Schweiz ihre Preisentwicklung wieder in den positiven Wert führen?
Der Schweizer Politik wird bei den grossen Einflussfaktoren auf die Teuerung um Mieten, Energie, Nahrungsmittel, Verkehr, Restaurants & Co., schon etwas einfallen.
22.06.2025/kut.
Kann man Inflation und Deflation in einem sinnvollen Gleichgewicht halten?