Sieben Krankenkassen verletzen gesetzliche Vorgaben

Ein Schild mit der Aufschrift Insolvenz
Zahlreichen Schweizer Krankenkassen droht die Pleite. (Bild: G. Altmann / pixabay)

Das Bundesamt für Gesundheit hat die Solvenzquoten der Krankenkassen verkündet. Die halbe Branche liegt vollkommen am Boden.

Der Prämienschock sass am heutigen Dienstag tief. SP-Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset gab die Horrorbotschaft höchstpersönlich bekannt, dass die durchschnittliche Krankenkassenprämie der Grundversicherung im kommenden Jahr um 8,7 Prozent steigen wird.

Mini-Einsparungen zelebrieren

Das Volk weiss kaum noch, wie es die ganzen Kostensteigerungen von Energie, Transport, Mieten und nun auch den Krankenkassenprämien bezahlen soll.

Doch Berset fiel nichts anderes ein, als gleich zu Beginn der Medienkonferenz auf das am Freitag vorgestellte Einsparungsvolumen von 250 Millionen Franken bei Generika zu verweisen, das aber bloss 0,3 Prozent der gesamten Gesundheitskosten ausmacht.

Auch mahnte er die Kantone an, doch einfach Bedürftigen noch mehr Steuergeld zum Bezahlen der Prämien zu geben, damit Berset am System nichts ändern muss.

Dramatischer Rückgang

Die Prämiensteigerungen wären aber noch viel happiger gewesen, wenn das zuständige Bundesamt für Gesundheit BAG nicht einen Kniff angewendet hätte.

So war es nämlich mit der Erfüllung der Solvenzquoten äusserst milde. Sie sanken in nur einem Jahr über alle Krankenkassen gesehen um 33 Prozentpunkte auf nur noch 130 Prozent.

Im Jahr davor war der wichtige Wert für die Branche bereits um 44 Prozentpunkte eingebrochen.

Gigantische Unterschiede

Marktführer Helsana landet diesmal genau auf dem diesjährigen Mittelwert von 130 Prozent an Solvenz.

Spitzenreiter erreichten aber wie die Krankenkasse KSM 354 Prozent, die Taggeldkasse bildende Künste 500 Prozent, Krankenkasse Ingenbohl 400 Prozent oder die Krankenkasse Visperthermen 330 Prozent.

Über 80 Prozent des Volkes betroffen

Das BAG erklärte offiziell auf die Bitte von muula.ch um Stellungnahme, dass die Krankenversicherer über ausreichende Reserven verfügten, aber das Polster zur weiteren Dämpfung der Prämienentwicklung nicht mehr vorhanden sei.

Sieben Krankenkassen erfüllten aktuell allerdings die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Reserven nicht. Die Gesellschaften hätten aber Massnahmen getroffen, um die Mindestanforderung künftig wieder zu erfüllen, wobei unterjährige Prämienerhöhungen nicht erforderlich gewesen seien, so das BAG zur Situation.

Von fallender Solvenz seien immerhin 82,2 Prozent aller Versicherten betroffen, erklärte die Aufsichtsbehörde.

Schlusslicht Klug

Der Durchschnittswert von 130 Prozent täuscht eben darüber hinweg, dass es diese sieben Krankenkassen gibt, welche die gesetzlichen Vorschriften nicht erfüllen.

Eigentlich hätte ihren Versicherten durchaus eine unterjährige Prämienerhöhung gedroht. Doch die Blösse wollte sich offenbar niemand geben, weil es wie ein direktes Versagen des Firmenmanagements sowie der Versicherungsaufsicht aussieht.

Besonders schlecht im Markt und eine absolute Katastrophe stellt dabei die Krankenkasse Klug dar.

Ihre Solvenz beträgt nur noch 43 Prozent, obwohl 100 Prozent gemäss Gesetz vorgeschrieben sind. Diese Gesellschaft müsste vom Markt verschwinden.

Krankenkassenexperten rieben sich daher am heutigen Tag vollkommen die Augen, weil sie so einen tiefen Solvenzwert in ihrer Karriere noch nie gesehen hatten.

Schwierige Annahmen

Wie schlecht die Vorbildwirkung am Markt ist, kann man sich ausmalen, wenn die Solvenz einer Krankenkasse auf 43 Prozent abrutscht und keine harten Massnahmen drohen.

Die kleine Krankenkasse hatte einen Ansturm von Versicherten verzeichnet und war dadurch bei der Solvenz in Schwierigkeiten geraten.

Vielleicht hat dies die BAG-Beamten etwas geruhsamer walten lassen, denn niemand weiss im Vorfeld, wie viele Schweizer ihre Krankenkasse tatsächlich wechseln werden.

Swica eilt zur Hilfe

Die Berner Krankenkassen KPT war ebenso von Neukunden überrannt worden, wie muula.ch exklusiv berichtete, und dann in Probleme mit der Solvenz geraten.

Mit 93 Prozent sieht der Wert so nahe an den 100 Prozent aber gar nicht mal so schlecht aus.

Viel problematischer ist hingegen die Gesundheitsversicherung Provita, die nur auf eine Solvenzquote von 66 Prozent kommt und daher ab kommenden Jahr von der Swica Krankenversicherung übernommen wird, die selbst gute 138 Prozent an Solvabilität aufweist und diese den Provita-Versicherten zur Verfügung stellt.

Problematisch ist auch die kleine Krankenkasse Steffisburg, die eine Solvenzquote von nur 82 Prozent aufweist.

Assura enttäuscht stark

Die ganzen kleinen Krankenkassen sind aber nicht wirklich eine Bedrohung am Markt, weil sie locker übernommen oder eingestampft werden könnten.

Grosse Krankenkassen sind dagegen viel mehr ein Problem, weil sie über den Daumen gepeilt die halbe Branche betreffen dürften.

So sticht sofort die Billig-Kasse Assura heraus, deren Solvenquote bei nur noch 73 Prozent liegt. Der bestbezahlteste Krankenkassenchef der Schweiz Ruedi Bodenmann von der Assura hat da offensichtlich keinen guten Job gemacht.

Im Vorjahr lag der Assura-Wert noch bei 130 Prozent. Es ging in nur wenigen Monaten also rasant nach unten.

CSS am Abgrund

Sorgen muss man sich auch um die Groupe Mutuel machen, deren Gruppengesellschaften deutlich bei der Solvabilität einbüssten. Easy Sana liegt nur bei schlechten 70 Prozent und Philos bei 93 Prozent.

Negativ fällt ebenfalls die Luzerner CSS-Gruppe auf, deren Chefin Philomena Colatrella immer recht forsch auftritt, die aber besser kleinlaut sein sollte.

Sie kommt mit ihrer Hauptgesellschaft, der CSS Kranken-Versicherung, nur auf einen knappen Solvenzbetrag von 111 Prozent. Viel Luft ist da nicht mehr.

Im Vorjahr hatte die Hauptgesellschaft der CSS-Gruppe in der Grundversicherung noch 212 Prozent an Solvenz aufgewiesen, dann aber zum 1.1.2023 das gruppeneigene Sorgenkind Arcosana mit 114 Prozent an Solvenz integriert.

Visana glänzt

Positiv müssen noch die Berner Krankenkassen Visana und Atupri erwähnt werden.

Das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch war zur Bekanntgabe der Fusion der beiden Krankenversicherer skeptisch, wie wohl die Solvenzwerte der Gesellschaften aussähen, weil die Krankenkassen im vergangenen Jahr hohe Verluste eingefahren hatten.

Doch Visana kommt bei der Solvenz auf hervorragende 216 Prozent und Atupri auf passable 137 Prozent. Die Krankenkasse Visana büsste im Jahresvergleich übrigens kaum Solvenzquote ein.

Am Markt trennt sich mittlerweile also deutlich die Spreu vom Weizen. Und das ist eigentlich gut so.

26.09.2023/kut.

Sieben Krankenkassen verletzen gesetzliche Vorgaben

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert