Die Schweiz weist deutliche Mängel im Schutz ihrer Aussengrenzen auf. Doch die Finanzprüfer des Bundes entdecken noch viel mehr.
Wie viel Personen schützen die Schweizer Aussengrenze?
Bei der Antwort auf diese Frage dürfte wohl jeder überrascht sein.
Verpflichtungen der Schweiz
«Bund und Kantone setzen bis zu 470 Mitarbeitende für die Kontrolle der Aussengrenze ein», hiess es im jüngsten Report zur Integrierten Grenzverwaltung der Eidgenössischen Finanzkontrolle EFK, der diese Woche publiziert wurde.
Seit dem Jahr 2008 ist die Schweiz ein assoziiertes Mitglied des Schengen-Raumes.
Damit hat sie sich verpflichtet, die Regeln der Europäischen Union (EU) zur Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen sowie deren Weiterentwicklung zu übernehmen.
Glücksfall für das Land
Aufgrund ihrer geografischen Lage verfügt die Schweiz ausschliesslich über Luftaussengrenzen an den Flughäfen.
Zur Kontrolle der Aussengrenzen seien bei den kantonalen Polizeikorps rund 220 Personen tätig und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) setze dafür nochmal rund 200 Mitarbeiter ein, hiess es im Rapport zu den genauen Zahlen der zwei Behörden.
Enorme Herausforderungen
Der anhaltende Migrationsdruck an den Schengen-Aussengrenzen und die angespannte Sicherheitslage führten in jüngster Zeit aber zu einer beachtlichen Reformkadenz des Schengen-Besitzstandes.
Die zunehmende Komplexität der Grenzkontrollen sowie die fortschreitende Digitalisierung stellten alle involvierten Behörden vor wachsende technische, organisatorische und finanzielle Herausforderungen, mahnten die Finanzprüfer.
Flickenteppich der Kantone
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) ist für die Konzeption und Konformität der Grenzkontrollen zuständig.
Es ist hauptverantwortlich für die Entwicklung der nationalen Strategie für eine Integrierte Grenzverwaltung.
Die operative Umsetzung der Grenzübertrittskontrollen erfolge in der föderalistisch aufgebauten Schweiz auf Kantons- und Bundesebene durch acht unterschiedlich strukturierte Grenzkontrollbehörden, betonte die EFK in ihrem Rapport.
Die Zusammenarbeit dieser acht Behörden sei in der Steuergruppe Grenze institutionalisiert, die primär aber nur den Informationsaustausch sicherstelle.
Anforderungen nicht erfüllt
«Weder die Steuergruppe noch das SEM verfügen jedoch über Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen gegenüber den Grenzkontrollbehörden», mahnten die Auditoren.
Eine koordinierte strategische Steuerung des Gesamtsystems finde deshalb nicht statt, hiess es weiter.
«Die internationalen Anforderungen werden aufgrund der föderalen Struktur der Schweiz nicht vollständig erfüllt», kritisierte die EFK weiter.
Wenig Konkretes
Die fragmentierte Umsetzung der Schweizer Grenzverwaltung führe zu langen Realisierungsfristen für institutionelle Veränderungen.
Im Rahmen der wichtigsten Schlüsselmassnahme, der Überprüfung der Zusammenarbeit im Grenzkontrollbereich, habe die Steuergruppe Grenze die strukturellen Unzulänglichkeiten in der Grenzverwaltung zwar identifiziert und Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt.
«Die im Abschlussbericht enthaltenen Empfehlungen sind auf Bundes- und Kantonsebene abgestützt, aber noch wenig konkretisiert», betonten die Finanzprüfer.
Mehr Verbindlichkeit nötig
Zum Prüfungszeitpunkt bestanden keine klaren Projektstrukturen, und es fehlte eine Planung für die vorgesehenen Folgeprojekte, wie Verbesserungen realisiert werden könnten.
Die EFK empfiehlt daher eine solide Programm- oder Projektplanung, um mehr Verbindlichkeit zu schaffen und die Teilprojekte in nützlicher Frist umsetzen zu können.
In der Steuergruppe Grenze werde zudem der Handlungsbedarf auf aktuelle Kontextentwicklungen im Migrations- und Sicherheitsbereich jedoch nicht kontinuierlich erhoben.
Dies sei aber erforderlich, um auf aktuelle Ereignisse, wie einen Migrantenstrom, adäquat reagieren zu können.
Handlungsanweisungen gegeben
Last, but not least, fehlt eine Erfolgskontrolle der Strategie und einzelner Massnahmen.
Doch falls so etwas ausbleibt, fehle ein zentrales Instrument zur Steuerung der Migration.
«Die EFK empfiehlt, den Erfolg und Nutzen von Massnahmen systematisch zu überprüfen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse für die Steuerung der integrierten Grenzverwaltung zu verwenden», was eine klare Handlungsanweisung an die Verantwortlichen ist.
Keine Mehrheit gefunden
Diese akzeptieren die Hinweise der Finanzprüfer, wie aus den Stellungnahmen hervorgeht.
Vom BAZG hiess es etwa, dass die Behörde die Anstrengungen unterstütze, das Gesamtsystem durch eine koordinierte, strategische Steuerung zu stärken.
Für die Vertiefungsphase zur Überprüfung der Zusammenarbeit im Grenzkontrollbereich habe sich unter den involvierten Akteuren aber keine Mehrheit gefunden, erklärte das SEM.
Kontrollvorschriften ignoriert
Die vollständige Abdeckung der Kontrollvorschriften stelle eine Herausforderung für kantonale Grenzkontrollbehörden dar, die ausschliesslich an kleinen Flughäfen mit geringem Verkehrsaufkommen aus Drittstaaten tätig seien, hiess es zur Arbeit des Aussenschutzes.
Aufgrund der seltenen Non-Schengen-Flüge verfügten diese Behörden über wenig Erfahrung bei der Abfertigung solcher Flüge.
«Die Bereitstellung und Finanzierung der für die Durchführung der Grenzkontrollen benötigten Räumlichkeiten und Infrastrukturen sind je nach Flughafen unterschiedlich geregelt».
Keller-Sutter intervenierte
Ein Projekt, das Unterstützung für die Aussengrenzen der Schweiz geben sollte, wurde nach der Vernehmlassung von der Departementschefin im EJPD zurückgestellt.
Da ist wohl Karin Keller-Sutter gemeint. Die Finanzprüfer erwarten, dass das Rechtsgeschäft nun umgehend wieder aufgenommen werde.
Und angesichts der Herausforderungen des Grenzschutzes sind 470 Personen vielleicht für den Rund-um-die-Uhr-Schutz der Schweiz zu wenig an Ressourcen.
22.08.2024/kut.