Verteidigungsministerin Viola Amherd macht aus ihrem Departement einen bürokratischen Moloch. Der neueste Coup führt die Schweiz ins Abseits.
Wenn ich mal nicht weiter weiss, gründe ich einen Arbeitskreis. So lautet eine gängige Redewendung.
Und genauso scheint Bundesrätin Viola Amherd ihr Verteidigungsdepartement zu führen.
Visionen und Strategien
Mittlerweile fällt vielerorts auf, dass es ständig irgendwelche Strategiepapiere und neue Verordnungen gibt, die an totale Geldverschwendung erinnern.
So verabschiedete das VBS vor wenigen Tagen eine neue Vision und Strategie.
Die Schweiz lebe von ihrer Sicherheit, hiess es in der Medienmitteilung.
Das Verteidigungsministerium lancierte dabei drei strategische Initiativen; dazu gab es einen Kurzfilm mit VBS-Angestellten als Darsteller und viel Papier.
Beschaffung völlig neu
Kurz zuvor publizierte das Amt schon den Jahresbericht zur Rüstungsstrategie. Damit stärke Armasuisse die Transparenz beim Thema Rüstungsbeschaffungen, hiess es diesbezüglich Mitte März.
Und Mitte Februar 2022 hatte die Verteidigungsbehörde eine Beschaffungsstrategie für das VBS erlassen.
Auf die Qualität der Bedarfsdefinition werde ein noch höheres Gewicht gelegt, gab das VBS stolz bekannt.
Viele Floskeln
Zudem würden Kriterien der Nachhaltigkeit sowie Innovation hervorgehoben und die konstruktive Vergabekultur im Departement gefördert, hiess es vom VBS zur Publikation von viel Papier und eines Leitfadens.
Logisch gab es zwischendurch immer wieder Vorträge von Amherd mit Erklärungen zur Verteidigungsfähigkeit des Landes oder zur Durchhaltefähigkeit der Armee.
Am heutigen Mittwoch hiess es nun, dass die Schweiz ein eigenes Staatssekretariat im VBS für Verteidigung erschaffe. Da erstarrt fast das ganze Land.
«Noch eine Behörde», denken nicht wenige kritische Köpfe.
Neue Behörde
Angesichts der Bedrohungslagen sei eine solche Institution nötig, teilte der Bundesrat mit.
Dieses Staatssekretariat werde im Departement strategische Grundlagen zur gesamtheitlichen Weiterentwicklung der Sicherheitspolitik erarbeiten und koordinieren, hiess es weiter. Der Bundesrat beauftragte das VBS, bis Ende Jahr die rechtlichen Grundlagen dafür zu erarbeiten.
Na, das kommt für Verteidigungsministerin Amherd doch wie gerufen.
Noch ein paar strategische Überlegungen könnten für sie offenbar nicht schaden. Zudem unterstehen solche Ämter immer direkt dem Minister oder der Ministerin, worauf Amherd ihre Bedeutung gestärkt sehen dürfte.
SVP kocht vor Wut
Ob die Schweiz und die Verteidigung damit auch gestärkt wird, steht in den Sternen. Kritische Stimmen wurden umgehen an dem Entscheid laut.
Die SVP teilte wutentbrannt in einem Communiqué mit, mit dem Staatssekretariat sei die verdeckte Anbindung an die Nato verbunden. Solche Einrichtungen hätten diplomatische Aufgaben und somit sei klar, dass die Verteidigung der Schweiz an fremde Militärbündnisse herangeführt werde.
Das VBS solle sich auf die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz konzentrieren, so die Kritik weiter.
Die Nato sei ein Militärbündnis unter der Führung von den USA und dies widerspreche der Schweizer Neutralität. Diesen Gegebenheiten habe sich das VBS und auch ihre Vorsteherin unterzuodnen, forderte die grösste Partei des Landes.
Schwierige Abgrenzungen
Klar ist bei alledem jedenfalls, dass die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz nicht mit noch mehr Beschaffungskonzepten, Strategie-Papieren oder diplomatischen Ämtern neben dem bestehenden Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten EDA verbessert wird.
Es zeigt sich ja schon beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco und bei den Russland-Sanktionen, dass die Verantwortungen immer hin- und hergeschoben werden.
Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF verdeutlicht, dass es diese Einrichtung überhaupt nicht braucht, wie auch muula.ch berichtete.
Ein unklarer Abstimmkampf zwischen Ministerien und Staatssekretariaten kommt nun auch auf die Verteidigung zu – nützen dürfte es im Krisenfall wenig.
Viele Schnittstellen
Amherd selbst wollte der Gegenwehr gleich Wind aus den Segeln nehmen und stapelte tief.
Noch nicht mal der Name sei festgelegt, sagte sie am Mittwoch relativierend vor der Presse. Das neue Staatssekretariat solle nicht zu einer Monsterbehörde werden, sondern Kräfte bündeln und koordinieren, betonte die Ministerin.
Dies dürfte nicht so einfach werden, weil auch die Cybersicherheit nunmehr vom Finanz- ins Verteidigungsministerium wandert und dort schon der Nachrichtendienst des Bundes, die Rüstung um Ruag & Co., die Verteidigung, der Bevölkerungsschutz und auch noch Sport sowie die Landestopographie angesiedelt sind.
Bleibt wichtigen Treffen fern
Wie ernst Amherd ihr Amt ausübt, zeigt sich aber regelmässig beim Sport.
Sie hielt es nämlich nicht einmal für nötig, etwa die Schweizer Fussballmannschaft zur Weltmeisterschaft in Katar anzufeuern. Auch bei den Olympischen Winterspielen in China glänzte sie durch Abwesenheit.
Für Reisen zur Münchner Sicherheitskonferenz oder zu einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sie selbstverständlich Zeit.
Policy für Offset-Geschäfte
Wie kompliziert die Koordination über viele Ministerien, Behörden und Ämter hinweg ist, zeigt sich aber an noch einem Papier des VBS.
Es ist die epische Ausarbeitung und Formalisierung zur Bestimmung von ausländischen Gegengeschäften beim Rüstungseinkauf der Schweiz.
Armasuisse hat eine ganze Policy in epischer Breite für solche Offset-Deals entwickelt, für etwas, das am Ende doch von der Politik entschieden wird, wie es die Schweiz braucht.
Mechanismus für Streitbeilegung
Doch in dem Dokument schoss das VBS von Amherd den eigentlichen Vogel ab, weil die Schweiz in der letzten und gültigen Version plötzlich einen Streitbeilegungsmechanismus mit ausländischen Firmen eingerichtet hat, der auch an anderer Stelle Auswirkungen haben dürfte.
So schafft das Verteidigungsdepartement mit all der Bürokratie von Amherd eben auch – bewusst oder unbewusst – Fakten für das EU-Dossier.
Wenn ich mal nicht weiter weiss, gründe ich einen Arbeitskreis, heisst es lapidar. Manchmal dürft es aber zu viel des Guten sein.
19.04.2023/kut.