Der Bundesrat möchte fast eine Million Menschen unter der Armutsgrenze mit einem neuen Konzept bekämpfen. Es ginge aber auch ganz anders.
Auch wenn es kaum jemand glauben mag, Armut ist in der reichen Schweiz eine Realität.
Fast zehn Prozent der ständigen Wohnbevölkerung beziehungsweise über 700.000 Menschen leben unter der Armutsgrenze – davon fast 100.000 minderjährige Kinder.
Leben unter Existenzminimum
Die Schweiz hat sich im Rahmen der Legislaturplanung 2023 bis 2027 vorgenommen, die Armut im Land zu reduzieren.
Nachdem die Armutsquote von 2014 bis 2017 gestiegen ist, stagniert sie seither auf einem Niveau zwischen 8 und 9 Prozent.
Als arm gelten dabei Personen, die in einem Haushalt leben, dessen Einkommen nicht ausreicht, um das soziale Existenzminimum zu sichern. Die Definition des sozialen Existenzminimums orientiert sich an den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe Skos.
Drei Bestandteile
Der Bundesrat verabschiedete kurz vor Weihnachten ein neues Konzept gegen das Problem.
Dazu gehörten die Nationale Plattform gegen Armut, das Nationale Armutsmonitoring und Partizipationsmöglichkeiten für Betroffene, teilte die Berner Administration zum Jahresende mit.
Jahrelanges Nichtstun
Doch wer sich die Massnahmen anschaut, sieht, dass die Schweiz dabei überhaupt nicht vom Fleck kommt.
Das Parlament hatte den Bundesrat bereits im Jahr 2020 beauftragt, ein Nationales Armutsmonitoring einzurichten. «Der erste Monitoringbericht soll Ende 2025 vorliegen», hiess es nun fast fünf Jahre später.
Auf Basis dieses Berichts soll dann bis Mitte 2027 eine nationale Strategie zur Reduktion von Armut erarbeitet werden.
Die Strategie solle unter anderem im Rahmen der Plattform gegen Armut umgesetzt werden.
Heimliche Verlängerung
Diese Plattform diene seit ihrer Gründung im Jahr 2014 dazu, innovative Ansätze in der Armutspolitik zu verbreiten und die Vernetzung unter den vielfältigen Akteuren zu fördern.
Seit einem Jahrzehnt diene sie der Armutsbekämpfung in der Schweiz, «indem sie bestehendes und neues Wissen gebündelt zur Verfügung stellt sowie geeignete und innovative Massnahmen identifiziert», hiess es im Gesamtbericht.
Die Laufzeit der Plattform war ursprünglich bis Ende Jahr beschränkt. Nun wird sie aber klammheimlich bis mindestens zum Jahr 2030 weitergeführt.
Newsletter essen?
Die Plattform «zeigt beispielsweise anhand von ‚Good Practices‘, wie sich erfolgversprechende Handlungsansätze in spezifischen Massnahmen konkretisieren lassen und welche Faktoren für eine gelingende Implementation entscheidend sind», lautet nach zehn Jahren das Fazit.
Zum anderen biete die Plattform den vielfältigen Akteuren Gelegenheiten zu Vernetzung, Austausch und kollektivem Lernen, hiess es weiter. Was der Nutzen davon mit Steuergeldern sein soll, sagen die Verantwortlichen allerdings nicht.
Alles riecht eher nach Beschäftigungstherapie. Nationale Fachtagung, regionale Workshops, Newsletter – all dies können Arme wohl kaum gebrauchen. Doch die Administration findet es toll.
Bildung und Ausbildung nötig
Wer sich die Ursachen von Armut in der Schweiz genauer ansieht, kann direkt ein Programm zur Bekämpfung von Armut für Bund, Kantone und Gemeinden entwickeln.
Dazu braucht es weder eine Plattform noch einen Haufen an Zusammenkünften.
«Besonders häufig von Armut betroffen sind Personen, die in Einelternhaushalten oder alleine leben, Personen ohne nachobligatorischen Bildungsabschluss, Personen in Haushalten mit geringer oder keiner Erwerbsbeteiligung sowie Ausländerinnen und Ausländer aus Drittstaaten (d.h. ausserhalb EU/EFTA)», steht im Bericht.
Wer also genau bei Bildung, Personenhaushalten von Alleinerziehenden und nicht-arbeitenden Ausländern aus Drittstaaten ansetzt, ist wahrscheinlich rasch am Ziel, in der Reichen Schweiz die Armut zu eliminieren.
30.12.204/kut.