
Nicht nur Banken oder Hedgefonds handeln mit Finanzoptionen. Auch Firmen, wie die SBB, spielen in dem Markt mit – nur nennen sie es anders.
Derzeit flattert ein neues Angebot von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB in viele Schweizer Haushalte.
«Pläne ändern sich. Das wissen wir», schreibt die Staatsbahn ganz kundenfreundlich.
50 Prozent an Rückerstattung
Deshalb gebe es neu das Sparbillett Flex, bei dem die Kunden vom gewohnten Sparvorteil profitieren, doch gleichzeitig die Möglichkeit haben, bis kurz vor Abfahrt zu stornieren.
«So bleiben Sie flexibel, wenn sich Ihre Pläne ändern», preisen die SBB das neue Angebot an, bei dem die Kunden im Stornofall immerhin 50 Prozent ihrer Kaufpreise zurückerhalten.
Fast 20 Prozent an Zuschlag
Klar räumen die SBB den Kunden dieses Recht zur Stornierung nicht kostenlos ein.
Wer in die App von den SBB blickt, sieht, dass diese Ticketvariante bei einer einfachen Fahrt von Zürich nach Genf in der 2. Klasse immerhin 4,20 Franken zusätzlich kostet, um die Hälfte des Fahrpreises von 32,20 Franken im Falle der Stornierung zurückzubekommen.
Der Normalpreis liegt bei 46,00 Franken.

Wer kein Halbtax hat, der zahlt 10,20 Franken beziehungsweise fast 20 Prozent zum Sparticket für die Flex-Variante hinzu, um bei Stornierung 50 Prozent von 57,60 Franken zurückzuerhalten.
Gebühren für Bearbeitung
Die Einlösung des Rücknahmeversprechens ist nachher allerdings – typisch für die beamtenhaften SBB – kompliziert. Kunden müssen nämlich noch ein Erstattungsformular ausfüllen.
Nur die obligatorischen 10 Franken an Bearbeitungsgebühr erlässt die Staatsbahn in dem Flex-Sparticket-Fall.
Wer einen Pullover in ein Ladengeschäft zurückgibt, muss auch keine Bearbeitungsgebühren zahlen. Doch da ticken die SBB offenbar anders.
Verkauf einer Option im Hintergrund
Nicht nur Banken oder Hedgefonds handeln also letztlich mit Optionen.
Auch ganz normale Unternehmen verkaufen längst ähnliche Rechte – nur nennen sie es wie bei den SBB anders.
Im Hintergrund verkaufen die SBB nichts anderes als ein Recht, nicht aber die Pflicht, dass Kunden innerhalb eines bestimmten Zeitraums die festgelegte Menge an Tickets zu einem im Voraus festgelegten Preis an die SBB wieder zu verkaufen, nämlich zu 50 Prozent des zuvor gekauften Sparpreises.
Im obigen Beispiel bekämen Halbtax-Kunden für 4,20 Franken eben 16,10 Franken zurück.
Ohne Halbtax liegt der Wert für 10,20 Franken an Optionsprämie bei 28,80 Franken an Rückzahlung.
Preissicherung als Derivat
Bei Fluggesellschaften wie Swiss oder Hotels wie Hilton, Hyatt, Marriott & Co. finden Kunden auch immer häufiger solche Rechte.
Flug- beziehungsweise Hotelgäste können den gefundenen Preis für ein Flugticket oder einen Hotelaufenthalt ein paar Tage sichern, ohne die Buchung abschliessen zu müssen.
Wenn Airlines oder Herbergen ihren Passagieren anbieten, einen Tarif gegen Gebühr umzubuchen, veräussern sie de facto auch Optionen. Der Kunde bezahlt eine Prämie dafür, in Zukunft entscheiden zu dürfen, ob er das Recht ausübt oder nicht.
Eine Reservierung mit flexibler Stornierung – das alles hat den Charakter eines Finanzderivats, und nichts anderes begeben nun die SBB.
Es landet dadurch mehr Geld in der Firmenkasse. Ohne diese Wahlmöglichkeiten gäbe es auch die Zusatzeinnahmen nicht.
Leerverkäufe bei Amazon
Ob Airlines oder eben die Schweizerischen Bundesbahnen: Sie alle kassieren Extra-Erträge, indem sie ihren Kunden gegen Gebühr gewisse Spielräume und Rechte auf künftige Leistungen verkaufen.
Selbst bei Onlinehändlern finden Kunden diese Logik. Plattformen wie Amazon oder Dropshipper nehmen Bestellungen entgegen, obwohl bestimmte Produkte zum Bestellzeitpunkt gar nicht in ihrem Besitz sind. Meist bezahlen die Kunden dennoch sofort.
Das Unternehmen verpflichtet sich also, künftig zu liefern, ohne die Ware aktuell zu besitzen – ökonomisch betrachtet, ist das ein Leerverkauf.
Amazon nutzt beispielsweise diese Zeitspanne bis zur Einlösung, um Waren günstiger zu beschaffen oder Gewinnmargen zu optimieren.
Nette Verpackung
Gemein ist all diesen Modellen, dass Firmen gewisse Risiken in planbare Erträge verwandeln, während Verbraucher zunehmend für Sicherheit und Entscheidungsfreiheit bezahlen müssen.
Ökonomisch betrachtet verwischen so die Grenzen zwischen Real- und Finanzwirtschaft.
Unternehmen, wie die Staatsfirma SBB, sind längst Optionshändler – nur dass ihre Derivate keine Börsenprodukte sind, sondern klug vermarktete Rechte im Alltag.
Und diese flattern derzeit in viele Schweizer Haushalte.
26.12.2025/kut.





