Schweizer Firmen stehen angesichts der Teuerung und Energiekrise vor bisher ungeahnten Herausforderungen. Für energieintensive Betriebe könnte es sogar das Aus bedeuten.
Das Interview von Peter Spuhler, dem Chef und Mehrheitseigentümer des Schienenfahrzeugherstellers Stadler Rail, hat am Wochenende doch Einiges an Aufmerksamkeit bekommen. Den wichtigsten Punkt hat aber kaum einer bemerkt.
«Meine private Holding hat in 14 Unternehmen investiert», sagte Spuhler gegenüber der «SonntagsZeitung».
«Ich habe immer Firmen gekauft, die angeschlagen waren», erklärte der Manager und einstige SVP-Nationalrat. So sei der Textilmaschinenbauer Rieter im Jahr 2008 vor dem Aus gestanden, als Spuhler eingestiegen war, hiess es.
Starke Auftragseinbrüche
Und dann kommt der Satz, der muula.ch besonders auffiel: «Die neueste Herausforderung ist jetzt Swiss Steel», sagte der Stadler-Rail-Chef.
Gewiss, in der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie sei der Auftragseingang im dritten Quartal um 21 Prozent eingebrochen, erklärte er. Es sei bloss noch eine Frage der Zeit, wann da Schweizer Firmen generell unter Druck kämen.
Die Schweiz könnte aber einen Vorteil haben, falls die Schweizerische Nationalbank keine riesigen Zinssprünge mehr mache und die Produktionskosten im europäischen Umfeld stärker stiegen, so der 63-Jährige.
Weniger Menge gefragt
Doch bei energieintensiven Unternehmen, wie eben Swiss Steel, stehen alle Alarmleuchten offenbar auf Rot. Wie sieht es dort derzeit aus? Die Geschäftszahlen zum dritten Quartal sprechen Bände und untermauern, was Spuhler sagte.
Die Absatzmenge sank in drei Monaten bereits um rund 11 Prozent auf 364 Kilotonnen. Der Auftragsbestand ging allerdings bei dem Luzerner Stahlkonzern um unglaubliche 38 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal auf 447 Kilotonnen zurück. Das verheisst also nichts Gutes.
Aus Plus wird Mega-Minus
Zwar erhöhte sich der Umsatz um fast ein Viertel auf fast eine Milliarde Euro. Da konnten Preiserhöhungen bei der Kundschaft wohl durchgesetzt werden.
Jedoch brach das Konzernergebnis wegen höherer Rohstoff- und Energiepreise auf einen Quartalsverlust von 37 Millionen Euro ein. Im dritten Quartal des Vorjahres stand an dieser Stelle noch ein Gewinn von 3,6 Millionen Euro.
Im zweiten Quartal 2022 war zudem noch ein Konzerngewinn von fast 50 Millionen Euro angefallen. Es ging also rasant in den Keller.
Hohe Verschuldung
Die Eigenkapitalquote von Swiss Steel liegt allerdings lediglich um die 20 Prozent. Das Eigenkapital ist derzeit bei rund 575 Millionen Euro. Das Gearing, also der Verschuldungsgrad des Unternehmens, kommt aktuell auf 160 Prozent.
Die Nettoverschuldung ist fast auf der Höhe von 1 Milliarde Euro. Die Situation könnte also durchaus besser sein.
Trübe Aussichten
Die Unsicherheiten um die Preisentwicklungen und Lieferungen bei Energie sowie eine mögliche Konjunkturabschwächung dürften zu einer weiterhin gedämpften Nachfrage und einem damit verbundenen Margenrückgang führen, hiess es von Swiss Steel zum Ausblick.
Schienenfahrzeughersteller Stadler Rail aus Bussnang (TG) dürfte wahrscheinlich selbst ein Interesse daran haben, einen führenden Anbieter von Speziellangstahl in der Nähe zu haben.
Offenbar bedarf es aber nun einer Rettungsaktion. Spuhlers Aussage klingt jedenfalls so, als würde er schon Geld für die Luzerner Stahlkocher zusammentrommeln.
Die Aktien des Stahlunternehmens, das rund 10.000 Mitarbeiter in über 30 Ländern beschäftigt, haben in diesem Jahr bereits rund 30 Prozent an Wert verloren und liegen derzeit noch bei 24 Rappen je Titel.
Von Krise zu Krise
Dem Umrechnungsproblem zum starken Schweizerfranken entgeht der Stahlhersteller, indem er seine Zahlen in Euro rapportiert.
«Seit 2010 sind wir praktisch immer im Krisenmodus», führte Unternehmer Spuhler weiter zur Situation insgesamt aus. Nach EU-Schulden- und Währungskrisen ging es praktisch fliessend in die Coronavirus-Pandemie über, sagte er.
Nun sei sogar ein neues Phänomen vorhanden – es gebe nämlich gleich ein halbes Dutzend Herausforderungen «aufs Mal», hiess es.
«Das macht das Ganze sehr komplex», betonte er gegenüber der «SonntagsZeitung» und da haben Journalisten wohl auch nicht immer alles im Blick.
28.11.2022/kut.