Inmitten geopolitischer Dynamiken sehen sich Unternehmen gezwungen, ihre Strategien in China zu überdenken. Schweizer sind da auch dabei.
Der einstige Wirtschaftsboom in China zog westliche Unternehmen magisch an, lockte Investitionen und versprach enorme Gewinne. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden.
Ständiger Abfluss an Geld
Immer mehr Unternehmen, die einst den chinesischen Markt als finanziellen Spielplatz ansahen, ziehen ihre Gewinne zurück und setzen vermehrt auf Heimatinvestitionen.
Dies ging aus einer Aufstellung im «Wall Street Journal» in dieser Woche hervor. Auf Basis einer Auswertung von Macrobond zeigt sich, dass ausländische Firmen in China seit einigen Quartalen ihre Gewinne nicht mehr in China reinvestieren, sondern an die Konzernzentralen zurückführen.
Der Trend geht zu Beginn 2022 los und hält bis heute an.
Industriekonzern Oerlikon dabei
Zuvor haben ausländische Unternehmen in manchen Quartalen bis zu 75 Milliarden Dollar im Reich der Mitte erwirtschaftet und wieder in ihre China-Geschäfte gesteckt. Die vergangenen sechs Quartale flossen rund 160 Milliarden Dollar von ausländischen Firmen aus China ab.
Als ein Beispiel wird der Oerlikon-Konzern genannt, der im Februar 250 Millionen Franken aus China abzog.
Eine Firmensprecherin versuchte die Aktion gegenüber dem Blatt herunterzuspielen und erklärte, dass der Schweizer Industriekonzern regelmässig innerhalb der grösseren Märkte seine Bargeldbestände hin- und herbewegen würde.
Ausnutzen der Zinsdifferenz
Die chinesische Währung hat im September jedenfalls schon mal ihren Tiefstpunkt zum Dollar seit einer Dekade erreicht und tendiert dieses Jahr bereits 5,7 Prozent tiefer zur US-Währung.
Als eine weitere Ursache für das Verhalten gaben westliche Unternehmenschefs an, dass es mehr Rendite bringt, das Geld in der westlichen Welt anzulegen, als in China zu parken.
Durch den Kampf der Zentralbanken in den USA und Europa gegen die Inflation stiegen dort die Leitzinsen. In China gingen sie dagegen nach unten, um dem strauchelnden Immobilienmarkt des Landes zu helfen.
Chinesische Anleihen stehen seit mehreren Quartalen nur auf der Verkaufsliste von Auslandsinvestoren, wie die Grafik eindrücklich zeigt.
Das Geld werde aber auch für Firmenkäufe auf der anderen Seite der Welt gebraucht, hiess es.
Abbau der China-Risiken
Natürlich kommen auch die geopolitischen Spannungen zwischen China und dem Rest der Welt sowie das langsame Abschwächen der chinesischen Konjunktur hinzu. Westliche Firmen adaptieren diese Entwicklungen und ziehen daher Gelder ab.
Ein weiterer Punkt, und dies sprach Peter Kinsella vom Bankhaus Union Bancaire Privé UBP im «WSJ» an, ist der Umstand, dass Firmen begännen, ihre Risiken in China abzubauen.
All dies deckt sich mit zwei anderen Einschätzungen.
Einerseits hatte die Handelskammer der EU in China bereits Mitte dieses Jahres davor gewarnt, dass sich die chinesische Volkswirtschaft abschwächen werde und daher viele Auslandsinvestitionen heruntergefahren würden.
Und andererseits sagte der Investmentchef vom Asset Manager Amundi, dass sie im Milliardenportfolio einige Anteile von China zugunsten von den USA umschichten würden, wie auch muula.ch berichtete.
China reagiert
Die Umkehr des Geldflusses aus China hin zu vermehrten Investitionen im Heimatland ist nicht nur eine Reaktion auf die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage.
Es ist vielmehr eine strategische Anpassung an die sich verändernden Erwartungen der Gesellschaft und ein Beweis dafür, dass Unternehmen sich aktiv am Wirtschaftsgeschehen ausrichten.
China hat den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden.
Nach rund sechs Jahren an Wirtschaftskrieg mit Australien, der politische Unstimmigkeiten als Ursachen hatte, begrub China mit Downunder vergangene Woche urplötzlich sein Kriegsbeil, wie etwa der «Economist» und praktisch alle australischen Zeitungen freudig berichteten.
Milliarden an Gegengeschäfte
Australische Bodenschätze sowie seltene Erden, australischer Wein, australischer Fisch, australisches Fleisch und australisches Getreide können wieder ins Reich der Mitte gelangen.
Und die Chinesen können wieder nach Australien reisen und auch in Sydney, Melbourne, Adelaide & Co. studieren – nur schon die Erteilung der ganzen Visa und die Studiengebühren sind Milliardengeschäfte für Downunder.
So fliessen Milliarden wieder nach Australien und alles wird Win-Win für beide Seiten.
Bleibt für die Schweizer Firmen zu hoffen, dass sich die Verantwortlichen hierzulande ebenfalls – zumindest behutsam – bewegen.
12.11.2023/kut.