An Nespresso zeigt der Nahrungsmittelriese Nestlé, in welch schlechter Verfassung er doch ist. Selbst Preiserhöhungen gehen nach hinten los.
Der Schweizer Nahrungsmittelriese weist seit einiger Zeit das Kaffeebusiness Nespresso separat aus und dadurch wird für Externe eine erstaunliche Entwicklung sichtbar.
Boom durch Wachstum
Die Rede ist vom Wechselspiel zwischen Preiserhöhungen und Nachfragerückgängen, wie Wirtschaftsstudenten quasi schon im ersten Semester kennenlernen.
Ein Blick in die Halbjahresergebnisse des Nestlé-Konzerns zeigt nämlich, dass das organische Wachstum im ersten Halbjahr 2021 stolze 14,6 Prozent gegenüber dem Vorjahressemester betrug.
Zur Hochzeit der Coronavirus-Pandemie tranken die Menschen in ihren eigenen vier Wänden offenbar viel Nespresso-Kapsel-Kaffee.
Rund 26 Prozent an Marge
Die Preiserhöhungen lagen im gleichen Zeitraum nur bei 0,8 Prozent.
Ein kleiner Aufschlag, den die Menschen nicht weiter übelnahmen, denn der Umsatz legte nur mit Nespresso innerhalb von sechs Monaten um fast 400 Millionen Franken beziehungsweise um 14,3 Prozent auf 3,2 Milliarden zu.
Die operative Gewinnmarge gab der Nahrungsmittelkonzern aus Vevey damals mit 26 Prozent an. Nespresso war das profitabelste Produkt des Konzerns.
Rückgang nach Preisaufschlägen
Ein Jahr später gab Nestlé im Semesterbericht 2022 an, die Preise im Segment Nespresso um 4,2 Prozent erhöht zu haben.
Das organische Wachstum sank allerdings von zweistelligen Zahlen auf nur noch 2,6 Prozent.
Der Umsatz erhöhte sich trotz satter Preisaufschläge nur um 1,0 Prozent auf 3,2 Milliarden Franken. Und die operative Gewinnmarge sank um 1,7 Prozentpunkte auf noch 24,3 Prozent.
Gewinn sinkt und sinkt
Im ersten Halbjahr 2023 wies Nestlé die Preiserhöhungen mit 3,7 Prozent aus. Es ging also nochmals kräftig nach oben.
Klar, die Inflation war nach der Coronavirus-Pandemie vielerorts in die Höhe gegangen und da wollte der Nahrungsmittelkonzern auch an der Preisschraube drehen.
Der Umsatz ging in den ersten sechs Monaten 2023 aber um 2 Prozent auf 3,1 Milliarden Franken in die Knie und die Betriebsgewinnmarge sank trotz der Preisaufschläge um weitere 2,6 Prozentpunkte auf 21,7 Prozent.
Investitionen in Werbung
Für die ersten sechs Monate 2024 gab das für Kit Kat, Nesquik & Co. bekannte Unternehmen an, die Preise für Nespresso nur noch moderat um 0,7 Prozent erhöht zu haben.
Insgesamt sackte der Umsatz für den Kaffee-Bereich aber um weitere um 1 Prozent auf nur noch 3,09 Milliarden Franken ab. Die operative Ergebnismarge sank abermals um 20 Basispunkte auf 21,5 Prozent.
Der Gewinn sei aufgrund von höheren Investitionen in Werbung und Marketing zur Unterstützung des künftigen Wachstums zurückgegangen, erklärte Nestlé vor ein paar Tagen.
Gang zur Konkurrenz
Zusammenfassend kann man also sagen, dass der Schweizer Nahrungsmittelriese allein binnen weniger Halbjahre die Nespresso-Preise um die zehn Prozent erhöhte, dabei aber 100 Millionen Franken an Umsatz sowie fast 5 Prozentpunkte an Gewinnmarge verlor.
Mit viel Marketing-Aufwand versucht der Traditionskonzern nun, die Kundschaft wieder zurückzuholen.
Doch wer einmal alternative Kapseln für gut befunden hat, dürfte kaum zu Nespresso zurückkehren.
Mit seinen Preiserhöhungen hat der Nestlé-Konzern die Konsumenten quasi direkt in die Arme der Konkurrenz getrieben. Die schönen Wachstumszahlen von 2021 sind also vorbei.
Wachstum durch Innovationen
«Das Wachstum wurde vom Vertuo-System angetrieben, mit anhaltend breit abgestützter Umsatzdynamik», stand im jüngsten Communiqué. Die Einführung neuer Produkte, einschliesslich der Ausbreitung von kompostierbaren Kapseln in sieben europäischen Märkten, habe das Wachstum unterstützt, hiess es weiter.
Genauso verhielt es sich über die vergangenen Jahre.
In den Medienmitteilungen ist von der neu eingeführten Momento, einer berührungslosen Maschine, die Rede, die Kaffeespezialitäten mit frischer Milch für Ausser-Haus-Kanäle in schon 44 Ländern zubereite.
Schlafen Präsident und CEO?
Bei der Wachstumsdynamik geht es also um Innovation. Diese reichen bis hin zu erfolgreichen Sommerkollektionen.
Das Nestlé-Management um Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke und CEO Mark Schneider scheint diese Zusammenhänge jedoch nicht zu erkennen.
Wirtschaftsstudenten lernen bekanntlich im ersten Semester, dass normalerweise bei Preiserhöhungen die Nachfrage nach einem Gut zurückgeht.
Viel Aufwand für nichts
Drehen Firmen zu stark an der Preisschraube, müssen sie dann mit teurer Überzeugungsarbeit versuchen, die verlorenen Kunden wieder zurückzugewinnen. Dies lässt aber die Gewinnmargen schmelzen.
All dies kann man eindrücklich in der Segmentberichterstattung von Nestlé ablesen, seit der Schweizer Konzern die Sparte Nespresso separat ausweist.
30.07.2024/kut.