
Der Zementkonzern Holcim will sich aufspalten. Bleibt beim aktuellen Trennungsprozess die gute Unternehmensführung auf der Strecke?
Der Schweizer Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung von Unternehmen, also der Corporate Governance, wird vielerorts grosse Beachtung geschenkt.
Festlegen der getrennten Wege
Ein Aspekt dabei sind Interessenkonflikte, denn jedes Mitglied von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung hat seine persönlichen und geschäftlichen Verhältnisse so zu ordnen, dass Interessenkonflikte mit der Gesellschaft möglichst vermieden werden.
Nun spaltet sich der Baustoffkonzern Holcim in zwei Teile auf und die Frage ist, ob es dort nicht Interessenkonflikte gibt.
Europa, Asien und Lateinamerika gehen separate Wege, der Nordamerika-Teil soll abgespalten und als separate Einheit an die Börse gebracht werden, wie muula.ch berichtete.
Boxen mit sich selbst?
Doch wie soll dies ohne Interessenkonflikte vor sich gehen, wenn im Gesamtkonzern Jan Jenisch der Verwaltungsratspräsident (VRP) ist und quasi die Oberaufsicht über alles hat?
Gleichzeitig ist der Manager aber auch CEO und Verwaltungsratspräsident des neuen Geschäftsteils Amrize, der vom Mutterhaus eine möglichst gute Mitgift erhalten soll.
Am Freitag stellte Holcim den Weg des Stammhauses ohne Nordamerika-Geschäft vor. Da ist Jenisch als VRP allerdings vollverantwortlich.
Und für den abgespalteten Geschäftsteil muss er aber auch alles tun, damit das Beste für den Spin-Off herausgeholt wird.
Bildlich gesprochen, boxt er da gegen sich selbst.
Feilschen um Bedingungen
Das Problem lässt sich noch an einem anderen Punkt klarmachen. Was, wenn der alte Holcim-Konzern künftig findet, dass die USA ein attraktiver Markt seien?
Dürfen sie dort Geschäfte machen, wenn beide Unternehmensteile als Konkurrenten auftreten?
Und was, wenn die Amerikaner plötzlich Gefallen etwa an den hochmargigen Märkten Lateinamerikas finden, die eigentlich zum Stammhaus gehören?
Was, wenn nicht Regionen, sondern Produkte als Kriterium herangezogen werden? Möchte beispielsweise ein US-Kunde ein Holcim-Produkt aus Europa auch in den USA verwenden, kommen sich beide Unternehmen in die Quere.
Beim Feilschen um die Trennungskonditionen gibt es jedenfalls Zielkonflikte, die es fair zu lösen gilt.
Wohl der Gesellschaft im Fokus
Als CEO und VRP des separaten Nordamerika-Geschäfts hat Jenisch aber einen Anreiz, möglichst gute Bedingungen für die Zukunft von Amrize herauszuschlagen und sein Mutterhaus zu bremsen.
Doch dort ist er ja auch Verwaltungsratspräsident und muss für das Wohl der Gesellschaft sorgen.
Nach amerikanischem Recht muss das Management zudem die Interessen der Eigentümer schützen.
Doch Amrize soll auch in der Schweiz kotiert werden und dann steht der Schutz der Aktiengesellschaft wieder im Vordergrund.
Beide Ämter unter einem Hut
«Der Verwaltungsrat und jedes Mitglied von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sorgen dafür, dass Interessenkonflikte die unabhängige Wahrung der Gesellschaftsinteressen nicht gefährden», heisst es im Schweizer Codex zur Corporate Governance.
Wie dies zu 100 Prozent bei Holcim umgesetzt wird, darf man derzeit durchaus als Frage in den Raum stellen.
Bis zur Generalversammlung, welche die Abspaltung beschliessen muss, hat Jenisch beide Hüte auf und ist gleichzeitig verantwortlich.
Ab dann soll es einen neuen Verwaltungsratspräsidenten bei Holcim geben und Jenisch den Spin-Off führen.
Bis dahin gibt es wohl noch die eine oder andere Situation, beide Interessen konfliktfrei unter einen Hut bringen zu müssen.
31.03.2025/kut.