Der Skandal um die deutsche Wirecard, wo Treuhänder von EY jahrelang geschlampt haben, zeigt, wie gering die Haftung von Wirtschaftsprüfern ist. Das sollte sich dringend ändern.
Die Skandale bei Wirtschaftsprüfungsunternehmen reissen nicht ab und zeigen, wie wenig die Testate von Jahresabschlüssen doch wert sind.
Einerseits sind die Prüfsiegel bereits extrem abgeschwächt und man muss schon sehr genau lesen, was überhaupt geprüft wurde.
Andererseits, wenn die Testate dann erteilt und völlig falsch sind, haften die Prüfer kaum.
Nur ein paar Millionen
So «freute» sich die deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY schon während der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals, bei dem Milliardenumsätze in dem Dax-Konzern vollkommen erfunden und Jahresabschlüsse dennoch testiert worden waren, dass die Wirtschaftsprüfer allenfalls nur bis maximal rund vier Millionen Euro haften würden.
Die deutsche Abschlussprüferaufsicht Apas sanktionierte nun am heutigen Montag den Treuhänder EY und einzelne Wirtschaftsprüfer im Wirecard-Skandal.
Bei der Prüfung der Abschlüsse des bankrotten Zahlungsdienstleisters seien in den Jahren 2016 bis 2018 die Berufspflichten klar verletzt worden, hiess es.
Investoren verloren fast alles
EY kommt mit einer Busse von 500.000 Euro davon und darf zwei Jahre lang keine Neukunden aufnehmen.
Fünf schuldige Wirtschaftsprüfer sollen zudem Geldstrafen zwischen 23.000 Euro und 300.000 Euro zahlen. Die meisten haben ihre Lizenzen ohnehin schon zurückgegeben.
Die Strafgelder sind natürlich gering, wenn man bedenkt, wie viel Geld die Investoren durch die von EY mitverursachte Pleite verloren haben.
Lehman, Enron & Co.
Ernst & Young war auch schon bei der Lehman-Brothers-Pleite während der jüngsten Finanzkrise unter Druck gewesen.
Die Wirtschaftsprüfer waren damals nicht in der Lage gewesen, die finanziellen Unregelmässigkeiten des Geldinstituts aufzudecken.
In der Vergangenheit gab es aber noch andere gigantische Skandale, welche die Integrität und Unabhängigkeit von Wirtschaftsprüfern infrage gestellt hatten.
Einer der bekanntesten Skandale war Enron.
Dokumente vernichtet
Im Jahr 2001 kam es zum Zusammenbruch des Energiekonzerns Enron, der zu diesem Zeitpunkt von Arthur Andersen, einem der grössten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen der Welt, geprüft worden war.
Es stellte sich heraus, dass Arthur Andersen Dokumente vernichtet hatte, die Enrons finanzielle Unregelmässigkeiten aufdeckten, was zur Auflösung des Unternehmens führte.
Aufblähen von Gewinnen
Im Jahr 2002 wurde bekannt, dass WorldCom, ein Telekommunikationsunternehmen, das ebenfalls von Arthur Andersen geprüft wurde, Bilanzbetrug begangen hatte.
Das Unternehmen hatte seine Gewinne künstlich aufgebläht, um den Aktienkurs zu steigern. Der Skandal führte zum Zusammenbruch von WorldCom und zur Verurteilung mehrerer Manager.
Die Wirtschaftsprüfer sind aber dadurch nicht aus der Welt verschwunden, auch wenn es Arthur Andersen nicht mehr gibt.
Die US-Aufsichtsbehörde PCAOB hat unlängst wieder krasse Missstände aufgedeckt, über die auch muula.ch berichtete.
Kaum existenzielle Folgen
In der Schweiz ist die Haftung der Treuhänder ebenfalls vergleichsweise gering, wie Recherchen von muula.ch ergaben.
Zwar gibt es rechtlich gesehen keine betragsmässige Haftungsbegrenzung, wie das Obligationenrecht OR gemäss Artikel 755 und 759 regelt. Faktisch gelten aber Haftungslimite im Umfang des jeweiligen Eigenkapitals beziehungsweise allfälliger Versicherungsdeckungen.
Dies reduziert den Aussagegehalt der Testate, weil im schlimmsten Fall, also etwa bei vorsätzlichem Betrug, oftmals keine existenziellen Folgen für die Verantwortlichen zu befürchten sind.
03.04.2023/kut./08.2023/Korrektur der Haftungsfragen in der Schweiz am Ende des Artikels nach Hinweisen der Eidg. Revisionsaufsichtsbehörde RAB