Künstliche Intelligenz bietet zwar gigantische Möglichkeiten. Doch bei Bewerbungen und Personalabteilungen klappt KI mehr schlecht als recht.
Der Swiss-Re-Konzern bedankte sich höflich bei dem Kandidaten für das interessante Vorstellungsgespräch.
Leider habe sich der Schweizer Rückversicherer bei der Stellenbesetzung aber für eine andere Person entschieden, hiess es in einer E-Mail, welche der Redaktion von muula.ch vorliegt.
Zentralbank mit Problemen
Das Problem war allerdings, dass es gar kein Vorstellungsgespräch gab. Offenbar hat die Personalabteilung der Swiss Re in dem Fall versagt.
Auch die Schweizerische Nationalbank SNB sagte einer Bewerberin freundlich ab, wie das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch erfuhr.
Als sich die Frau telefonisch bei der Fachvorgesetzten nach den Gründen für den Entscheid erkundigte, wusste die gar nichts von der Absage und schwärmte noch von den Bewerbungsunterlagen.
Doch die Personalabteilung der SNB hatte die Bewerbungsunterlagen der Frau einfach aussortiert.
Flut von Bewerbungen
Ob nun menschliches Versagen oder der Einsatz von Maschinen zu den Fehlern bei den exemplarischen Fällen geführt haben, sei einmal dahingestellt.
Viele Firmen oder Behörden versuchen jedoch, den Bewerbungsprozess durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz KI (Artificial Intelligence / AI) zu optimieren.
Dies mag einerseits daran liegen, dass Unternehmen und Behörden mit Bewerbungen regelrecht geflutet werden.
Das «Wall Street Journal» berichtete unlängst davon, dass sich fast tausend Personen auf eine einzige offene Stelle bewerben würden.
Ein-Klick-Bewerbungen
Dabei spielten Netzwerkportale um LinkedIn, Xing & Co. eine Rolle, bei denen sich Direktbewerbungen mit wenigen Klicks generieren lassen und Personalverantwortliche überschütten.
Andererseits macht aber auch die Digitalisierung bei der Personalabteilung keinen Halt, weil mehr Objektivität in die Auswahl von Bewerbern fliessen und nicht ein schönes Porträtfoto beeinflussen soll.
Textbausteine überspringen
Software, sogenannte Application Tracking Systems ATS, findet Einzug ins HR und soll den Bewerbungsprozess mittels KI strukturieren sowie automatisieren.
Dabei lesen Maschinen die Bewerbungsunterlagen und schlagen Personalverantwortlichen aus der Masse geeignete Kandidaten vor.
Das Problem ist dabei allerdings häufig, dass Lebensläufe, die Rahmen um Textbausteine enthalten oder in einem besonders schönen Format eingeschickt werden, laut Internetportalen gar nicht ausgelesen werden können.
Die Maschinen sortieren gute Kandidaten nicht selten aus, weil notwendige Qualifikationen aus den Schriftstücken nicht erkannt werden.
Suche von Schlagworten
Das Lesen von Text in Boxen oder exotische Schriftfonts ist technisch zudem noch unausgereift.
Die Maschinen suchen die Motivationsschreiben und Bewerbungsunterlagen ohnehin nur nach Schlagworten ab und machen der Personalabteilung daraus Vorschläge.
Letztlich scheinen die Verfahren noch unausgereift. Und ex-post kann keine Firma schauen, ob die Wahl eines anderen Kandidaten beziehungsweise einer anderen Kandidatin besser gewesen wäre.
Dutzende Briefe in Sekunden
Doch nicht nur die Unternehmen rüsten mit ATS auf. Auch die Bewerber nutzen mittlerweile KI.
Wer vor Jahren noch stundenlang vor einem weissen Papier sass und sich Gedanken um ein gutes Motivationsschreiben machte, nutzt heutzutage die Sprach-KI um ChatGPT und generiert binnen Sekunden in allen Sprachen der Welt passable Bewerbungsunterlagen.
Roboter schreiben für Roboter
Dabei ist klar, dass Kandidaten mit der KI sowohl das Anschreiben als auch den Lebenslauf mit Signalwörtern aus dem Stelleninserat anreichern, damit der Roboter in der Personalabteilung die Bewerbung auch ja nicht aussortiert.
Bewerber berichten, dass sie auf diese Weise gleich dutzende von Firmen an einem einzigen Tag «beglücken» würden.
Die Roboter schreiben und die Roboter lesen quasi ihre Sachen selbst.
Kein Wunder also, dass die Menschen dabei unzufrieden sind.
Zehn Lebensläufe auswählen
Ob mit oder ohne Computer kann das Bewerbungsverfahren schiefgehen, wie neben dem Rückversicherer Swiss Re und der Nationalbank ein weiterer Fall vom Pharmakonzern Novartis zeigt, den man sich in Basel erzählt.
Dort soll eine Personalverantwortliche die Fachabteilung gefragt haben, wen sie von den 200 Kandidaten zum Vorstellungsgespräch einladen solle.
«Nehmen sie einfach zehn von dem Stapel», soll der Chef der Fachabteilung zu der HR-Frau gesagt haben.
«Wer kein Glück hat, den brauchen wir hier nicht», erklärte der Novartis-Manager der offenbar verdutzt schauenden Personalverantwortlichen seine Vorgehensweise.
Arbeit mit Wahrscheinlichkeiten
Mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist für Bewerber und für Unternehmen die Suche nach einem neuen Arbeitgeber beziehungsweise nach neuem Personal quasi zum Glücksspiel geworden.
Und KI hat ja auch viel mit Wahrscheinlichkeiten zu tun.
Und viele Firmen setzen derzeit wieder vermehrt ganz menschlich auf die Empfehlung von Kandidaten durch ihre bestehenden Mitarbeiter.
02.06.2024/kut.