Die neue Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat eine Untersuchung im Finanzdepartement in Auftrag gegeben. Die Resultate stellen ihren Amtsvorgänger in schlechtes Licht.
Gleich nach ihrem Amtsantritt im Eidgenössischen Finanzdepartement EFD ist die neue Finanzministerin Karin Keller-Sutter mit zahlreichen Probleme konfrontiert.
So fielen nicht nur die Herausforderungen mit der Krisenbank Credit Suisse in ihren Zuständigkeitsbereich, sondern auch die Spionageaffäre um die Crypto AG mit manipulierten Chiffriergeräten sowie die mögliche Amtsgeheimnisverletzung aus dem Umkreis von Bundesrat Alain Berset.
Crypto-Affäre als Anfang
Am 3. Februar 2023 erteilte daher die Vorsteherin des EFD dem Rechtsdienst ihres Departements den Auftrag, im Rahmen einer formlosen Untersuchung die Praxis der Informationsherausgabe durch das Bundesamt für Informatik (BIT), das in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, in Strafverfahren zu untersuchen.
Wenige Tage zuvor hatte der Rechtsdienst nämlich die Informationen von BIT erhalten, dass das BIT im September / Dezember 2021 die Verfügungen des ausserordentlichen Staatsanwalts Peter Marti im Zusammenhang mit der Crypto-Spionageaffäre erhalten habe.
Ganze Mailbox als Problem
Gemäss dem damals praktizierten Standardprozess des BIT wurden ihm die gesamte Mailbox, also ohne Eingrenzung auf den Zeitraum der Verfügung vom 7. Oktober bis 15. November 2020, sowie die übrigen verlangten Daten übergeben.
Das BIT gab gemäss damaliger Praxis in der Regel die gesamte Mailbox heraus, weil es gemäss seiner damaligen Rechtsauffassung keine forensischen Untersuchungen der Mailbox-Inhalte durchführen wollte.
Es ist nach Auffassung des BIT die Aufgabe der Forensikexperten der jeweiligen Strafverfolgungsbehörden, die Mailboxen zu durchsuchen.
Aufgrund dieser Informationen und wegen Presseberichten stellte sich die Frage, ob das BTI im Allgemeinen und im Fall Verfügung des Staatsanwaltes Marti die Mailbox von Bersets Assistenten Peter Lauener rechtmässig gehandelt hat.
Viele schwarze Stellen
Nun sieht der Bericht von Keller-Sutters Deparement, der am heutigen Montag überraschend publiziert worden war, fast so aus, wie die Verträge der Schweiz mit den Herstellern von Coronavirus-Impfstoffen, die an zahlreichen Stellen geschwärzt und danach der Öffentlichkeit völlig sinnenstellend präsentiert worden waren.
Beim EFD hiess es zu den Schwärzungen im Untersuchungsbericht, dass dort Aussagen vorhanden seien, die Rückschlüsse auf nichtöffentliche Dokumente in Strafverfahren zuliessen und daher unkenntlich gemacht worden seien.
Zahlreiche Misstände
Doch spannend sind auch die Passagen, die fast wie eine Rache an Bundesrat Ueli Maurer aussehen, dem ausgeschiedenen Finanzminister.
Das BIT gibt in der Untersuchung nämlich an, wie muula.ch herausfand, dass es bis anhin aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes, des hohen Ressourcenaufwands, der Fehleranfälligkeit, sowie des Fakts, dass die Mitarbeitenden des BIT nicht in forensischer Analyse von Mailbox-Inhalten ausgebildet seien, immer vollständige Mailboxen auf Pst-Files exportiert und an die Strafverfolgungsbehörden gegeben.
Bei der Durchsicht der Unterlagen und Korrespondenz fällt laut dem Report zudem auf, dass eine Prüfung des BIT, ob der Herausgabe überwiegende Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen könnten, nicht dokumentiert ist.
All dies überrascht.
Falsche Argumentation
Das BIT begründete die Herausgabe der gesamten Mailboxen sogar damit, dass für eine Aussonderung der E-Mails des gewünschten Zeitraumes Einblick in die Mailbox hätte genommen werden müssen. Dazu sei das Bundesamt aber nicht befugt. Die Keller-Sutter-Beamten stellten nun aber fest, dass diese Argumentation nicht stimmt.
Indem das BIT die gesamte Mailbox von Lauener herausgegeben hat, hat es Sonderstaatsanwalt Marti deutlich mehr Informationen geliefert, als von diesem verlangt wurden. Eine Aussonderung der verlangten Elemente wäre aber technisch möglich und rechtlich zulässig gewesen.
Die Herausgabe der gesamten Mailbox ohne entsprechende Verfügung verstiess gegen die Regeln des Datenschutzgesetzes und verletzte damit die Persönlichkeitsrechte von Lauener sowie allenfalls von Drittpersonen, also etwa den Mailempfängern, deren Daten sich in den zusätzlich herausgegebenen Mails befanden.
Die strafrechtliche Verwendung von solchem Material steht also in den Sternen.
Korrektur der Prozesse
Der Bericht empfiehlt nunmehr zur Sicherstellung einer rechtmässigen Praxis der Datenherausgabe, die Herausgabeprozesse im nachfolgenden Sinne anzupassen und etwa die Herausgabe auf die in der Verfügung der Strafverfolgungsbehörden verlangten Daten zu beschränken.
Bestehen Anhaltspunkte, dass sich in den angeforderten Dokumenten oder Dateien Informationen finden, an denen besondere Geheimhaltungsinteressen bestehen, ist zu prüfen, ob ausnahmsweise die Siegelung zu verlangen ist.
Wie bekannt ist, liess Lauener seine Informationen später siegeln. Aber da war der Umstand bereits durchgesickert, dass Lauener regelmässig Informationen zu Corona-Massnahmen des Bundesrates direkt an Marc Walder, dem CEO von Ringier, gegeben hatte. Die Angaben sind dann in den «Blick» gekommen.
Im Sinne der Qualitätssicherung sei nunmehr im EFD auch vor der Herausgabe ein Vieraugenprinzip vorzusehen. Offenbar gab es nicht einmal dies.
Report ganz öffentlich
Die Rache Keller-Sutters ist nun nicht nur, dass sie viele Missstände in Maurers Ministerium in einer jahrelangen falschen Praxis dokumentierte.
Die Rache ist auch, dass sie den Report publizierte. Dies überrascht auch.
Es seien zwar Zugangsgesuche mehrerer Medienschaffender nach dem Öffentlichkeitsgesetz gutgeheissen worden, hiess es im Communiqué. Doch statt nur den Antragstellern diesen Report zu geben, publizierte das EFD gleich eine Medienmitteilung dazu.
Es versteht sich dabei von selbst, dass die Ergebnisse des Reports schon vor rund drei Wochen den Medien zugespielt wurden.
Mit Signalwort versehen
Und damit die Aufmerksamkeit für den Bericht in der Öffentlichkeit auch ja steigt, fügte das Keller-Sutter-Departement in der Medienmitteilung den Zusatz «Publikationshinweis» dazu, wohl wissend, dass dieser harmlos klingende Hinweis mittlerweile bei der Presse die Alarmglocken schrillen lässt.
Die Bundesadministration verwendet den Begriff nämlich nur, wenn sie etwas vor der Öffentlichkeit verheimlichen will. Doch in so mancher Redaktion schaut man da nun genauer hin.
08.05.2023/kut.