Die Schweizerisch-Amerikanische Handelskammer hat einen neuen Chef gewählt. Viele werden überrascht, wenn nicht sogar geschockt sein.
Das Board of Directors der Swiss-American Chamber of Commerce (Swiss Amcham) hat Rahul Sahgal zum neuen CEO gewählt.
Er folge im Sommer 2024 auf Martin Naville, der nach 20 Jahren auf der Position ausscheide, teilte die Swiss Amcham am heutigen Dienstag mit.
Promotion in St.Gallen
Gewiss ist es schwierig, für Naville, der zwischen der Schweiz und Amerika fast schon eine Legende sowie ein Stabilitätsfaktor in den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ist, einen geeigneten Nachfolger zu finden.
Aus einem exzellenten Kandidatenumfeld habe man den indischstämmigen Sahgal auserkoren und einstimmig gewählt, hiess es weiter.
Sahgal ist laut den Angaben ein Tausendsassa, der zwischen Wirtschaft und Administration schon viel erlebt hat.
Der Schweizer Staatsbürger mit Geburtsort Chandigarh in Indien habe an der HSG studiert und über Schweizer Firmen in Indien promoviert.
Von Rieter zu Autoneum
Nach Tätigkeiten im Finanzbereich sowie in der Strategieberatung, wie sie laut Aussagen von Sahgal für HSG-Abgänger üblich seien, führte ihn seine Laufbahn im Jahr 2006 zum Maschinenhersteller Rieter nach Indien, wo er zunächst im Textilmaschinenbereich tätig war.
Später leitete er das Indiengeschäft des von Rieter abgespaltenen Autozulieferers Autoneum.
Laut Geschäftsbericht 2022 setzte dieser Konzern in ganz Asien gerade einmal 271 Millionen Franken um; wie gross die indischen Aktivitäten sind, weist das KMU nicht separat aus.
Praktikum bei Deutscher Bank Indien
Was Finanzbereich konkret bedeutet, geht aus Sahgals Lebenslauf in der Dissertation nach dem Anhang und dem Literaturverzeichnis auf Seite 181 hervor:
3 Monate Praktikum bei der Deutschen Bank in Indien, danach vier Monate Praktikum bei Swissquote, danach 3 Monate Internship in den USA bei einer Mini-Firma.
2003/2004 gab er dann eine Teilzeittätigkeit im Law Office Martin Richter in Zürich an. 2004/2005 arbeitete der Jobhopper bei Naissance Capital in Zürich, um einen indischen Hedgefund aufzusetzen.
Und 2005/2006 war er bei Deloitte Consulting in Zürich für die Finanzindustrie tätig. Dann ging es schon zu Rieter in Indien.
Brüssel, Bern, USA und SIF
Im Jahr 2013 trat Sahgal dann in den diplomatischen Dienst ein und ging ein Jahr als Attaché Diplomatique zur Schweizer EU-Mission in Brüssel.
Von 2014 bis 2017 war er dann stellvertretender Sektionschef in der Abteilung Menschliche Sicherheit beim EDA in Bern. Danach wirkte er vier Jahre in Washington als Botschaftsrat sowie Leiter des Bereichs Finanz- und Steuerpolitik bei der Schweizer Botschaft.
Seit dem Jahr 2021 ist er stellvertretender Leiter der Abteilung Steuern beim Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF in Bern.
Steuerexperte fehl am Platz
Über den neuen Chef der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und den USA gab es umgehend geteilte Meinungen. Während ihn viele lobten und den Tausendsassa auch die Organisation in einem Video ins beste Licht stellte, kamen aber auch umgehend negative Meinungen auf.
Schweizer Konzerne bräuchten keinen Bürokraten auf dieser Stelle, sondern jemanden, der die Belange der Unternehmen zwischen der Schweiz und den USA klar kennt, hiess es etwa. Sahgal habe so richtig nur vor einem Jahrzehnt mal in Indien und bloss für kurze Zeit bei einer kleinen Firma gearbeitet, lautete weitere Kritik.
Auch sei der Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA hoffentlich beendet, weshalb es keinen Steuerexperten auf der CEO-Stelle der Handelskammer brauche.
Nirgends anecken
Ein Beobachter sah sich bei der heutigen Wahl an Monika Rühl von Economiesuisse erinnert, die den Wirtschaftsdachverband zwar leitet, aber eben nicht führt.
Die Diplomatin mache einfach, was Diplomaten immer tun – gut zuhören, möglichst nirgends anecken und schön sagen, was man hören wolle.
Wie lange der Jobhopper Sahgal bei der Swiss Amcham ausharren wird, führt offenbar schon zu Wetten.
Auf 20 Jahre, wie der scheidende CEO Naville, wollte dabei aber niemand setzen.
14.11.2023/kut.
