Das BAG startet die Prämienrunde 2024 für die Grundversicherung. Details an die Beteiligten sprengen jegliche Vorstellungskraft.
Normalerweise interessieren Rundschreiben des Bundesamtes für Gesundheit BAG nicht wirklich das Land.
Doch das Wirtschaftsnewsportal muula.ch befand, dass die neuesten Botschaften der Schweizer Gesundheitsbehörde zu den Krankenkassenprämien für das kommende Jahr auf den Tisch gehören.
Sie wurden am gestrigen Donnerstagmittag mit einer Medienmitteilung fast heimlich kommuniziert, sind aber schon von Anfang Juni 2023.
Nennenswerte Erhöhung
Per Rundschreiben an die Kantone informierte die Behörde des zurückgetretenen SP-Bundesrates Alain Berset nämlich, wie die Ausgangslage für das kommende Jahr bei den Krankenkassen um Helsana, Swica, CSS, Concordia, Visana, Asura, Sympany, Groupe Mutuel & Co. ist.
«Die Jahresrechnungen der Versicherer zeigen für das Jahr 2022 eine nennenswerte Erhöhung der Kosten», stellte das BAG zunächst nüchtern fest.
Gemäss Monitoring der Krankenversicherungs-Kostenentwicklung nach Abrechnungsjahrsicht gebe es einen Anstieg der Bruttoleistungen von 2,6 Prozent je versicherte Person, hiess es weiter.
Per Ende März 2023 belaufe sich die Erhöhung aber bereits auf 3,4 Prozent.
Kostenschub bei 12 Prozent?
Hinweise auf ein Nachlassen des Kostenwachstums seien keine ersichtlich, mahnte die Aufsichtsbehörde.
Die Betrachter könnten damit wahrscheinlich nicht nur auf 6 bis 7 Prozent an Kostenwachstum kommen, auf welches die Skala im Kreisschreiben eigens angepasst wurde.
Blickt man nämlich auf die Originaldaten, wie im Kreisschreiben angegeben wird, reicht die Skala plötzlich bis 12 Prozent heran und könnte also letztlich zu einem enormen Kostenschub bei den Krankenkassenprämien für das kommende Jahr führen.
Inflation und Energiepreise
Neben der beobachteten Entwicklung und der Aussage, dass keine Hinweise bestünden, dass es weniger starkes Ausgabenwachstum gebe, kommen aber noch weitere Punkte hinzu.
Es ist laut dem BAG das Anliegen der Leistungserbringer, den durch die höheren Energiekosten und Inflation bedingten Kostenanstieg ganz oder teilweise über die Tarife aufzufangen.
Zudem gelangen ab 1. Juli 2023 neue Leistungen in die Grundversicherung, wie das BAG ebenfalls bekanntgab.
Hohe Verluste
Doch das sind nicht die einzigen Schreckensbotschaften.
Der Startpunkt für die Prämien 2024 liegt gänzlich ungünstig bei einer kombinierten Schaden-Kosten-Quote für das Jahr 2023 von über 100 Prozent, da die Kosten gemäss den Schätzungen der Versicherer höher liegen als die Prämien.
Somit bestehe ein gewisser Nachholbedarf, so die nächste Warnung der Gesundheitsbehörde.
Keine Puffer mehr
«Viele Versicherer konnten den Prämienanstieg auf 2023 mit Reserven dämpfen», hiess es obendrein. Dies werde für die Prämien 2024 aber kaum mehr möglich sein, so das BAG mit einer weiteren Hiobsbotschaft.
«Einzelne Versicherer werden ihre Reserven stärken müssen», warnte die Aufsichtsbehörde über die Soziale Krankenversicherung sogar.
Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass die Prämien im nächsten Jahr noch einmal überdurchschnittlich ansteigen würden, lautete das Fazit.
Wohlgemerkt waren die Krankenkassenprämien für 2023 bereits um 6,6 Prozent gestiegen, wie das BAG im September 2022 selbst bekanntgegeben hatte. Nunmehr dürfte es wohl noch höher gehen.
Erschreckende Situation
Es ist zwar klar, dass ein gewisses Kostenwachstum im Gesundheitswesen aufgrund des technischen Fortschrittes und Zuwanderung mit mehr «Konsumenten» der Leistungen mit sich bringt.
Doch was das BAG nun indirekt ankündigt, ist wirklich erschreckend.
Die Leistungskosten steigen überproportional. Die Leistungserbringer wollen wegen der Teuerung und gestiegener Energiepreise noch mehr Geld.
Zu tiefe Prämien 2023
Die Reserven der Krankenversicherer um Helsana, CSS, Visana, Swica, Groupe Mutuel & Co. sind weitestgehend aufgebraucht, und es müssten sogar teilweise neue Rücklagen gebildet werden.
Der Ausgangspunkt der Prämienkalkulation ist zudem schlecht, weil die Prämien für das Jahr 2023 trotz der durchschnittlichen Erhöhung um 6,6 Prozent schon viel zu tief gewesen sind.
Solvenz nicht mehr gegeben
Und die schlimmste Botschaft hat das BAG noch nicht einmal überbracht. Das sind die Solvenzwerte der Krankenkassen.
Angesichts hoher Kapitalmarktverluste und hoher Verluste in der Versicherungstechnik dürften diese Werte vielerorts nicht mehr dem gesetzlich vorgeschriebenem Mindestmass von 100 Prozent entsprechen.
Das System kann also die Zahlungsverpflichtungen nicht mehr mit den vorhandenen Mitteln bewältigen.
Versagen von Berset
Die konkreten Werte zu den Solvenztests der Krankenkassen gibt die Behörde spätestens im September bekannt.
Weil die Krankenversicherer die Angaben selbst nicht wie in den Vorjahren vorab publizieren, darf man davon ausgehen, dass sie nicht besonders gut ausfallen werden.
Der Rücktritt von Gesundheitsminister Berset, über den auch muula.ch live berichtete, dürfte aber der Vorbote des Eingeständnisses sein, dass seine Aufsichtsbehörde vollkommen versagt hat.
23.06.2023/kut.