Die Schweiz und Frankreich versuchen sich anzunähern und veranstalten ein Präsidententreffen. Der Tag dürfte strategisch gewählt sein.
Der Schweizer Noch-Bundespräsident Alain Berset hat den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron für den 15. und 16. November zu einem offiziellen Staatsbesuch in die Schweiz eingeladen.
Bisher war lediglich der Monat der Zusammenkunft bekannt. Nun meldete aber die quasi-staatliche Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass das Präsidententreffen für diese beiden Tage Mitte November vorgesehen sei.
Steuerstreit als Aufhänger
Im Mittelpunkt der Zusammenkunft solle das zerrüttete Verhältnis der Schweiz zur EU und zu dem Nachbarland stehen, nachdem die Schweiz die Gespräche über ein Rahmenabkommen mit der EU barsch abgebrochen und der Bundesrat sich im Jahr 2021 gegen die Anschaffung des französischen Kampfjets Rafale entschieden hatte.
Der letzte offizielle Besuch eines französischen Präsidenten fand in der Schweiz im April 2015 während der Amtszeit des damaligen Präsidenten François Hollande statt.
Bei diesem zweitägigen Treffen feierten Bern und Paris ihre Versöhnung nach jahrelangen Steuerstreitigkeiten, die unter der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy begonnen hatten.
Und genau diese Steuerstreitigkeiten stehen auch diesmal wieder im Zentrum des Staatsbesuches.
Hohe Strafzahlung
Am 15. November 2023 will nämlich der Oberste Gerichtshof Frankreichs in der Sache der Grossbank UBS entscheiden, wie auch muula.ch bereits berichtete.
Die Schweizer Grossbank war in zweiter Instanz in Frankreich zu einer Zahlung von insgesamt gut 1,8 Milliarden Euro verurteilt worden, was sie aber nicht akzeptiert und daher in Berufung gegangen war.
Die Busse ist dabei eigentlich lächerlich, weil sie nur 3,75 Millionen Euro beträgt.
Doch das Schweizer Kreditinstitut wehrt sich hauptsächlich gegen die Einziehung von 1 Milliarde Euro und eine zivilrechtliche Schadenersatzzahlung von 800 Millionen Euro.
Druck auf Frankreich erhöhen
Die UBS muss sich in Paris wegen Beihilfe zur rechtswidrigen Kundenanwerbung und Geldwäscherei vor Gericht verantworten. Der Rechtsstreit der Grossbank UBS in Frankreich zieht sich schon seit über zehn Jahren hin und nun ist eben am 15. November ein Ende absehbar.
Der Schweizer Bundespräsident Berset erhöht mit dem gewählten Tag des Treffens indirekt den Druck auf die französische Justiz.
Frankreichs Präsident Macron will wahrscheinlich an dem Tag kaum auf dem roten Teppich in der Schweiz entlangspazieren und über die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit seines Landes philosophieren. Vielmehr ist doch eine schöne Feier angesagt.
Milliarden-Kaution hinterlegt
Daher wird der Élysée-Palast sicher im Hintergrund bei dem Gericht vorfühlen oder hat schon vorgefühlt, damit das Präsidententreffen nicht zu einem Desaster verkommt und zumindest die Strafzahlungen der UBS an Frankreich geringer werden.
Macron will wahrscheinlich nicht mit leeren Händen in die Schweiz kommen. Und die UBS kann das Geld, das sie bereits als Kaution hinterlegen musste, nach der Notfusion mit der Krisenbank Credit Suisse sicher auch gut gebrauchen.
Eitelkeiten bedienen
Für den auf Gesten bedachten Berset dürfte die Zusammenkunft die Krönung seiner Amtszeit werden. Im Laufe seines Bundesrats-Mandates hatte der Romand – sicher auch sprachlich bedingt – gute Kontakte zu Frankreich geknüpft und war stets auf die französischen Eitelkeiten eingegangen.
Der Empfang von Macron durch den Schweizer Bundespräsidenten dürfte daher tatsächlich ein Zeichen der Versöhnung in den französisch-helvetischen Beziehungen und gleichzeitig Staatshilfe für die Karriere des zurückgetretenen Bundesrates sein.
Es sei denn, die französische Justiz macht bei der UBS noch einen Strich durch diese Berset-Rechnung.
30.10.2023/kut.