
Als Chefregulator der Schweiz und Manager der Finanzwirtschaft warnte Patrick Raaflaub stets vor neuen Gefahren. Nun alarmiert er zum letzten Mal.
Sowohl die Aufsichtsbehörden als auch die Finanzindustrie beschäftigen sich mit neuen Risiken.
Patrick Raaflaub, einstiger Direktor der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma, heuerte nach seiner Tätigkeit beim Regulator wieder beim Rückversicherer Swiss Re an und beschäftigte sich dann praktisch hauptberuflich mit aufkommenden Gefahren.
Puzzleteile zusammensetzen
«In einem immer stärker verflochtenen Risikoumfeld müssen Versicherer ihren Risikohorizont laufend nachjustieren», sagte der Risikomanager des Assekuranzkonzerns am heutigen Donnerstag zur Vorstellung des neuen Sonar-Berichts.
In dem Report stellt Swiss Re jährlich neue Gefahren für die Menschheit vor und profitiert davon, falls sich jemand dagegen finanziell absichern will.
Mit Blick auf das wachsende Risiko extremer Hitzeereignisse, neuartige Haftungsrisiken oder das sich wandelnde Ausmass von Risiken mit KI-Bezug sei klar, dass Menschen nicht mehr nur über einzelne Themen sprechen dürfen, sondern untersuchen müssten, wie grosse Makrotrends die heutige Risikolandschaft veränderten, erklärte Raaflaub weiter.
Swisscom & Co. muss aufpassen
An den Auswirkungen von extremer Hitze sterben weltweit bis zu einer halben Million Menschen pro Jahr, mehr als durch Überschwemmungen, Erdbeben und Hurrikane zusammengenommen, was zeige, dass Extremhitze zu den grössten neuen Risiken des Planeten gehörten, so Swiss Re weiter.
Es gebe klare Belege dafür, dass Heftigkeit, Häufigkeit und Dauer extremer Hitzewellen zunähmen.
Die Schäden sind jedoch nicht nur bei rund 480.000 Todesfällen jedes Jahr abzulesen.
Auch steige die Waldbrandgefahr, erklärten die Rückversicherungsexperten.
Hinzu kämen erhebliche Risiken im Telekommunikationssektor in Bezug auf das Versagen von Kühlungen in Rechenzentren oder Schäden an Erdkabeln.
Nicht auszumalen seien die Haftungsrisiken von Unternehmen, zumal sie keine Massnahmen zur Minderung hitzebedingter Schäden ergriffen.
Mörderpilze wuchern
Ausserdem könnten extreme Hitzeereignisse andere neuartige Risiken verschärfen, darunter etwa die Gefahr durch giftige Pilze, die bei höheren Temperaturen gedeihen und den menschlichen Körper befallen. An was Rückversicherer so alles denken.
Auf Ernteausfälle und Schäden in der Arbeiterunfallversicherung, wenn Arbeitnehmer extremen Temperaturen ausgesetzt sind, wären die meisten wohl noch selbst gekommen.
Doch der Sonar-Bericht fasst jedes Jahr alles gut zusammen.
Aktuelle Geopolitik lässt grüssen
Wie gut Raaflaub und sein Team arbeiten, kann man am Sonar-Rapport 2023 sehen.
«Die gleichzeitige Verschärfung von Wirtschaftsinteressen, Umweltveränderungen und geopolitischen Spannungen machen die Arktis zu einer Keimzelle für neuartige Risiken und für eine mögliche Risikoakkumulation», hatte der Ex-Finma-Direktor damals gewarnt.
Die «Öffnung der Arktis» dürfte technologische, ökonomische, soziale und ökologische Folgen haben, hiess es vor wenigen Jahren und hat sich mit Trump, Grönland & Co. praktisch schon bewahrheitet.
Dies zeigt, dass Rückversicherer diese jährlichen Evaluationen nicht nur machen, um über Angst viel Neugeschäft zu generieren, sondern auch, um die Welt kritisch zu begleiten.
Swisscom & Co. müssen die Hitzerisiken also durchaus ernst nehmen.
Manager von München übernimmt
Raaflaub (Jg. 1965) geht per Ende September nun in Pension und wird sich somit wohl nicht mehr öffentlich zur Risikolage der Menschheit äussern.
Ab 1. Oktober kommt Bernhard Kaufmann, ein langjähriger Manager des Marktführers Munich Re, zur Schweizer Konkurrenz Swiss Re.
Da der promovierte Physiker über rund 20 Jahre an Erfahrung als Chief Risk Officer verfügt, dürfte der jährliche Gefahrenbericht Sonar nicht weniger spannend werden, als wenn Swiss Re einen Direktor von der Finanzmarktaufsicht Finma dafür nimmt.
12.06.2025/kut.