Das Medienhaus Ringier liess seinen Super-Chefredaktor der «Blick»-Gruppe fallen. Und Christian Dorer fällt tatsächlich tief.
Der Schuster hat bekanntlich die schlechtesten Paar Schuhe an, sagt ein Sprichwort. Auf Medienhäuser übertragen, bedeutet dies, dass die Kommunikation über sich selbst bei der Presse zu wünschen übriglässt.
Vorwürfe im Raum
Eigentlich sollte Christian Dorer erst «nur» den «SonntagsBlick» auf Vordermann bringen. Doch dann erkannte der CEO des Medienhauses Ringier, Marc Walder, das Multitalent, schuf mit einem Knall eigens die Position eines Super-Blick-Chefredaktors und besetzte sie ab 1. Februar 2017 mit Dorer.
Dann entschied Ringier überraschend, dass der Blick-Chefredaktor ab dem 13. März 2023 für die Dauer von sechs Monaten eine Auszeit nimmt. Grund dafür waren Hinweise, dass der Manager gegen den «Code of Conduct» der Ringier AG verstossen haben soll.
Im Raum stünden Vorwürfe von bevorzugter Behandlung einer bestimmten Mitarbeiter-Gruppe und eine zu wenig klare Differenzierung von Privat und Geschäft, hatte der Medienkonzern verklausuliert mitgeteilt.
Gespräche auf gutem Weg
Im August 2023 hiess es dann plötzlich: Im gegenseitigen Einvernehmen und basierend auf dem Culture Audit hätten der bisherige Chefredaktor der Blick-Gruppe und die Ringier-Leitung beschlossen, dass Dorer nach seiner sechsmonatigen Auszeit sein Amt nicht wieder aufnehme, wie auch muula.ch berichtete.
Indirekt machte dies den Anschein, dass die Gerüchte, wonach Dorer hübsche junge Männer bevorzugt haben soll, wohl stimmen.
In den kommenden Wochen werde definiert, ob und in welcher journalistischen Funktion Dorer bei der Ringier-Gruppe tätig bleiben werde, hiess es lediglich im August. Die Gespräche hierzu seien bereits auf gutem Weg, führte das Medienunternehmen damals trocken aus.
Migros-Kundenmagazin im Fokus
Doch was dann mit Dorer passierte, vergass Ringier offenbar mitzuteilen. Dorer übernehme die Leitung der Kommunikation des Migros Genossenschafts-Bunds (MGB) und die publizistische Verantwortung für die Migros-Medien, hiess es am Dienstag überraschend vom Detailhändler Migros.
Als Leiter Kommunikation des Migros-Genossenschafts-Bunds zeichne er ab Februar 2024 für die strategischen Kommunikationsziele und die Koordination der Kommunikation der Migros-Gruppe verantwortlich, teilte der MGB weiter mit.
In Abstimmung mit der Marketingkommunikation der Migros Supermarkt AG trage Dorer auch die publizistische Verantwortung für die Migros-Medien.
Hohe Auflagen täuschen
Der im Jahr 1975 geborene Ex-Super-Chefredaktor des «Blick» ist dabei direkt dem seit Mai 2023 amtierenden Präsidenten der Generaldirektion MGB, Mario Irminger, unterstellt.
Mit einem Team von rund 50 Mitarbeitern obliege Dorer die Aufgabe, den Transformationsprozess im Zuge der anstehenden Reorganisation des Super- und Verbrauchermarktgeschäfts der Migros-Gruppe kommunikativ zu unterstützen.
Nach über zwanzig Jahren beim «Blick» darf sich Dorer also um das Migros-Kundenmagazin und Medienmitteilungen des orangen Riesen kümmern.
Wer beides kennt, der weiss, dass die Migros dabei durchaus Bedarf an Verbesserungen hat. Jedoch ist es für das Land gesehen, eine grosse Verschwendung. Die Kundenmagazine von Migros, Coop & Co. haben zwar landesweit die grössten Auflagen.
Doch von Journalismus wollen sie nichts wissen. Viele Bewohner der Schweiz ignorieren die Publikationen oder machen sie ungelesen in den Papiermüll.
Wachsen an konstruktiver Kritik
Ein Chefredaktor einer der grössten Mediengruppen der Schweiz hat als Aufgabe, der Politik und den Firmen kritisch auf die Finger zu schauen. Ist er dann selbst einmal auf der Suche nach einem neuen Job, dürfte dies ein schwieriges Unterfangen sein.
Nur wenige Personen verstehen kritische Artikel der Presse als konstruktiv, an der ein Mensch beziehungsweise ein Unternehmen wachsen kann.
Vielmehr werden kritische Pressestimmen von vielen Führungskräften persönlich genommen und Medienhäuser mit dem Entzug von Werbegeldern oder Unterstützung gestraft.
«NZZ»-Chefredaktor lässt grüssen
Sucht der Chef einer Redaktion dann selbst einen Job und klopft hier und da an, ist es schwierig, eine adäquate Stelle zu finden.
Der einst gefallene Chefredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» Markus Spillmann kann davon ein Lied singen. Er gründete nach seinem plötzlichen Ausscheiden bei der «Alten Tante» beispielsweise eine Beratungsfirma, die sich auf die Begleitung von Führungspersonen, Gremien und Organisationen konzentriert.
Spillmann moderiert noch hier und da einen Anlass, unterrichtet hier und da, und war bis zum Jahr 2021 noch Chef des Schweizer Presserates. Mit der herausragenden Position bei der «NZZ» ist all dies nicht zu vergleichen.
Auch beim Zürcher Medienhaus TX-Group wurde Super-Chefredaktor Artur Rutishauser, nachdem er in Ungnade gefallen war, zum alleinigen Chefredaktor der «SonntagsZeitung» degradiert.
Kritischer Rückblick
Letztlich dürfte die Kommunikation bei der Migros auch nicht der Karrieretraum des Ex-Chefredaktors der «Blick»-Gruppe Dorer gewesen sein. Insofern fällt er schief.
Der einstige CEO vom Migros-Discounter Denner, Irminger, holt also Dorer zur Migros-Genossenschaft, nachdem er selbst erst im Februar dieses Jahres zum Präsident der MGM ernannt worden war.
Und wer sich wundert, wie oft Irminger unter Dorers Leitung seit 2017 im «Blick» ein besonderer Interview-Platz eingeräumt und wirklich kritische Fragen gestellt bekam, der wird wahrscheinlich auf die Presse übertragen denken, dass der Schuster bekanntermassen die schlechtesten Paar Schuhe trägt.
20.12.2023/kut.