
In der Aufregung um die Referendumsfrage zum EU-Paket ist ein Detail aus dem Blick geraten. Doch gerade dies hilft den EU-Gegnern sehr.
Die EU-Befürworter haben eine wichtige Information zur EU-Abstimmung bekanntgegeben, die im Trubel um den Streitpunkt fakultatives oder obligatorisches Referendum völlig unter den Tisch gefallen ist.
Analogie zur EWR-Abstimmung
An der historischen Medienkonferenz von Aussenminister und FDP-Bundesrat Ignazio Cassis, über die muula.ch berichtete, erläuterten die EU-Turbos die vier Pakete zu den EU-Verträgen, gegen die Unterschriften für ein Referendum gesammelt werden können.
Bisher hiess es immer, eine Niederlage, wie bei der Abstimmung zum EWR-Beitritt, wollen die EU-Turbos vermeiden, indem sie das neue EU-Verhandlungspaket in vier Teile aufteilen.
Doch seit der Cassis-Medienkonferenz in Bern ist bekannt, dass die Gegner eigentlich weiterhin nur eine Abstimmung gegen das EU-Paket gewinnen müssten, und damit wäre das ganze Thema beendet.
Vier Fragen für das Volk
Den Abstimmungszettel müsste man sich konkret so vorstellen, dass es vier Vorlagen gebe, erklärte der Direktor vom Bundesamt für Justiz (BJ), Michael Schöll zur Situation (siehe ab Minute 13:04 der Medienkonferenz).
Dies sei einerseits der Stabilisierungsteil und andererseits die drei neuen Abkommen zu Strom, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
«Die Stimmbevölkerung kann zum Stabilisierungsteil ja sagen. Sie kann aber die drei neuen Abkommen einzeln, zu zweit oder alle drei ablehnen», erklärte der Oberjurist der Schweiz.
Der Stabilisierungsteil könne also auch in Kraft treten, wenn eins, zwei oder alle drei abgelehnt würden, hiess es weiter.
Ein Strich durch die Rechnung
«Wenn der Stabilisierungsteil in einer Volksabstimmung abgelehnt wird, können die drei neuen Abkommen auch nicht in Kraft treten», hob Schöll aber hervor.
Dies war dem BJ-Direktor so wichtig, dass er die Angaben auf Französisch wiederholte.
Damit ist allerdings klar, dass die Gegner des EU-Pakets einfach nur diesen Entscheid zum Stabilisierungsabkommen attackieren könnten.
Die drei neuen Abkommen setzen voraus, dass der Stabilisierungsteil in Kraft tritt.
Damit könnten SVP, Kompass-Initiative & Co. all ihre Kraft auf die Ablehnung dieser Neuregelung setzen und hätten die ganzen Verhandlungen von Bern mit Brüssel zunichte gemacht.
Narrativ genau beachten
Nun ist der Name «Stabilisierungsteil» bewusst gewählt, wie bereits in der Vernehmlassung zur institutionellen Anbindung der Schweiz an die EU klar wurde.
Mit der positiv gewählten Konnotation beabsichtigen die EU-Turbos ein «Ja» vorzuprogrammieren, denn Menschen entscheiden sich eher für Stabilität.
Bei solch emotionalen Abstimmungen, wie über «Masseneinwanderung», «Konzernverantwortung» & Co., muss das Volk immer auf die von vorne herein gesetzten Narrative achten.
Locken mit Strom und Gesundheit
Cassis spielte an der historischen Medienkonferenz das EU-Paket zu einem Handelsvertrag herunter, um Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten.
Dies stimmt aber allenfalls nur eingeschränkt, weil bei Streitigkeiten künftig der EU-Gerichtshof ins Spiel kommt.
Die EU-Anhänger wollen die Bevölkerung offenbar mit den drei Abkommen zu Strom, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit locken, und den Stabilisierungsteil müssten sie dafür zwangsläufig akzeptieren.
Altes Freihandelsabkommen gilt
Wie alles aber genau aussieht, ist der Öffentlichkeit noch nicht bekannt, weil das Eidgenössische Aussendepartement EDA die Verhandlungsresultate zum Staatsgeheimnis erklärt hat, und praktisch nur Insider die Verträge sehen dürfen.
Wenn klar wird, welche Regelungen im Stabilisierungsteil enthalten sind, können sich die Gegner um SVP & Co. genau auf diesen Aspekt konzentrieren. Einen «EU-Beitritt light», wie es die SVP formulierte, würde damit verhindert, und es gilt einfach das Freihandelsabkommen mit der EU von 1972 weiter.
Die Differenz kann man im Postulat «Freihandelsabkommen mit der EU statt bilaterale Abkommen» nachlesen, welches die aktuelle Bundespräsidentin und FDP-Politikerin Karin Keller-Sutter bereits im Jahr 2013 eingereicht hatte.
04.05.2025/kut.