Dormakaba: «Wir entschieden uns für Sofia»

Dormakaba CFO ad interim René Peter
Dormakaba-Finanzchef ad interim René Peter. (Bild: PD)

Schweizer Firmen überlegen, Aktivitäten an anderen Standorten zu bündeln. muula.ch fragte bei Dormakaba nach, warum dort die Wahl auf Sofia fiel.

Herr Peter, Sie sind derzeit Finanzchef des Schliesstechnik-Konzerns Dormakaba und bauen ein neues Service-Center in Sofia in Bulgarien auf. Wie kam es dazu?

René Peter: Im Rahmen unserer Strategieumsetzung konzentrieren wir uns unter anderem darauf, Komplexität zu reduzieren, die Servicequalität weiter zu erhöhen, sowie die Innovation und das Wachstum voranzutreiben.

Die strategische Neuausrichtung von Dormakaba als globales, nach Funktionen organisiertes Unternehmen verlangte die Bündelung von Prozessen, Standardprozesse einzuführen und die Datenqualität zu verbessern.

Shared-Service-Center bieten Skalierbarkeit, Transparenz, höhere Effizienz und Spezialisierung, wodurch globale Initiativen flexibler und zeitnaher umgesetzt und Kundenorientierung sowie Mitarbeiterentwicklung gestärkt werden.

Welche Alternativen kamen bei der Standortwahl infrage und warum?

Eine Weiterführung des Status Quo war keine Option.

Aufgrund unserer starken Kundenorientierung war es uns aber wichtig, die Dienstleistungszentren nahe bei den Endkunden und den Dormakaba-Gesellschaften aufzubauen.

Entsprechend haben wir entschieden, auf globale Shared-Service-Center zu verzichten und regionale Zentren aufzubauen.

«Bei uns gab es fünf Favoriten.»

Es ist uns wichtig, dass die Dienstleistungszentren ein integraler Bestandteil der jeweiligen Geschäftsprozesse sind und entsprechend als Partner der lokalen Einheit betrachtet werden.

Deshalb haben wir uns entschlossen, insgesamt drei Shared-Service-Center aufzubauen: Sofia in Bulgarien für Europa, Nogales in Mexiko für Amerika und Chennai in Indien für Asien Pazifik.

Die Longlist für Europa hatte 13 Einträge – was waren da Ihre Favoriten?

Zu Beginn des Auswahlprozesses wurden über 40 Länder hinsichtlich ihrer Eignung als Standorte für zentrale Dienstleistungszentren und des verfügbaren Talentpools bewertet.

Daraus schafften es 13 Länder in die nächste Runde, in der anhand des Lohnkostenindexes eine Shortlist mit acht Ländern entstand, hauptsächlich aus Ost- und Südeuropa.

«Wir stellten innerhalb eines Jahres 200 neue Fachkräfte ein.»

In der Folge wurden innerhalb dieser Länder 28 Standorte untersucht und anhand gewichteter Kriterien wie Talentpool, Lehrgänge, Geschäftsumfeld, Regulierung und Infrastruktur bewertet.

Die fünf Favoriten waren Madrid, Lissabon, Prag, Warschau und Sofia. Letztlich haben wir uns für Sofia entschieden.

Der Standort bietet grosse qualifizierte und mehrsprachige Talentpools, exzellente Universitäten mit spezialisierten Lehrgängen für Shared-Service-Center, ein attraktives Geschäftsumfeld und eine vorteilhafte Finanzbewertung.

Zudem verfügt Dormakaba über eine mehr als 25-jährige Präsenz in Bulgarien mit Vertriebsorganisation und Produktion.

Viele Firmen, die ähnliche Überlegungen anstellen, kommen meist auf Krakau in Polen oder Madrid beziehungsweise Barcelona in Spanien. Warum fielen diese Standorte bei Dormakaba quasi durch das Raster?

Sofia setzte sich durch, da es für unsere Bedürfnisse am besten geeignet war und einen grossen Talentpool, ein attraktives Geschäftsumfeld und eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur bietet.

Referenzen zeigten, dass etablierte Standorte von Shared-Service-Centern oft einen angespannten Arbeitsmarkt haben, während Sofia durch die bestehende Dormakaba-Präsenz und ein starkes Employer Branding zusätzlich punktete.

Wie sind die ersten Erfahrungen mit dem Shared-Service-Center in Bulgarien und was sind «Kinderkrankheiten»?

Unsere ersten Erfahrungen mit dem neuen Center in Sofia sind sehr positiv:

Innerhalb eines Jahres wurden über 200 Fachkräfte rekrutiert, die Übergabe der Tätigkeiten erfolgte planmässig, und deutliche Effizienzsteigerungen, etwa im Finanzbereich, wurden erzielt.

«Unsere bestehende Organisation beschleunigte den Aufbau.»

Eine typische Herausforderung war die Erstellung von Prozessdokumentationen, die eine detaillierte Übergabe der einzelnen Tätigkeiten an das Shared-Service-Center sicherstellen.

Dormakaba hatte in Sofia schon ein Office – gab es deshalb den Ausschlag, denn Ihr Konzern musste ja keine neuen Bankverbindungen oder Ähnliches auf der «grünen Wiese» einrichten?

Wir haben in vier der fünf Standorte, die in engerer Auswahl waren, eine Niederlassung. Die Standortevaluation erfolgte nach objektiven Kriterien.

Der Umstand, dass Dormakaba in Sofia seit mehr als 25 Jahren präsent ist, hat jedoch den Aufbau und die Rekrutierung deutlich beschleunigt.

Was raten Sie mit den gemachten Erfahrungen anderen Unternehmen, die solche Gedanken zu Auslagerungen herumtreiben?

Die Bündelung von Dienstleistungen in Shared-Service-Center erfordert eine strategische Verankerung sowie eine fundierte Standortwahl, basierend auf Verfügbarkeit und Fähigkeiten des Talentpools.

Entscheidend sind enge Einbindung der abgebenden Einheiten, interkulturelle Schulungen und detaillierte Analysen zu Standardisierung, Automatisierung und Prozessrisiken.

24.01.2025/Das Interview führte kut.

Dormakaba: «Wir entschieden uns für Sofia»

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