Die Verlogenheit der Schweiz im Pazifik

Pazifikinseln
Die Schweiz will die Beziehungen zum Pazifik intensivieren. (Bild: Sahil Om / unsplash)

Die Schweiz hat diplomatische Beziehungen zu einer kleinen Pazifikinsel aufgenommen. In Wirklichkeit vernachlässigt sie die Region seit langer Zeit.

Die Schweiz will sich stärker in der Pazifikregion engagieren, heuchelte der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis am heutigen Mittwoch in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington.

Mit der Aussenministerin des 1700 Seelen zählenden Pazifikstaates Niue, Mona Ainu’u, unterzeichnete Cassis eine Absichtserklärung zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen der Schweiz mit dem Inselstaat.

Keine eigene Aussenpolitik

Ohnehin ist aber Neuseeland der Suzerän von Niue, was heisst, dass die Oberhoheit sowieso bei Neuseeland liegt. Analog zu den Cookinseln haben diese Pazifikstaaten damit eigentlich keine eigene Aussenpolitik.

Die Verlogenheit der Schweiz im Pazifik zeigt sich nur schon in der Tatsache, dass die Aussenministerin des Pazifikstaates zur Aufnahme der diplomatischen Beziehungen die 2400 Kilometer lange Reise in die neuseeländische Hauptstadt Wellington auf sich nehmen musste.

Eigentlich hätte Cassis zu der Insel fliegen müssen. Aber vielleicht wollte ja die Schweizer Delegation keinen Coronavirus-Test machen oder keine Corona-Impfnachweise erbringen.

Chinesische Aktivitäten

Doch das ist nicht die einzige Peinlichkeit. Während sich China in der Region zwischen Tonga und französisch Polynesien beherzt um die ganzen Pazifikinseln kümmert, wachten die Westmächte erst auf, als die Salomoninseln eine chinesische Militärbasis im Pazifik installierten.

Beobachter kratzten sich bereits während der Coronavirus-Pandemie am Hinterkopf und wunderten sich, mit welcher Prominenz die kommunistische Partei Chinas etwa auf den Salomonen ihr 100-jähriges Bestehen feierte.

Warnungen vor der chinesischen Einflussnahme in dem Gebiet schlugen praktisch alle westlichen Länder in den Wind.

Kurz darauf lenkte die Pazifikinsel mit ihren fast eine Million an Bewohnern aber ein, eine Militärbasis der Chinesen zu installieren. Dann war das Geschrei gross.

Zu Hause unbeobachtet

Die Schweiz spielt dabei insgesamt eine traurige Rolle, welche aber von der Öffentlichkeit kaum bemerkt wird.

Selbst die «Neue Zürcher Zeitung» stattete unlängst der Pazifikinsel einen Besuch ab und thematisierte den Kampf der Westmächte um den kleinen Inselstaat. Doch die Entwicklungen im eigenen Land blieben da offenbar unbemerkt.

Gemäss Recherchen von muula.ch war die einstige Schweizer Botschafterin Yasmine Chatila Zwahlen auf den Salomoninseln nämlich rund fünf Jahre lang gar nicht akkreditiert, was schon ein starkes Stück in der Diplomatie ist.

Und dann fiel der Schweiz auch nicht einmal auf, dass der Pazifikstaat klammheimlich seine diplomatische Vertretung in der Schweiz, nämlich in Genf, schloss.

Finanzhilfe aus der Schweiz?

Auf Anfrage von muula.ch machte die Botschaft der Salomoninseln in Brüssel, die jetzt für die Uno zuständig ist, zwar wirtschaftliche Gründe während der Coronavirus-Pandemie für die Schliessung der Repräsentanz in der Schweiz geltend.

Doch normalerweise will die Schweiz, dass alle Staaten der Welt bei ihr eine Vertretung haben und in Notsituationen hätte die Schweiz auch finanzielle Unterstützung geleistet.

Aufgrund der Tatsache, dass sie aber im diplomatischen Zwist mit der Pazifikinsel lag, wurde der Rückzug im Eidgenössischen Aussendepartement EDA wohl erst gar nicht bemerkt.

Mit grossen Worten eröffneten die Salomonen im Juli 2023 sogar eine Botschaft in China – am Geld kann es also nicht liegen.

Persönliche Befindlichkeiten

Doch was war eigentlich der Streit zwischen der Schweiz und dem Inselstaat, sodass er jahrelang die diplomatische Vertreterin der Schweiz nicht anerkannte? Da gehen die Aussagen etwas auseinander, wie Recherchen von muula.ch ergaben.

Im EDA erzählt man sich, dass arrogantes Verhalten der Schweizer Botschafterin Chatila Zwahlen die Vertreter des Pazifikstaates vor den Kopf gestossen habe und die Regierung des Landes dann mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte.

Ein anderer Grund soll die Webseite des australischen Aussenministeriums gewesen sein, auf der die Schweizer Botschafterin für den Pazifikstaat bei ihrem Ehemann, dem einstigen Botschafter der Schweiz in Australien, im Jobsharing mit als diplomatische Vertreterin aufgeführt gewesen war.

Die Pazifikinsel wollte sich aber nicht bloss als «Anhängsel» an die Schweizer Botschaft in Australien verstanden wissen, lautet eine andere Erklärung.

Schwache Führung in Bern

Pedro Zwahlen, der damalige Schweizer Botschafter in Australien, versuchte laut Unterlagen jedenfalls, die Australier zur Löschung des Namens seiner Frau auf der protokollarischen Webseite zu bewegen und damit die Akkreditierung seiner Ehegattin auf den Salomoninseln zu erreichen.

Doch bis zur Abberufung der beiden Schweizer Diplomaten aus der australischen Hauptstadt Canberra gelang all dies nicht.

Wenn es Cassis wichtig gewesen wäre, hätte er bei der Sache ja Abhilfe schaffen können.

Der Schweizer Öffentlichkeit gegenüber gab es von alldem jedenfalls keine Transparenz.

Ungenaue Formulierungen

Selbst bei Chatila Zwahlens Entsendung auf den nächsten Posten machte das EDA einige Verrenkungen. Öffentlich hiess es nämlich, dass sie Missionschefin (job sharing) in Canberra gewesen sei, was eigentlich Botschafterin in Australien bedeuten könnte.

Eventuell sollte ihrem nächsten Gastland, dem Königreich Saudiarabien, nicht auffallen, dass sie bloss Botschafterin für ein paar unbedeutende Pazifikinseln und nicht bei dem G-20-Land Australien war.

Insofern sind die Erklärungen des Schweizer Aussenministers von Verstärkung der Beziehungen im Pazifikraum am heutigen Mittwoch in Wellington schon ziemlich geheuchelt, wenn die Schweiz selbst in Kriegsgebieten eine Akkreditierung ihrer Botschafter erreicht, aber unter Cassis Führung jahrelang auf einer kleinen Pazifikinsel nicht.

Bei einer Abstimmung in der Uno-Vollversammlung hat so ein Mini-Land aber die gleiche Stimme wie etwa China.

Die Schweiz könnte auf solche Stimmen angewiesen sein.

Aus Nichts wird nichts

«Die Beziehungen zwischen der Schweiz und die Salomonen sind marginal. Mit dem schwach besiedelten Inselstaat im Pazifik gibt es keine nennenswerten Wirtschaftskontakte», heisst es derzeit beim EDA zu den bilateralen Beziehungen.

«Die Schweiz und die Salomoninseln haben mit einem am 19.12.2007 in Canberra unterzeichneten ‚Joint Communiqué‘ diplomatische Beziehungen aufgenommen», lautete zudem die Erklärung vom EDA – ähnlich wie es nun wieder klingt.

Seit rund 16 Jahren ist also nicht wirklich zwischen den Staaten etwas passiert, ausser, dass die Salomonen ihre diplomatische Vertretung in der Schweiz geschlossen haben. Die diplomatischen Beziehungen spielen offenbar gar keine Rolle.

Was soll die Schweiz jetzt mit der entfernten Pazifikinsel Niue? Wohl auch nichts.

09.08.2023/kut.

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