Die grosse SIX geht auf die kleine Tornos los

Der Werkzeugmaschinenhersteller Tornos in Moutier
Die Firma Tornos produziert Werkzeugmaschinen in Moutier BE. (Bild: PD)

Die Schweizer Börse SIX hat die Firma Tornos zu einer Busse verdonnert. Der Fall erscheint aber in anderem Licht, wenn man die Betroffenen befragt.

Die Vorwürfe klingen happig.

«Busse gegen Tornos Holding AG nach Bundesgerichtsentscheid rechtskräftig», titelte die Sanktionskommission der Schweizer Börse SIX am heutigen Dienstag ganz in Grossbuchstaben.

Dramatische Erklärungen

Die Sanktionskommission habe festgestellt, dass der Werkzeugmaschinenhersteller Tornos gegen Rechnungslegungsgrundsätze von Swiss-GAAP-FER verstossen habe, hiess es dramatisch.

Dadurch hätten die Jahresabschlüsse 2016 und 2017 kein Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft gezeigt, das den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen habe, so die Verwürfe der SIX-Regulation weiter.

Abblitzen vor Gericht

Daher habe die Sanktionskommission der SIX die Firma Tornos mit Entscheid vom 26. März 2020 wegen schuldhafter Verletzungen der Vorschriften zur Rechnungslegung und damit des Kotierungsreglements sowie der Richtlinie Rechnungslegung eine Busse von einer halben Million Franken verhängt.

Doch die kleine Traditionsfirma Tornos wollte dies nicht auf sich sitzen lassen.

Die Verantwortlichen leiteten einerseits das Schiedsgerichtverfahren der SIX ein und zogen andererseits vor das Bundesverwaltungsgericht, weil sich das Unternehmen bei der ganzen Sache ungerecht behandelt sah, und es letztlich nur um die Beibehaltung sowie Teilauflösung einer Rückstellung für Personalvorsorgeverpflichtungen ging.

Mit Urteil vom 16. Februar 2021 trat das Bundesverwaltungsgericht aber nicht auf die Beschwerde ein.

Reduktion der Strafe

Das Schiedsgericht der SIX Group erliess dann am 20. Dezember 2022 seinen Endschiedsspruch, bei dem es die Feststellungen der Sanktionskommission zur Verletzung der Rechnungslegungsvorschriften bestätigte. Allerdings reduzierte es die Busse auf 300.000 Franken.

Gegen diesen Schiedsentscheid legte Tornos aber Beschwerde bei Bundesgericht ein.

Mit Urteil vom 24. Mai 2023 habe das Bundesgericht allerdings auch diese Beschwerde abgewiesen, wie es hiess.

Traditionsbetrieb für Maschinen

Das Wirtschaftsnews-Portal muula.ch wollte mehr über den Fall wissen und kontaktierte Tornos in Moutier BE.

Die Anfänge des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1880 zurück und die Traditionsfirma stellt Maschinen her, die in der Automobilindustrie, in der Uhrenherstellung oder etwa in Medizintechnik ihre Anwendung finden.

Vorwürfe entkräften

Warum bleibt eine kleine Firma so hartnäckig und geht bis vor Bundesgericht, wenn doch die Aufseher bei der Schweizer Börse den Fall so glasklar schildern?

Nun, die Vorwürfe der SIX konnten so nicht stehengelassen werden, erklärte Tornos-Finanzchef Stéphane Pittet gegenüber muula.ch.

Der Verwaltungsrat vertrete hohe ethische Prinzipien, hiess es weiter.

Stéphane Pittet
Stéphane Pittet ist seit November 2021 der Finanzchef von Tornos. (Bild: PD)

Beim Blick in die Zusammensetzung des Gremiums wird klar, was der CFO meint.

Im Verwaltungsrat sitzen die zwei Ankeraktionäre: der bekannte Walter Fust, dem fast die Hälfte der Firma gehört, und Michel Rollier, der etwas mehr als 14 Prozent an Tornos besitzt.

Unbedeutende Rückstellung betroffen

Die Probleme in der Rechnungslegung seien bei der Umstellung der Rechnungslegung von IFRS auf Swiss-GAAP-FER entstanden, erklärte Pittet fachgerecht, obwohl er damals noch nicht bei Tornos gearbeitet hatte.

Die Verantwortlichen waren bei der Umstellung der Meinung gewesen, dass nicht alle Pensionsrückstellungen aufgehoben werden sollten, weil die Situation in der Vorsorgeeinrichtung nicht so rosig ausgesehen habe.

Eigentlich hätten die fraglichen Rückstellungen aber aufgelöst werden müssen.

Verluste abgeschwächt

SIX konnte diesen Umstand zwar nicht mehr rückgängig machen, doch sollte der Missstand korrigiert werden. Und da passierte es, dass die Rückstellungen erfolgswirksam aufgelöst wurden, statt einfach nur über eine Richtigstellung daraufhin zu weisen.

Laut Finanzchef Pittet habe diese Vorgehensweise aber lediglich die Verluste in dem betreffenden Zeitraum etwas abgeschwächt.

Mit diesen Angaben verstehen Externe aber auch besser, weshalb es bei der SIX in der Medienmitteilung hiess, die Jahresabschlüsse 2016 und 2017 hätten kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft gezeigt.

Unverhältnismässig gebüsst

Im Prinzip stimmt das zwar, klingt allerdings etwas übertrieben, denn es geht ja bloss um die Pensionsrückstellung, bei der eigentlich sehr viele Firmen gerade bei der Umstellung von IFRS auf Swiss-GAAP-FER so ihre Problemchen haben.

Doch warum der Gang an das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht, hakte muula.ch weiter beim Tornos-CFO nach?

Nun, das ganze Verfahren mit den Vorwürfen der Sanktionskommission schien der Firma mit ihren rund 700 Angestellten recht suspekt.

Von der SIX, die kotierte Firmen bezüglich der ganzen Vorgehensweisen und Regularien nicht berät, fielen – bildlich gesprochen – einfach nur eine ganze Armee an Anwälten über die kleine Firma her, sagte Pittet.

Ausserdem sei die Höhe der Busse für so ein Vergehen und für so eine kleine Firma unverhältnismässig gewesen, betonte er.

Leichter Gang zu Bundesgericht

Zum Bundesgericht ging das Management schliesslich, weil es sich Hilfe in dem Fall erhofft habe.

Im Schiedsgerichtsverfahren wäre es vorwiegend um die Busse gegangen, welche dann fast halbiert wurde und so wohl eine Art Kompromiss darstellen solle.

Die Firma sei aber der Ansicht gewesen, gute Karten vor Bundesgericht zu haben, weil bei dem Fall letztlich inhaltlich nicht sauber argumentiert worden sei.

Durch die ganzen Vorarbeiten mit dem Schiedsgericht der SIX und dem Bundesverwaltungsgericht sei der Gang zu Bundesgericht aber nicht mehr aufwändig gewesen, hiess es von Tornos weiter.

Hinterfragen der Abläufe

Was würde die Traditionsfirma anderen Marktteilnehmern als Lehren aus dem Verfahren empfehlen, fragte muula.ch noch beim Tornos-Finanzchef nach. 

Es lohne sich eventuell, bilateral mit SIX beziehungsweise der SIX-Regulation eine Lösung zu suchen, als durch all die Instanzen zu gehen.

Schliesslich müssten kleinere Firmen ihre Energie noch viel stärker auf das Geschäft ausrichten.

Für die ganzen Pflichten der SIX habe Tornos zudem alle internen Abläufe überprüft und mit Vieraugenprinzip sowie vielen Dokumentationen versehen, damit ja keine Probleme mehr mit der Börse auftreten.

Es wundere Pittet obendrein, wenn kleinere Unternehmen überhaupt noch IFRS anwendeten. Das sei alles viel zu kompliziert, sagte er.

Warten auf Swisscom-Fall

Und bei noch einem Punkt gerät der Tornos-Finanzchef, der auch schon für die Swatch-Gruppe tätig war, regelrecht in Rage. Sein Eindruck sei nämlich, dass sich die Schweizer Börse vor allem auf das Rügen von Mängeln bei kleineren Firmen eingeschossen habe.

Gespannt sei er daher, wenn die SIX endlich die Eröffnung der Untersuchung und später die Busse gegen den Telekomriesen Swisscom bekanntgeben wird.

Wie auch muula.ch berichtete, hatte der Staatskonzern aus Versehen einige Resultate des jüngsten Geschäftsjahres vorab publiziert und somit eigentlich klar Börsenregeln verletzt.

06.06.2023/kut.

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