Das deutsche Familienunternehmen Stihl will lieber in der Schweiz als in Deutschland investieren. Dies sei viel günstiger, so die Überlegungen.
Es kommt nicht aller Tage vor, dass die Schweiz als günstig bezeichnet wird.
Gerade auch im Zusammenhang mit Deutschland, wo der Geiz bekanntermassen geil ist, überrascht dies besonders.
Gute Rahmenbedingungen
Doch der Chef des 1926 gegründeten Familienunternehmens Stihl, Nikolas Stihl, erklärte genau dies im Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» vom Samstag.
«Aktuell ist der Standort Deutschland nicht mehr der attraktivste auf der Welt, um es einmal vorsichtig auszudrücken», sagte der Manager der Firma, die für ihre Motorsägen und Hochdruckreiniger weltberühmt ist.
«Die Schweiz ist für uns momentan günstiger als eine Investition in Deutschland», führte der Unternehmer weiter aus.
Die Rahmenbedingungen seien sehr gut und die Mitarbeiter seien hervorragend ausgebildet, begründete Stihl seine Aussage, der die Firma im jahr 2012 von seinem Vater, Hans Peter Stihl, übernommen hat.
Fertigung mit hoher Produktivität
«Für uns macht es durchaus Sinn, sich zu überlegen, ob man die gesamte Schnittgarnitur in der Schweiz herstellt, also nicht nur die Sägekette, sondern auch die Führungsschiene dazu», hiess es weiter zum Entscheid, diese Produktion nicht wie geplant im deutschen Ludwigsburg anzusiedeln, sondern erst einmal am alten Standort in Waiblingen weiter zu betreiben.
Die Schienenfertigung sei eine Hochtechnologie-Anwendung und ein Niedriglohnstandort mit niedrigqualifizierten Mitarbeitern eigne sich dafür nicht, sagte Stihl, der die Geschicke des Familienbetriebes in dritter Generation leitet.
Das Unternehmen brauche einen Standort mit qualifiziertem Personal in ausreichender Zahl, an dem die Firma mit hoher Produktivität fertigen könne.
Ständig mehr Bürokratie
«In der Schweiz stimmt das Gesamtpaket aus steuerlicher Belastung, Lohnnebenkosten, Energiepreisen, Genehmigungsprozessen und den Kosten für die Arbeitsstunde», erklärte Nikolas Stihl die Trümpfe der Schweiz ganz konkret.
Dies sind also die Vorteile des Wirtschaftsstandortes, welche das Land auf keinen Fall gefährden darf.
Zu seiner deutschen Heimat sagte Stihl, dass die extrem hohen Bürokratieanforderungen sich in entsprechenden Kosten niederschlügen. Es sei jetzt schon absehbar, dass dies nicht weniger, sondern mehr werde, wenn man schaue, was Berlin und Brüssel planten, so die Kritik.
«Die Staatsquote ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen und wird weiter zunehmen», mahnte der Chef des Milliardenkonzerns. Zudem seien die Energiekosten in Deutschland mittlerweile sehr, sehr hoch, hiess es weiter.
Sinnvolle Arbeit für Beamte
Seinem Heimatland empfiehlt er, und dies ist auch eine indirekte Warnung an die Schweiz, auf dem Feld der Bürokratie zügig etwas zu bewegen. «Entlastungen kosten hier mehr oder weniger gar nichts», sagte er. Man müsse nur auf bestimmte Pflichten verzichten.
«Man könnte sogar sehr viel Geld sparen, weil den Auflagen, denen die Unternehmen mit hohem Personalaufwand nachkommen müssen, Bedienstete im öffentlichen Dienst gegenüberstehen».
Diese Beschäftigten würden zur Kontrolle aber gar nicht mehr benötigt und könnten dann teilweise den Fachkräftemangel beheben und sinnvolleren Tätigkeiten nachgehen, machte Stihl klar.
Dokumentationen streichen
Unverhältnismässig hoher Aufwand entsteht laut dem promovierten Unternehmer etwa in der Dokumentationspflicht bei den Lieferketten.
«Das könnten wir komplett weglassen, ohne dass unsere Nachhaltigkeitsbemühungen und die Art und Weise, wie wir wirtschaftlich tätig sind, tangiert würden», erklärte er.
Hierbei werde eine Staatsaufgabe um die Entwicklung von Nachhaltigkeit sowie fairem Wettbewerb auf die Unternehmen abgewälzt, weil die Politik in diesem Bereich nicht weiterkommt, mahnte der 63-Jährige.
Schweiz geht im Gleichschritt
Auch bei der Berichterstattung zur Nachhaltigkeit sieht Stihl grosses Verbesserungspotential. «Unternehmen müssen sich ohnehin in Richtung Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität verändern, weil sie sonst nicht zukunftsfähig sind», hiess es weiter im Interview mit der deutschen Wirtschaftszeitung.
Da bräuchte es keine zusätzlichen Regulierungen, sagte er.
«Aber nun müssen wir einen sehr aufwendigen Bericht schreiben und ihn zu sehr hohen Kosten von Wirtschaftsprüfern überprüfen lassen», umschrieb er die Situation.
Die Schweiz sollte also daran arbeiten, ihre Stärken nicht kaputtzumachen. Allerdings geht gerade bei dem letzten Punkt der Trend eher in Richtung Deutschland.
Arbeitskräfte verknappen
Und auch der Einführung einer 32-Stunden-Woche, die von Gewerkschaftsseite gefordert wird, erteilte Stihl eine Absage.
«Wenn man auf die Einführung der 35-Stunden-Woche Mitte 1984 schaut, hat sie ganz wesentlich zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten und zur Arbeitslosigkeit in den 1990er-Jahren beigetragen», erklärte er.
Es habe lange gedauert, bis sich Deutschland davon wirklich erholt habe.
«In Verbindung mit den hohen Steuern, der hohen Staatsquote, der Bürokratie und den Belastungen aus der Transformation hin zu einer dekarbonisierten Wirtschaft würde eine 32-Stunden-Woche heute zu einer Wirtschaftskrise führen», lautete die Mahnung klipp und klar an die Schweiz.
07.04.2024/kut.