Airlines wollen Passagieren zwei Minuten abknöpfen

Passagiere in einem Flugzeug
Es vergeht viel Zeit, bis alle Fluggäste ihren Sitzplatz gefunden haben. (Bild: Stocksnap / pixabay)

Das Airline-Business ist ein Massengeschäft, bei dem jeder Rappen zählt. Die Fluggesellschaften wollen den Fluggästen nun auch Minuten abluchsen.

Die Veränderungen in der Luftfahrtbranche kommen immer schleichend. Doch nun scheint es wieder an der Zeit für einen grossen Schritt zu sein.

Das Fluggeschäft ist eigentlich ein Massen-Business, bei dem jeder Rappen zählt.

Die Flugtickets waren nach der Coronavirus-Pandemie so teuer wie seit langem nicht mehr, sodass die Airlines eigentlich noch gut dastehen.

Nur 55 Cent je Passagier

So erzielte die Lufthansa-Gruppe, zu der auch die grösste Schweizer Fluggesellschaft Swiss gehört, im vergangenen Jahr einen Konzerngewinn von rund 800 Millionen Euro und beförderte dabei ungefähr 100 Millionen Passagiere.

Dies ergibt aber gerade einmal im Schnitt 8 Euro an Gewinn pro Fluggast, wobei eigentlich noch die Gewinnanteile von Cargo & Co. herausgerechnet werden müssten.

Im Jahr 2014 lag das Konzernergebnis der Lufthansa-Gruppe sogar nur bei 55 Millionen Euro.

Die Zahl der beförderten Passagiere lag aber ebenfalls bei rund 100 Millionen, was zeigt, dass der Gewinn je Fluggast damals – über den Daumen gepeilt – sogar nur bei 55 Euro-Cent lag.

Grosse Effekte im Jahr

Daher quetschen die Airlines jeden noch so kleinen Betrag vom Plastikbecher oder der ausgedruckten Bordkarte über die Verpflegung im Flieger bis hin zum Gewicht der eingebauten Sitze heraus.

Es wird gespart, wo es noch geht, weil die Situation für einen Flug – etwa bei der Einsparung von Kerosin durch weniger Fluggewicht – gering aussehen mag. Aber auf tausende Flugbewegungen im Jahr hochgerechnet, ergibt sich das Potenzial von Millioneneinsparungen.

Und bei der Untersuchung der Geschäftsprozesse haben die weltweiten Grossairlines nun ein neues Betätigungsfeld entdeckt, das sich wieder schleichend als Branchenstandard etablieren dürfte.

Hohe Strafzahlungen

Der Prozess des Einsteigens in ein Flugzeug erwies sich nämlich im Laufe der Jahre als eine der kniffligsten Herausforderungen für Fluggesellschaften.

Mit dem ständig steigenden Luftverkehrsaufkommen weltweit ist es aber von entscheidender Bedeutung, eine effiziente Methode für das Einsteigen der Fluggäste zu finden.

Verpassen Airlines ihre vorgesehenen Startzeiten, müssen sie hohe Strafzahlungen für spätere Abflüge bezahlen. Insofern kann das Bummeln beim Boarding für eine Fluggesellschaft richtig teuer werden.

United prescht vor

Dabei hat sich vielerorts das «Umgekehrte Pyramidensystem» als Methode beim Boarding etabliert, bei der zuerst die Passagiere in den hinteren Reihen aufgerufen werden, gefolgt von denen in der Mitte und schliesslich den vorderen Reihen.

Diese Methode soll die Fluggäste schneller an Bord bringen, da die hinteren Passagiere nicht von den vorderen ausgebremst werden.

Wie das «Wall Street Journal» in dieser Woche berichtete, will nun United Airlines das Einsteigen für Passagiere künftig flächendeckend ändern.

Ab nächster Woche will die amerikanische Fluggesellschaft das sogenannte Zonensystem praktizieren und dabei bei jedem Flug zwei Minuten an Einsteigezeit sparen.

Zahlreiche Tests absolviert

Das Boarding erfolgt dabei nach dem Wilma-System, das sich einfach an den englischen Worten von «window», «middle seat» und «aisle» orientiert.

Passagiere mit Fensterplatz dürfen demnach zuerst ein steigen, gefolgt von jenen Fluggästen mit Mittelsitzplätzen. Anschliessend sollen erst die Personen mit Gangplätzen ins Flugzeug einsteigen.

Fluggäste, die zusammen reisen, dürfen aber weiterhin gemeinsam an Bord gehen, hiess es weiter.

Das Wilma-Prinzip sei von United Airlines an vier nationalen Flughäfen mit Direktverbindungen und an einem Umsteigekreuz getestet worden.

Spitzenreiter bei fünf Minuten

Die amerikanische Fluggesellschaft hatte dieses System bereits im Jahr 2017 einmal eingeführt, aber mit fünf Bording-Gruppen operiert und die günstigsten Economy-Tarife ohne Gepäck noch separat behandelt. Das hat offenbar nicht gut funktioniert.

Southwest Airlines, die das neue Wilma-System in Atlanta getestet hat, konnte dabei inzwischen sogar fünf Minuten beim Einsteigen einsparen. Dies dürfte eine Beschleunigung des ganzen Vorgangs um 10 bis 25 Prozent sein – nur durch Änderung der Reihenfolge der Passagiere ohne Zusatzkosten.

Die Lufthansa-Gruppe experimentierte ebenfalls schon mit diesem System.

Bei Air France und British Airways ist es zum Teil sogar schon im Einsatz.

Bummelanten stören

Das Problem beim Füllen der Flieger ist allerdings, dass sich die Passagiere nicht nach den Vorstellungen der Fluggesellschaften verhalten.

Manche Fluggäste, die eigentlich zuerst ins Flugzeug steigen müssten, vertreiben sich die Zeit beim Shopping und kommen erst sehr spät ans Gate.

Andere Passagiere mit Fensterplätzen kommen eventuell erst von einem Umsteigeflug in letzter Minute angerannt.

Hinzu kommt, dass Airlines oftmals First- und Business-Class oder ihre Vielflieger als erste Gruppe in die Maschinen lassen, was den ganzen Vorgang noch komplexer macht.

Den Zufall nutzen

Selbst die Wissenschaft hat viele Methoden unter die Lupe genommen. Mache Experten schlagen dabei als beste Methode vor, die Sitzreihen alternierend aufzurufen. Dieses komplizierte Verfahren will aber offenbar keine Airline so praktizieren.

Auf alle Fälle sei es besser, Wilma zu verwenden, als die Flieger von hinten nach vorne mit der umgekehrten Pyramiden-Logik zu füllen, weil sich bei der Fenster-Mittelsitz-Gang-Methode immer wieder Möglichkeiten zum Durchgehen für Passagiere nach hinten ergäben.

Low-Cost-Carriers als Pioniere

Die wahrscheinlich beste Methode für das Einsteigen hatten aber die Billigflieger um Easyjet, Ryanair & Co., als sie neu auf den Markt gekommen waren.

Dann gab es nämlich gar keine festen Sitzplätze an Bord und die Passagiere sind förmlich in die Flugzeuge gerannt, um die besten Plätze zu ergattern.

Mittlerweile haben sich selbst Low-Cost-Airlines gegen dieses «Freestyle-Boarding» entschieden und verkaufen feste Sitzplätze.

Die Mehreinnahmen mit dem vorher festgelegten Sitzplatzsystem dürften nämlich die Nachteile bei der längeren Einsteigezeit aufwiegen.

Wie heisst es bei diesem Massen-Business doch so schön – jeder Rappen zählt.

22.10.2023/kut.

Airlines wollen Passagieren zwei Minuten abknöpfen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert