Brabeck rechnet mit dem WEF, der Schweiz und Nestlé ab

Peter Brabeck-Letmathe am WEF
Peter Brabeck-Letmathe legte alle Ämter bei Nestlé und dem WEF nieder. (Bild: PD)

Das Urgestein des Nahrungsmittelriesen Nestlé, Peter Brabeck-Letmathe, erklärt die Welt. Dabei erblicken viele Wahrheiten erstmals das Licht.

«Die Schweiz muss sich neu definieren».

Dies sagte kein Geringerer, als Nestlé-Urgestein Peter Brabeck-Letmathe in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Freitag.

Politik allgegenwärtig

Der einstige Topmanager der Schweiz sieht das Land in einer Übergangsphase.

«Traditionell beruhte der Erfolg der Schweiz auf drei Säulen: Neutralität, Liberalismus und Stabilität», erklärte Brabeck-Letmathe. Wirtschaftlich habe das Land zu den liberalsten der Welt gehört.

Doch die Schweiz habe vieles von diesem Vorteil eingebüsst, weil die Politik mittlerweile allgegenwärtig sei.

Alle Macht beim Präsidenten

«Das hat die Attraktivität des Standorts verringert», sagte der 81-Jährige zu den geänderten Gegebenheiten.

Alles sei auch auf Kurz- und nicht mehr auf Langfristigkeit ausgelegt, was sich schon in der jährlichen Wahl der Verwaltungsräte zeige.

Kurzfristigkeit dränge die Unternehmen allerdings in dieselbe Logik wie die Finanzmärkte: Quartalsdenken statt Langfristigkeit, so der ehemalige Nestlé-CEO und Verwaltungsrat.

Nestle-Topmanager Paul Bulcke und Peter Brabeck-Letmathe
Einstige Nestlé-Topmanager Paul Bulcke und Peter Brabeck-Letmathe (Bild: PD)

Dies habe alles mit der Minder-Initiative angefangen, welche die Kontrolle in Aufsichtsgremien paradoxerweise geschwächt habe, hiess es weiter.

Mit der neuen Pflicht, den Verwaltungsratspräsidenten (VRP) direkt durch die Aktionäre wählen zu lassen, seien die Präsidenten quasi unangreifbar geworden.

Früher hätte der Verwaltungsrat bei Fehlentwicklungen noch korrigieren können. Dies sei aber alles vorbei, und Brabeck-Letmathe deutete damit in Richtung Paul Bulcke, dem unlängst unter Druck zurückgetretenen Nestlé-VRP.

Wirtschaftswissen fehlt

Hinzu sei die Empörung über die hohen Abgangsentschädigungen gekommen. Doch auch diese seien von der Öffentlichkeit oft falschverstanden worden.

Bei Brady Dougan, dem CEO der Grossbank Credit Suisse (CS), habe es sich beispielsweise bei der Millionengage nicht um ein Geschenk gehandelt, erklärte Brabeck-Letmathe zur Situation.

«Wir haben in der Finanzkrise bewusst alle faulen Kredite gebündelt und als Bonusanteile zugeteilt – als Verantwortungspaket, nicht als Belohnung», betonte er. Diese Werte hätten sich bei der CS aber später erholt, was die Millionen ausmachte.

Die Aktionäre habe dies aber keinen Rappen gekostet und Staatshilfe hatte die CS im Gegensatz zur UBS keine bezogen.

Doch in der Bevölkerung sei nur das Bild der masslosen Manager haften geblieben, kritisierte Brabeck-Letmathe die Wahrnehmung.

Mehr Regulierung als in der EU

In den vergangenen zehn Jahren seien mehr Konzerne aus der Schweiz abgewandert oder hätten nur noch Teile ihrer Aktivitäten hierzulande behalten.

«Weil die Schweiz zu stark reguliert ist, teilweise sogar stärker reguliert als die EU», mahnte das Nestlé-Urgestein.

In der Schweiz sei eben nicht alles so schön, wie es gerne präsentiert werde.

Davon zeugten nur schon die Menschenschlangen nach Essen in Genf. Aber auch die Diskussionen um die Erbschaftssteuer-Initiative, die zwar abgelehnt wurde, habe ausländische Investoren verunsichert.

Vergangenheit statt Zukunft

Derzeit breche zudem die regelbasierte Weltordnung zusammen.

«Macht ist wieder wichtiger als Regeln», erklärte der einstige Topmanager der Schweiz. Die grossen Blöcke – die USA, China, Russland, zunehmend auch Indien – schrieben ihre eigenen Regeln, so Brabeck-Letmathe.

Keiner der grossen Führer um Donald Trump oder Wladimir Putin beschäftigte sich jedoch mit der Zukunft.

Trump wolle Amerika «wieder gross» machen und Putin wolle das alte Russland zurück.

Früher habe Nestlé etwa bei Investitionen in Kuba, Syrien oder Iran stets gesagt, der Konzern lasse sich nicht politisch instrumentalisieren, als Kritik an der Vorgehensweise aufkam.

Rückkehr zur alten Firmenstrategie

Auch an der Konzernstrategie lässt Brabeck-Letmathe mittlerweile kaum ein gutes Haar.

«Anfang der 2000er Jahre wurde mir klar, dass das Jahrhundertparadigma der Nahrungsmittelindustrie – möglichst viele Kalorien, möglichst billig zu produzieren – an seine Grenzen stösst», erklärte er.

Nestlé brauchte daher einen Weg zu einer gesamtheitlichen Ernährung, Gesundheit und Wellness, statt nur Essen und Getränke zu produzieren.

Doch nun kehre der Nahrungsmittelkonzern aus Vevey VD genau zu dieser Strategie um «Food and Beverage» zurück.

Erfahrungen in der Schublade

Sein Wissen und Können sei seit dem Jahr 2017, also seit dem Ausscheiden als Nestlé-Verwaltungsratspräsident, auch kein einziges Mal von Nestlé gefragt gewesen, verriet der einstige Topmanager weiter.

«Ich habe die Firma übergeben mit mehr als 40 Milliarden Franken Kapital und 12,3 Milliarden Schulden, mittlerweile hat das Unternehmen über 60 Milliarden Schulden – und das für nichts und wieder nichts», erklärte der Ex-Chef.

Seine Identifizierung mit Nestlé sei nicht mehr da, und dies sei auch der Grund gewesen, den Titel als «Chairman emeritus» abzugeben.

Strafanzeige gegen VIPs

Sein Amt beim Board des World Economic Forum WEF legte Brabeck-Letmathe ebenfalls unlängst nieder, wie muula.ch berichtete.

«Meine Idee von Integrität war nicht im Einklang mit dem, was da passiert ist», sagte er diesbezüglich gegenüber der «NZZ».

WEF-Gründer Klaus Schwab hatte im Streit um Unregelmässigkeiten sogar den Präsidenten von Singapur, die Königin von Jordanien, den Chef der Weltbank, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank EZB in Genf angezeigt.

Missstände unter den Tisch kehren

«Wenn der Bericht so positiv wäre, warum veröffentlicht man ihn dann nicht?», fragte der 1944 im österreichischen Villach geborene Topmanager rhetorisch zur Untersuchung gegen Schwab um die Unregelmässigkeiten bei dem Davoser Forum.

Doch sogar da habe sich die offizielle Schweiz eingeschaltet, machte das Nestlé-Urgestein klar.

26.12.2025/kut.

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