
Die Schweiz setzt das ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Indien bald in Kraft. Das komplizierte Vertragswerk verdient seinen Namen allerdings kaum.
Indien erhält – anders als die Schweiz zu ihrem Nationalfeiertag – zum Geburtstag des Landes ein richtiges Geschenk.
Die Efta-Staaten, zu denen neben der Schweiz auch Norwegen, Island und Liechtenstein gehören, setzen am 1. Oktober 2025 das Handels- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EFTA-Indien in Kraft.
Nach 16 Jahren plötzlich Eile
Dies gab das Bundesamt für Zoll- und Grenzsicherheit BAZG am heutigen Montag bekannt. Indien begeht am kommenden Freitag seinen 79. Unabhängigkeitstag..
Die Unterzeichnung des Abkommens am 10. März 2024 in Delhi war nach 16 Jahren an Verhandlungen gelungen.
Warum es plötzlich so rasch vorwärtsging, ist unklar.
Das Abkommen enthält Bestimmungen zum Handel mit Industriegütern, Landwirtschaftsprodukten, technischen Handelshemmnissen, Ursprungsregeln, Handelserleichterungen, Handel mit Dienstleistungen, Schutz und Durchsetzung des geistigen Eigentums, zu Wettbewerb, öffentlichem Beschaffungswesen, Streitschlichtung sowie zu nachhaltiger Entwicklung, hatte das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco freudig die lange Liste verkündet.
Probleme in Zukunft geschoben
Neu sei allerdings die Investitionsförderung, bei der sich die vier Länder verpflichten, innerhalb von 15 Jahren rund 100 Milliarden Dollar in Indien zu investieren und eine Million Arbeitsplätze zu schaffen.
Wer welchen Anteil übernimmt, ist allerdings nicht bekannt und wird auch auf Nachfragen von den Behörden auf beiden Seiten nicht verraten.
Zählt Indien weniger Investitionen und Arbeitsplätze als vereinbart, darf das Land einen gemeinsamen Ausschuss anrufen. Die Probleme werden in dem Vertragswerk also in die Zukunft verlagert.
Grosses Entgegenkommen für Indien
Und wer bei Freihandel an freien Handel denkt, wird auch enttäuscht.
Seitenweise sind Produkte ausgenommen und ewiglange Übergangsfristen für Zollreduktionen wurden vereinbart.
Für die meisten Erzeugnisse sei der Zollabbau asymmetrisch, hiess es denn auch im Zirkular vom BAZG.
Während die Efta-Länder ihre Zölle mit Inkrafttreten in einem Schritt aufheben oder reduzieren, erfolge die Zollermässigung/-befreiung in Indien schrittweise.
Wer einen grossen Markt mit 1,4 Menschen hat, lässt sich den Zugang eben teuer bezahlen.
Aber indische Produkte sind auf dem Schweizer Markt wahrscheinlich auch kein Problem, denn Kassenschlager von dem Subkontinent fallen wohl kaum jemandem ein.
Dekade an Übergangsfrist
Nach Ablauf der Abbaufristen seien Zollersparnisse von jährlich bis zu 167 Millionen Franken möglich, rechnete das Seco den Mini-Betrag vor.
Schweizer Uhren um Rolex, Swatch, Patek Philippe, Audemars Piguet & Co. seien vollumfänglich von Zoll befreit.
Für einen Grossteil der Maschinen fielen ebenfalls die Zölle weg und bei den chemischen Produkten würden rund 74 Prozent zollbefreit, hiess es kompliziert.
Für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte gewährt Indien der Schweiz nach einer Übergangsperiode von bis zu 10 Jahren zollfreien Marktzugang für ausgewählte verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, wie Schokolade und Kaffeekapseln.
Für Wein offeriert Indien der Schweiz über 10 Jahre gestaffelte Zollreduktionen. Grosse Würfe sind also in der nächsten Dekade auch da erst einmal nicht zu erwarten.
Generika als Chance?
Wie es für die Schweizer Pharmaindustrie um Roche, Novartis & Co. aussieht, ist unklar.
Der Patentschutz und die Rechtssicherheit seien nun aber besser, hiess es. Auch ein Anmeldeverfahren zum Schutz von Swissness vereinbarten die Parteien.
Doch Indien kopiert Medikamente oft, weshalb westliche Unternehmen vorsichtig sind. Allenfalls Generikahersteller wie Sandoz könnten da Vorteile haben.
Umgehung immer möglich
Profitieren werde aber auch die Schweizer Finanz- und Versicherungsbranche, frohlockte das Seco weiter. So werde beispielsweise der Anteil an ausländischem Kapital im Versicherungsbereich bis 49 Prozent ermöglicht und im Bankensektor von 51 auf 74 Prozent erhöht.
Die Zurich Insurance hatte unlängst eine Beteiligung in Indien übernommen und dabei ihren Anteil auf 70 Prozent aufgestockt. Manchmal braucht es diese ganzen Bürokratieregeln einfach nicht.
Trump mit fatalem Present
Positiv in das Geschenk zum indischen Nationalfeiertag am kommenden Freitag in jedem Fall.
Auch wenn für die Schweiz in Asien praktisch nur China zählt, wie muula.ch berichtete, ist es besser als das, was US-Präsident Donald Trump zum 1. August an Bern geschenkt hat.
11.08.2025/kut.