Der Diesel-Abgasskandal hat weltweit zahlreiche Kunden geschädigt. Die Schweizer Justiz zieht sich dabei aber wieder mal elegant aus der Affäre.
Das lateinische Schlüsselwort lautet «ne bis in idem» und dies werden Schweizer Kunden des deutschen Autokonzerns Volkswagen wohl so rasch nicht vergessen.
Seit Dezember 2016 am Ball
«Nicht zweimal in derselben Sache urteilen», bedeutet die Formulierung des Rechtsgrundsatzes und der hat es in sich.
Genau auf diesen Lehrsatz berief sich nämlich die Schweizer Bundesanwaltschaft BA im sogenannten VW-Dieselskandal, wie die Behörde am heutigen Donnerstag mitteilte.
In dem Verfahren ging es um Abgasmanipulationen, weil der deutsche Autokonzern besser als in Wirklichkeit dastehen wollte.
Die BA führte seit Dezember 2016 ein Strafverfahren gegen die VW AG und gegen die Amag Import AG wegen Verdachts der Strafbarkeit von Unternehmen.
Es stand auch der Verdacht auf gewerbsmässigem Betrug im Raum.
Für gesamtschweizerische Lösung
Rund 175.000 Käufer und Leasingnehmer von Fahrzeugen der VW-Konzernmarken mit Dieselmotoren des Typs EA 189 hätten geschädigt sein können.
Auch sollten Schweizer Manager von der ganzen Misere gewusst und dadurch Obliegenheitspflichten verletzt haben.
Nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen der VW AG gingen bis März 2016 rund 2000 Strafanzeigen wegen Betrugs und unlauteren Wettbewerbs teils bei den kantonalen Staatsanwaltschaften in der ganzen Schweiz und teils direkt bei der BA ein.
Zwecks Koordination zwischen den betroffenen Strafverfolgungsbehörden und Erzielung einer gesamtschweizerischen Lösung wurden diese Strafanzeigen bei der BA zusammengeführt.
Deutsche Busse zählt
Die BA wollte aber ohnehin in der Sache nichts unternehmen, weshalb Betroffene vor das Bundesstrafgericht zogen.
Dort bekamen sie Recht und die Richter verdonnerten die BA dazu, ein Strafverfahren gegen die VW AG, die Amag AG und die verantwortlichen Organe zu eröffnen.
Aufgrund eines Bussgeldentscheides der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen die VW AG sei die Strafverfolgung der VW AG nicht mehr möglich, teilte die BA am heutigen Donnerstag mit.
Alles wird eingestellt
Dies erfolgte aufgrund des transnationalen Verbots der Doppelverfolgung und -bestrafung, hiess es weiter.
Die BA stellte das Strafverfahren gegen die VW AG daher nach dem Grundsatz «ne bis in idem» ein, so die oberste Schweizer Justizbehörde.
Nach Abschluss umfangreicher Ermittlungen sei die BA weiter zum Schluss gekommen, dass sich weder der Tatverdacht betreffend der verantwortlichen Organe und Betriebszugehörigen der Amag AG noch der Tatverdacht betreffend der Amag AG selber erhärtete.
Das Strafverfahren wurde daraufhin ebenfalls in diesen Punkten eingestellt.
Beide Augen zudrücken
Die Schweizer Behörden verweisen auf den Urteilsspruch in Deutschland, der möglicherweise härter ausgefallen wäre, wenn auch die Schweizer Geschädigten dort einbezogen worden wären.
Unter Juristen hiess es am Donnerstag, die BA mache es sich zu leicht. Der juristische Grundsatz bezieht sich nur auf selbe Taten – und da hätte man durchaus beim Betrug der Schweizer Kundschaft ein separates Vergehen erkennen können.
Schuld ohne Schuldiger?
Die Bescheide der BA seien noch nicht rechtskräftig, hiess es von der Behörde.
Zudem könnten Geschädigte auf zivilrechtlichem Wege allfällige Schadenersatzforderungen geltend machen.
Doch ohne einen Schweizer Schuldigen sei dies sehr schwierig, so Juristen zu einem solchen Verfahren.
Jedenfalls wird Betroffenen das «ne bis in idem» noch lange in Erinnerung bleiben.
31.10.2024/kut.