Ex-Finma-Direktor und Chef der deutschen Finanzaufsicht Mark Branson klagt über die EU-Regulierung. Die Lösung präsentiert er gleich mit.
«Ich habe aber Zweifel, dass der ganze Papierkram vielen Anlegern geholfen hat, bessere Entscheidungen zu treffen».
Mit diesem Satz überrascht der Ex-Finma-Direktor und aktueller Chef der deutschen Finanzaufsicht Mark Branson im Interview mit dem «Handelsblatt».
Eigenverantwortung wahrnehmen
Der regulatorische Ansatz beim Verbraucherschutz sei sehr dokumentationsgetrieben, führte er weiter aus.
«Die EU-Richtlinie Mifid sorgt dafür, dass jeder Anleger beim Wertpapierkauf sehr viele Seiten Papier bekommt», erklärte Branson weiter. Die Kosten dafür seien hoch.
Wichtig sei ihm aber dabei zu betonen: «Jeder Kunde hat auch eine eigene Verantwortung, sich über die Kosten und Angemessenheit eines Produkts zu informieren», sagte er mit Blick auf den Verkauf von Zertifikaten durch Geldhäuser.
Regulierung verfehlt Ziele
Doch neben der Eigenverantwortung von Kunden macht Branson auf noch ein Thema aufmerksam.
«Wo es in Europa tatsächlich mehr Probleme gibt als in anderen Rechtsräumen, ist bei der Komplexität der Regulierung», sagte der Bafin-Chef.
Sie sei wahnsinnig gewachsen, aber führe nicht immer dazu, dass das Finanzsystem sicherer sei oder Verbraucher besser geschützt würden, betonte er.
«Da müssen wir ran», hob der einstige Finma-Direktor hervor.
Krypto und Nachhaltigkeit
Ein Beispiel dafür sei die neue Regulierung für Krypto-Märkte.
«Diese ist zwar eine positive Entwicklung, benötigt aber 52 separate technische Standards für deren Umsetzung», kritisierte der Finanzmarktexperte mit Jahrgang 1968.
Ein weiteres Beispiel sei die Nachhaltigkeitsregulierung, die auch sehr komplex und teuer geworden sei.
«Für die Unternehmen der Realwirtschaft genauso wie für die Banken», hiess es dazu. Die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten stagniere dagegen, was vor allem an der EU liege.
Regeln machen nicht alles besser
«In der EU gibt es einen Hang, jedes Detail haarklein zu regeln, um EU-weit für eine Gleichbehandlung zu sorgen», erklärte Branson weiter.
Es würden also so viele Regeln aufgestellt, dass am Ende überall das gleiche Ergebnis herauskommen muss, so der Bafin-Chef.
Er finde die Detaillierung der Regulierung jedoch übertrieben.
«Auch in Deutschland gibt es vielerorts den Glauben, dass eine weitere Regel alles noch ein bisschen besser macht», mahnte er.
Spielraum für Interpretationen
Als Ausweg aus dem Problem sieht er mehr Vertrauen in die Aufsichtsbehörden und im Freiraum bei der Durchsetzung der Gesetze, wie Branson hervorhob.
«Unsere europäischen Gesetze sind ohnehin schon detaillierter als anderswo, da braucht es nicht noch eine Vielzahl zusätzlicher technischer Standards, die alles bis in die letzte Verästelung ausformulieren», sagte er.
Die Finanzbranche müsse auch selber mit gewissem Interpretationsspielraum leben können.
Alle Fragen könne man nicht im Voraus regeln – sonst werde die Regulierung unflexibel und starr, so Branson.
Null Mehrwert
Als ein Beispiel, das ein permanenter Aufräumprozess in der Regulierung hervorbringen müsste, sei das Beschwerderegister, in dem Finanzinstitute bisher Kritik an Mitarbeitern in der Anlageberatung melden müssten.
«Dieses Register hat für uns keinen Mehrwert, da wir Beschwerden auch über andere Kanäle erhalten», erklärte der einstige Finma-Direktor zur Entschlackung der deutschen Regulierung.
Unnötiges abschaffen
Darüber hinaus wolle er die Schwelle, aber der Banken ihre Kredite an die deutsche Aufsichtsbehörde melden müssen, von einer auf zwei Millionen Euro anheben, sagte der Schweizerisch-britische Doppelbürger.
Man sollte die Ausdauer und Hartnäckigkeit haben, die es brauche, Unnötiges abzuschaffen.
Es ist damit eigentlich schade, dass Branson nun in Berlin agiert und nicht mehr in Bern für mehr Eigenverantwortung und weniger Bürokratie wirbt.
10.09.2024/kut.