Der Datenschutzbeauftragte geht mit der Schweiz hart ins Gericht. Unklare Gesetze, unklare Projekte und unklares Behördenverhalten stören ihn.
Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte Adrian Lobsiger hat harsche Kritik an so mancher Situation in der Schweiz geäussert.
Bekämpfung von Kriminalität offen
Gerade die Bedeutung des Persönlichkeitsschutzes, des Öffentlichkeitsprinzips und des Rechtsstaates würden so oft unterschätzt und erst spät in die Planung von Vorhaben der digitalen Transformation einfliessen, dass es nur noch zu Verzögerungen kommen könnte, mahnte er am Dienstag zur Vorstellung seines Jahresberichtes 2023.
Ein Beispiel dafür sei die Einführung eines Registers der wirtschaftlich berechtigten Personen von juristischen Personen zur Kriminalitätsbekämpfung.
Viele Online-Zugriffe
Lobsiger habe da die Verwaltung vergeblich dazu angehalten, im Gesetz die Zwecke des Registers abschliessend zu formulieren sowie in der Botschaft an das Parlament die zahlreichen Online-Zugriffe von Behörden auf das Register mit der nötigen Klarheit zu begründen.
Angesichts der spärlich begründeten Eingriffe in die Persönlichkeit der Registrierten, drohten dem Vorhaben in den parlamentarischen Beratungen nun aber Verzögerungen, so die Situationsbeschreibung.
Bund nur Zaungast?
Ähnlich verhält es sich laut dem Datenschutzbeauftragten bei der geplanten nationalen Verknüpfung der kantonalen Polizeisysteme über eine mit Bundesbeteiligung betriebene Abfrageplattform.
Trotz der Dringlichkeit des Vorhabens sei bis heute offengeblieben, worin überhaupt die Beteiligung des Bundes bestehen solle und welche Infrastrukturen er für kantonale Aufgaben bereitzustellen gedenke, so die Kritik.
Unklar sei auch, auf welche Bürgerdaten der Kantone die Polizeiorgane des Bundes überhaupt zugreifen sollen und wann der Bund welche Rechtssetzungsvorhaben einzuleiten plane.
Politiker drücken sich um Arbeit
Das ist noch nicht mal alles. Auch Firmen sind von dem Unvermögen der Verwaltung und der Politik betroffen. Vermeidbare Verzögerungen erfahren auch digitale Vorhaben privater Unternehmen.
So habe der US-Konzern Meta kürzlich angekündigt, zwecks Trainings künstlicher Intelligenz KI bald auf die Daten der erwachsenen Nutzerinnen und Nutzer zu greifen.
Statt jedoch die Auswirkungen auf die Persönlichkeit seiner Kunden rechtzeitig ausreichend zu berücksichtigen, musste Meta sein Vorhaben in der EU, dem EWR und – wie das Unternehmen gegenüber dem Öffentlichkeitsbeauftragten bestätigte – inzwischen auch in der Schweiz wieder fallen lassen.
Dies zeigt, wie mühsam die ganzen Prozesse für die Zukunft in Europa sind.
Kaum elektronische Arbeiten
Verbesserungsbedarf stellte der Beauftragte in der Bundesverwaltung auch bei der Erstellung und digitalen Verwaltung amtlicher Dokumente fest.
Zugangsgesuche nach dem Öffentlichkeitsgesetz müssten zeitgerecht bewältigt werden und daher sollten die Unterlagen mit einfachen elektronischen Vorgängen zugänglich gemacht und gegebenenfalls darin enthaltene Inhalte automatisiert geschwärzt werden.
Doch dies sei noch Zukunftsmusik.
Bürokratische Hürden aufbauen
In Teilen der Bundesverwaltung setzten sich sogar Bestrebungen fort, Behördentätigkeiten ganz oder teilweise vom Anwendungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes auszunehmen, mahnte Lobsiger weiter.
Der Paradigmenwechsel vom Geheimhaltungs- zum Öffentlichkeitsprinzip würde durch bürokratische Erschwernisse gefährdet, lautete die für das Volk erschreckende Kritik.
Die Missstände, die Lobsiger zum Cybervorfall beim Bund mit Datenabfluss ins Darknet ansprach und über die auch muula.ch berichtete, klingen da fast harmlos.
25.06.2024/kut.