Die Schweiz ist glimpflich durch die Krisen um Corona, Energie und die Credit Suisse gekommen. Eine Analyse ergibt jedoch sechs Handlungsfelder.
Fast nahtlos folgten drei Krisen aufeinander – die Covid-19-Pandemie von 2020 bis 2021, die Energiekrise 2022 sowie der Untergang der Krisenbank Credit Suisse im Frühling 2023.
Die Schweizer Volkswirtschaft hat sich dabei als Ganzes einmal mehr als äusserst resilient erwiesen, urteilte der Bundesrat in einem neuen Lagebericht.
Globalisierung unter Druck
Doch eine Analyse der Stärken und Schwächen der Schweizer Volkswirtschaft fand sechs Handlungsfelder, die es in den kommenden Jahren abzuarbeiten gilt.
Neben den drei Krisen um Corona, Energie und der Credit Suisse prägten nämlich auch verschiedene internationale Entwicklungen die Schweizer Volkswirtschaft und dürften den Wirtschaftsstandort Schweiz in den nächsten Jahren weiter fordern.
Verlust der Standortattraktivität
Die Einführung der OECD-Mindeststeuer schmälert die steuerliche Attraktivität des Landes.
Zugleich lancierten die USA und die EU industriepolitische Initiativen, um die Dekarbonisierung voranzutreiben und die Resilienz über geringere Handelsabhängigkeiten zu erhöhen.
All dies dürfte zwar für gewisse Branchen in der Schweiz wettbewerbsverzerrend wirken, aber auch neue Absatzmöglichkeiten oder günstigere Beschaffungsmöglichkeiten bieten, hiess es trotz trüber Aussichten optimistisch vom Bundesrat.
Hauptthema Strom
Nun, was sind die sechs Handlungsfelder, mit denen die Landesregierung künftigen Krisen und der aktuellen Wettbewerbssituation vorbeugen will?
Zur Stärkung einer sicheren und kostengünstigen Stromversorgung stünde die Umsetzung des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, die Beschleunigung beim Aus- und Umbau der Stromnetze sowie die Verhandlungen zu einem Stromabkommen mit der EU an, hiess es als Erstes vom Bundesrat.
Wie wichtig günstige Energie für die Schweiz ist, berichtete muula.ch unlängst über den Einfluss auf die Schweizer Teuerung.
Netzentgelte um 70 Prozent höher
Zur Umsetzung des Ausbaus der erneuerbaren Energien und Deckung des zusätzlichen Strombedarfs bei simultanem Ausstieg aus der Atom- und den fossilen Energien (Netto-Null) ist laut der Regung ein weiterer Ausbau der Netze im Umfang von 37 Milliarden Franken zusätzlich zum Ersatzinvestitionsbedarf von rund 45 Milliarden Franken notwendig.
Das Bundesamt für Energie BFE gehe davon aus, dass die Netzentgelte für Haushaltskunden bis 2050 um bis zu 70 Prozent steigen.
Dies zeigt allein, dass es wohl um den Bau eines neuen Atomkraftwerkes nicht herumkommt. Doch das will so noch niemand laut sagen.
Suche von Fachkräften
Als Zweites sieht der Bundesrat als Aufgabe die weitere Förderung und Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials in der Schweiz.
Dazu habe die Landesregierung bereits im März 2024 zahlreiche Aufträge in Bezug auf die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen, älteren Arbeitnehmenden und gut qualifizierten Personen im Familiennachzug erteilt.
Zudem will der Bundesrat bei diesem Punkt in der Schweiz ausgebildeten Fachkräften den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, wogegen sich aber die SVP wehrt, wie muula.ch berichtete.
Schwierige EU-Thematik
Drittens will die Schweiz mit Verhandlungen über ein breites Paket den bilateralen Weg mit der EU stabilisieren und weiterentwickeln.
Zudem will der Bundesrat den Marktzugang mit Ländern ausserhalb Europas über die Freihandelsabkommen mit Indien, Mercosur und anderen Schwellenländern ausbauen.
Während Letzteres kaum strittig ist, liegen bei dem EU-Thema vielerorts die Nerven blank. Doch mit dem grössten Handelspartner der Schweiz braucht es eine Einigung.
Fortschritt nicht verschlafen
Zur Stärkung der Innovationsfähigkeit strebt der Bundesrat als vierten Punkt in seinem 100 Seiten langen Bericht die Assoziierung an das Horizon-Paket an, wozu nicht nur Horizon Europe, sondern auch Euratom, die Digitalisierung und die Lockerung des Gentechnik-Moratoriums zählen.
Zum Abbau der administrativen Entlastung werden in Umsetzung des neuen Unternehmensentlastungsgesetzes in der laufenden Legislatur erstmals für verschiedene Bereiche systematisch nach administrativen Entlastungspotenzialen gesucht.
Konkurrenz beleben
Doch nicht nur dort will der Bundesrat das Land entrümpeln.
Die Wettbewerbsdynamik soll mit einer Revision des Kartellgesetzes und einer Reform der Wettbewerbsbehörden als fünfte Herausforderung vor sich gehen.
Konkurrenz belebt normalerweise das Geschäft, so die Überlegungen.
Stabile Sozialwerke aufbauen
Schliesslich stehen angesichts des demografischen Wandels und der Finanzsituation der AHV in der laufenden Legislatur die Revisionen zu einer nachhaltigen finanziellen Stabilisierung des Sozialwerkes AHV an.
Auch eine gute Altersversorgung stabilisiert nämlich den Wirtschaftsstandort Schweiz. Sowohl Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber könnten dann langfristig besser planen.
Mit dem 6-Punkte-Plan solle die Schweiz besser auf künftige Krisen und die protektionistischen Wirtschaftsmassnahmen anderer Länder vorbereitet sein. Das gute Abschneiden in der jüngsten Vergangenheit dürfte nämlich der Weitsicht früherer Regierungen geschuldet sein.
23.05.2024/kut.